Ausgabe Juli / August 2024 | Politik & Gesellschaft

Was wird sich ändern?

Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag wird nun von Franken geführt.

Text + Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Wolf-Dietrich Weissbach im Gespräch mit dem neuen SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer

 

SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag Holger Grieß­hammer (l) und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Volkmar Halbleib.
SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag Holger Grieß­hammer (l) und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Volkmar Halbleib.

Seit dem 16. Juli 2024 wird die SPD-Kohorte im Bayerischen Landtag (endlich wieder) fränkisch geführt. Und damit zumindest regionalsprachlich weitgehend auf Augenhöhe mit dem Ministerpräsidenten, was in Bayern durchaus, man denke an die Moderation im Radioprogramm, von Bedeutung ist. Am 16. Juli 2024 haben ein Oberfranke und ein Unterfranke die Führung der SPD-Landtagsfraktion übernommen. Zum Fraktionschef wurde (einstimmig!) der bisherige Fraktionsvize Holger Grießhammer, zum parlamentarischen Geschäftsführer Volkmar Halbleib gewählt. Echte Franken, wie gesagt, was Erinnerungen etwa an Renate Schmidt aufrührt, die bei der Landtagswahl 1998 28,7 Prozent der Wähler heimholte, ein Ergebnis, das unter Florian von Brunn 2023 auf 8,4 Prozent eingedickt werden konnte. Neben weiteren Unstimmigkeiten führte dies wohl dazu, daß die SPD-Fraktion von Brunn das Vertrauen entzog. Für die bayerische SPD ist dies zweifellos ein wichtiges Datum. Es markiert eine Zäsur, eine Art Neuanfang, der – wenn auch im übertragenen Sinne – sogleich vom gesamten Landtag ordentlich gefeiert wurde. Fand am Abend des 16. Juli schließlich auch das traditionelle Sommerfest des Bayrischen Landtages im Schloßpark von Schleißheim statt und betonte aus diesem Anlaß nicht Landtagspräsidentin Ilse Aigner im weitesten Sinne den Zusammenhalt der Demokraten? Uns bot das Sommerfest Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit dem neuen SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer.

Herr Grießhammer: was wird sich jetzt ändern?

Grießhammer: Es wird einen anderen Stil, einen anderen Sound geben. Ich möchte einfach die Fraktion insgesamt mitnehmen. Ich bin nicht der Ich-Mensch, nicht der Machtmensch; nochmal: Es wird einen anderen Stil geben.

Es gibt in unserem Land eine geradezu unheimliche Zahl an Problemen. Es bleibt doch eigentlich, gerade auch für einen neuen Mann an der Fraktionsspitze, nicht viel Zeit, es muß doch wohl schnell gehandelt werden?

Grießhammer: Wir haben intern noch ein paar Dinge zu klären. Ein Kollege vom BR hat das ­heute so beschrieben: Ich bin von Beruf Maler- und Lakkierermeister! Eine gute Farbe hält nur dann, wenn der Grund gut ist. D.h. die Aufgaben sind groß, sind vielfältig, wobei man differenzieren muß: Was sind Aufgaben des Bundes, der Bundes-SPD, des Bundestages. Ich werde mich voll und ganz auf die Aufgaben in Bayern konzentrieren. Um gut arbeiten zu können, muß man sich natürlich sortieren. Aber ich kann Ihnen zusichern, es wird keine Monate dauern. Wir werden ganz schnell wieder ins Arbeiten kommen.

Kann man denn eigentlich noch klar unter­scheiden, zwischen den Aufgaben des Bundes und den Aufgaben des Landes? Natürlich formal sicherlich …

Grießhammer: Wir werden im Landtag häufig konfrontiert mit der Bundespolitik, etwa wenn es um Stimmungen geht, um Kritik an der Bundesregierung. Wir müssen das ganz oft aushalten und ausbaden
hier in München, obwohl die Zuständigkeit in Berlin liegt. Für den Bürger ist das meistens undurchsichtig und oft nicht nachvollziehbar. Wir im Landtag wissen natürlich ganz genau, wo unsere Zuständigkeiten liegen und wo nicht.

