Ausgabe Januar / Februar 2025 | Gesellschaft

Was den Franken gerade wichtig ist

Aus allen Bereichen der Gesellschaft, von der Politik über die Wirtschaft, Religion, Medien, Kultur, Verwaltung, Dienstlei­stung, Arbeit oder ganz lapidar aus der Privatsphäre – wir wollen wissen, was Persönlichkeiten aus Franken gegenwärtig am meisten bewegt, was ihnen Mut macht oder gar schier verzweifeln läßt. Unsere neue Serie ist anspruchsvoll. Wir freuen uns darauf!

Text + Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Es sind aufwühlende Zeiten, international, national, regional und auch lokal. Die Welt scheint überall in Aufruhr. Gibt es auch Anker? Woran kann man sich halten? Auf der Suche nach Orientierung und vielleicht auch Rettung befragen wir, beginnend mit unserer Ausgabe Januar/Februar 2025, das ganze Jahr über jeweils fünf bis zehn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Aus allen Bereichen der Gesellschaft, angefangen in der Politik über die Wirtschaft, Religion, Medien, Kultur, Verwaltung, Dienstleistung, Arbeit oder ganz lapidar aus der Privatsphäre – wir wollen wissen, was sie gegenwärtig am meisten bewegt oder auch woran sie sich festhalten, was ihnen Mut macht oder gar schier verzweifeln läßt.

Was sie bewegt

Unsere Auswahl ist natürlich nicht repräsentativ und bedient auch keine Rangfolge nach dem Motto, der oder die Schönste, Größte, Wichtigste zuerst. Ob und was dabei herauskommt, ob das gelingt, was wir uns ganz vage erhoffen … wir haben keine Ahnung. Wie wäre es, wenn zumindest ansatzweise ein Regulativ, ein Korrektiv unserer Medienwelt, die zeitweise unerträglich zu werden scheint, oder überhaupt unseres Zusammenlebens, in dem wir viel zu oft nur noch Gegeneinander sind, bis hin zum Streit, ganz unten durchscheinen könnte? Und ganz nebenbei lernen wir und Sie, unsere Leserinnen und Leser, vielleicht Persönlichkeiten kennen, von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Dabei haben wir schon gemerkt: Unsere Serie ist sogar logistisch anspruchsvoll. Wir freuen uns darauf!

Prof. Dr. Julia Lehner,
Kulturbürgermeisterin der Stadt Nürnberg

Prof. Dr. Julia Lehner, Kulturbürgermeisterin der Stadt NürnbergWir leben in bewegten Zeiten: Klimawandel, Kriege, politische Konflikte und wirtschaftliche Krisen sind in gefühlter oder gar unmittelbarer Reichweite für uns alle spürbar. Verunsicherungen nehmen zu, der Trend zu gesellschaftlicher Verhärtung setzt sich fort. Verengte Meinungskorridore erschüttern unsere Debattenkultur und lähmen unsere Diskursfähigkeit. Antisemitische Tendenzen quer durch alle Milieus erfahren in erschreckender Weise eine Revitalisierung.

Seit über 20 Jahren stehe ich als Kulturreferentin und seit dem Jahr 2020 als Bürgermeisterin in politischer Verantwortung und muß konstatieren – sahen sich im Zuge der Corona-Pandemie Kunst und Kultur noch mit der Frage ihrer Systemrelevanz konfrontiert, wird nun vehement deren Beitrag und Positionierung im Angesicht der genannten Herausforderungen eingefordert.

Dabei gilt der Invest in Kunst und Kultur nach wie vor nicht zu den Pflichtaufgaben einer Stadt. Gleichwohl wissen wir, daß eine engagierte Kulturpolitik nicht nur den Boden für eine gelungene Stadtentwicklung bereitet, sondern gelebte Demokratiearbeit bedeutet. Das scheinbar selbstverständliche Angebot, das Volkshochschulen, Bibliotheken, Ausstellungshäuser und Soziokultur, die wertvolle Arbeit der Archive und Museen, die angesichts grassierender „Fake News“ als Instanzen der Glaubwürdigkeit herausragen, formulieren, gilt es unbedingt zu erhalten.

In Nürnberg obliegt uns darüber hinaus wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland der Umgang mit den baulichen Relikten der Nationalsozialisten. Das ehemalige Reichsparteitagsgelände umfaßt insgesamt 16 Hektar Fläche und steht größtenteils unter Denkmalschutz. Dieses bauliche Erbe macht eine permanente Auseinandersetzung damit unerläßlich. Mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitage und dem Memorium Nürnberger Prozesse hat Nürnberg bundesweit und darüber hinaus erinnerungskulturell Zeichen gesetzt. Doch Nürnberg macht hier nicht Halt. Das Zeppelinfeld mit seiner Tribüne, Fans des Norisring-Rennens oder des Rock im Park-Festivals sind mit der Örtlichkeit vertraut, wird derzeit zu einem Lern- und Begegnungsort entwickelt.

Denn Aufklärung und Wissen um die Mechanismen, Methodik und Zielsetzungen totalitärer Systeme ist nicht allein Wissensvermittlung, sondern vielmehr Prävention im Zeichen von Demokratie- und Menschenrechtsbildung.

Und so rückt auch die benachbarte, nie baulich vollendete Kongresshalle in den Fokus. Hier, wo seit den 1960er-Jahren bereits die Nürnberger Symphoniker proben und auftreten und seit 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Gäste aus aller Welt informiert, werden bis 2028 eine Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg, sowie Künstlerinnen und Künstler in erschlossene Ateliers, Probe- und Präsentationsräume einziehen.

Der Baustart für dieses ambitionierte Vorhaben erfolgte in Anwesenheit des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, sowie des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der betonte: „Hier ist ein symbolischer Ort für die dunkelste Zeit in der deutschen Geschichte. Um so mutiger ist die Idee, hier ein entschlossenes Zeichen für das Leben zu setzen, ohne dabei die Geschichte zu vergessen. Aus dieser Spannung entstehen künftig künstlerische Kreativität sowie ein einzigartiger Umgang mit der Vergangenheit. So bleibt die Erinnerung wach und läßt gleichzeitig eine neue Leichtigkeit mit Kunst und Kultur einziehen.“

Der Anspruch an Kunst und Kultur bleibt auch weiterhin hoch. In Nürnberg schlagen wir mit dem Kulturbauvorhaben an der Kongresshalle einen neuen Weg ein und werden dabei durch den Bund, den Freistaat und die EU massiv unterstützt. Hierfür bin ich zutiefst dankbar und bleibe zuversichtlich: Mit der Kraft von Kunst und Kultur wird es gelingen, die Kongresshalle zu einem Ort der Vielfalt und des Miteinanders zu gestalten.

Henry Schramm,
Bezirkstagspräsident von Oberfranken

Henry Schramm, Bezirkstagspräsident von OberfrankenMit sehr gemischten Gefühlen blicke ich auf das Jahr 2025. Für die Weiterentwicklung des Bezirks Oberfranken habe ich natürlich klare Ziele: Es gilt die großen Infrastrukturprojekte der Bezirkskliniken voranzutreiben. Dazu zählen der Neubau des Bezirksklinikums Obermain in Kutzenberg, der Ausbau der Forensik sowie die Modernisierung der H-Station und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bayreuth.

Unsere Gesundheitseinrichtungen fit für die Zukunft zu machen, bleibt auch 2025 eine der zentralen Aufgaben. Das Klinikprojekt in Kutzenberg, bei dem allein 140 Millionen Euro investiert werden, wird als „Jahrhundertprojekt“ für den Bezirk bezeichnet. Im Jahr 2025 soll der erste Bauabschnitt weitergeführt werden, ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Wichtig ist mir hier die Schaffung eines patientenfreundlichen Umfelds, das Genesung fördert.

Die „eine oder andere Sorgenfalte“, das will ich nicht verschweigen, bereitet mir die Entwicklung der finanziellen Lage der Bezirke. Die weiterhin steigenden Sozialausgaben machen die Haushaltsplanung für 2025 anspruchsvoll: Ich habe das Gefühl, wir sitzen als Gesellschaft immer noch im sozialen Rennwagen und fahren ungebremst auf eine Wand zu – wenn wir hier nicht gegensteuern oder von staatlicher Seite ein großer Geldregen kommt, droht irgendwann der große Knall.

Es geht mir dabei keineswegs um Kürzungen im Sozialbereich: Ganz im Gegenteil. Der Bezirk Oberfranken hat eine hohe Verantwortung für Tausende von Menschen, die auf unsere Unterstützung dringend angewiesen sind. Dieser Verantwortung wollen wir auch 2025 bestmöglich gerecht werden. Nichtsdestotrotz sind die Kommunen mit ihren finanziellen Aufgaben zunehmend überfordert. Der Gesetzgeber kann nicht immer neue Leistungsansprüche schaffen und anschließend den Kommunen die Finanzierung überlassen, das ist fahrlässig.

Trotzdem bin ich zuversichtlich, auch diese Herausforderung zu meistern. Wir haben einen starken Rückhalt vom Freistaat Bayern, ohne den viele unserer Bauvorhaben nicht möglich wären und der zum Glück die Mittel im allgemeinen Finanzausgleich erneut auf fast 12 Mrd. Euro aufgestockt hat. Letzteres ist zwar kein Allheilmittel, federt die aktuellen Belastungen aber zumindest ab. Aber es gibt noch anderes zu tun.