Nehmen wir als Beispiel die Gesundheitspolitik. Man bekommt als normaler Kassenpatient vor allem auf dem Land, aber auch in den Städten, bei den Ärzten keine Termine – also nur nach Wochen. Vor den Praxen sind oft ewig lange Patientenschlangen. Die Ärzte suchen händeringend nach Personal. Kurzum, die Zustände sind katastrophal.

Grießhammer: Ja, das ist alles eine Belastung für die Bevölkerung. Da ist dringender Handlungsbedarf, zumal hinzukommt, daß kleinere Kliniken fusioniert oder gar geschlossen werden, weil der Kostendruck zu hoch ist. Nun soll ja die Krankenhausreform kommen und da fordern wir, daß sich die Staatsregierung mit an den Tisch setzt. Denn für die Krankenhausplanung ist der Freistaat zuständig.

Nun, was die Probleme angeht, es ist ja nicht nur die Gesundheitsfürsorge. Es sind die Gastwirtschaften, die Lebensmittelgeschäfte machen zu. Die Menschen müssen geradezu Strapazen auf sich nehmen, um sich versorgen zu können. Auch in den Städten schließen Bankzweigstellen, Postfilialen usw. Viele Bürger sind der Meinung, daß solchen Entwicklungen Einhalt geboten werden müßte.

Grießhammer: Ich würde sagen, hier hat auch die Gesellschaft insgesamt eine Verantwortung. Alles kann die Politik nicht steuern. Man kann da als Politiker nur an die Menschen appellieren, nicht immer nur zu lamentieren, wenn der letzte Einzelhandel, Bäcker, Metzger schließt, sondern eben auch vor Ort einzukaufen.

Aber haben nicht die Kommunen an solchen Fehlentwicklungen Mitschuld, Stichwort: Smart City? Ist es wirklich nötig, daß der Bürger Computer, Handy-Apps und dergleichen beherrschen muß, nur um seinen Personalausweis verlängern lassen zu können?

Grießhammer: Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch, das muß man einfach mal realisieren. Sie hat viele Vorteile; aber es kann nicht sein, daß man ohne Smartphone bei Behörden oder Verwaltungen gar nicht mehr reinkommt. An die Behörden muß appelliert werden, daß Hürden, wenn es die geben sollte, abgeschafft werden. Es dürfen niemandem die Rechte als Bürger versagt werden.

Befassen wir uns nochmal mit den Kernthemen der SPD. Worauf wollen Sie sich in der kommenden Zeit vor allen Dingen fokussieren?

Grießhammer: Wir werden die Fraktion mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie allen Abgeordneten wieder auf Vordermann bringen und unsere Stärken nach vorne tragen. Besonders wichtig sind für uns Themen wie bezahlbare Energie, Pflege und Bildung. Mir ist es wichtig, als Fraktionsvorsitzender wieder näher an den Bürgern zu sein.

Wie soll das gelingen?

Grießhammer: Wir müssen unsere Politik wieder ein Stück mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken und das zum Thema machen, was den Handwerker, die Pflegekraft oder den Arbeiter in der Produktion bewegt. Dabei müssen wir die Menschen mit einer einfachen Sprache ansprechen.

Was streben Sie langfristig an?

Grießhammer: Langfristig wäre es wünschenswert, daß wir wieder zweistellige Wahlergebnisse einfahren. Und natürlich wäre es für uns perspektivisch toll, wenn wir wieder eine Zwei vorne stehen haben.

Sie sind fünffacher Familienvater und haben einen Malerbetrieb mit zwölf Beschäftigten. Wie läßt sich der neue Job mit der Familie vereinbaren?

Grießhammer: Ich habe mit meiner Frau und meinen Kindern vorher ausführlich gesprochen, und wir haben die Entscheidung gemeinsam getroffen. Ich möchte mit meinem neuen Amt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf demonstrieren, in dem ich mir meine Zeit entsprechend einteile. Mein Malerbetrieb etwa wird von einem Betriebsleiter geführt. Ich habe nur noch die Finanzaufsicht und das funktioniert bestens.

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