Als Co-Vorsitzender der Entwicklungsagentur „Oberfranken Offensiv“ möchte ich die Stärken der Region unterstreichen: Wirtschaftskraft, Innovation und Lebensqualität. Doch auch hier gibt es Handlungsbedarf, etwa bei der Verbesserung der Mobilität. Die Anbindung an den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg war ein wichtiger Schritt. Nun müssen wir weiter daran arbeiten, Mobilität im ländlichen Raum zukunftssicher zu gestalten. Wir sind aber auch hier auf einem guten Weg, wie auch die erneute bundesweite Auszeichnung als „Innovationsregion des Jahres 2024“ vor wenigen Tagen beweist.

Für mich steht fest: 2025 wird ein in vielfacher Hinsicht wegweisendes Jahr für den Bezirk Oberfranken. Soziale Unterstützung leisten, wichtige Gesundheitseinrichtungen erhalten und erneuern, Traditionen fördern und Oberfranken als moderne und lebenswerte Region weiterentwickeln – das wird ein „Kraft- und Balanceakt“, den ich auch 2025 mit Optimismus angehen will.

Daneben freue ich mich auf einige private Ereignisse, die diesem Jahr anstehen. Besondere Geburtstage, Hochzeiten, Feste mit Freunden und, mindestens in gleichem Maße, der große Familienurlaub im Sommer sowie gemeinsame Erlebnisse mit meiner Frau Andrea.: Letztendlich versuche ich immer, aus den vermeintlich kleinen Dingen des Alltags Freude und Energie zu schöpfen – das wird sich auch im nächsten Jahr nicht ändern.

Artur Steinmann,
Präsident Fränkischer Weinbauverband

Artur Steinmann, Präsident Fränkischer WeinbauverbandAls Weinbaupräsident freue ich mich derzeit und habe gleichzeitig ein weinendes Herz.

Was mich sehr freut, ist der aktuelle Jahrgang. Trotz der Spätfröste konnten wir nach der Weinlese Bilanz ziehen und die Winzer einen sehr guten Jahrgang einfahren. Selbst die Erntemenge ist oftmals besser als vermutet. Hier freue ich mich sehr für das Weinanbaugebiet Franken und bin sicher, daß alle Weinliebhaber sich ebenso auf den neuen Jahrgang freuen.

Was mir derzeit im Herzen schmerzt, und mich innerlich bewegt, ist das ständige mediale Herumhacken auf den Alkohol und den Wein. Es gibt im Englischen ein Sprichwort „There is no guilt in pleasure“. Wein ist ein Genußmittel – man muß niemanden das Gefühl geben sich schuldig zu fühlen, weil man einen Wein trinkt, wenn man sein Essen mit einem Wein genießt oder sich selbst eine kleine Freude macht. Klar ist, daß man den Genuß nicht übertreiben soll – denn dann ist es ja kein Genuß mehr. Diese Erfahrung hat wohl jeder in seinem Leben gemacht. Diesen verantwortungsvollen Weingenuß stellen wir in ganz Europa mit Wine in Moderation heraus.

Auch über den Genuß hinaus ist der Wein wichtig für die Region. Wer will nicht am Weinbergsweg oder der Bocksbeutelstraßen wohnen und beim Blick durchs Fenster den Blick auf die Weinberge genießen? Am frühen Morgen seine Joggingstrecke hoch den Kronsberg oder Würzburger Stein absolvieren und beim Innehalten und Luft schnappen, den Blick auf die lebendigen Winzerdörfer, Städte und die Natur werfen? Wir in Franken leben in einer Weinbauregion, einen der begehrenswertesten Flecken Land, den es in Deutschland gibt. Touristen fahren hierher, wo wir leben dürfen. Es war immer Ziel des Weinbaus den ländlichen Raum zu stärken, lebenswert zu machen und die gesamte Region voranzubringen.

Wir Winzer spüren derzeit die Kaufzurückhaltung und die wirtschaftliche Lage, wie so viele andere Unternehmen und Institutionen auch. Dennoch bin ich der Überzeugung, daß die gesamte Region zusammenhalten muß. Statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen, lieber zusammen anpacken. Die jeweiligen Verdienste neidlos anerkennen und gemeinsam uns anstrengen, daß unser Franken, unsere Heimat, weiter lebenswert bleibt.

Rabbinerin Dr. Antje Yael Deusel

Rabbinerin Dr. Antje Yael DeuselAnsprache anläßlich der Übergabe des Erinnerungsortes „Denkzeichen“ in Schweinfurt

Ein Mensch ist wie ein Grashalm, seine Lebenszeit wie eine Blume auf dem Feld. Weht ein Sturm darüber, vergeht sie und ist nicht mehr da, und man kennt nicht einmal mehr ihren Ort.

Diesen Abschnitt aus dem Psalm 103 haben wir vor kurzem im Jiskor, dem jüdischen Totengedenken, zu Jom Kippur gelesen, und auch am Ende des Laubhüttenfestes, mit einem besonderen Gedenken an jenen schicksalshaften Tag von Simchat Tora 5784, den 7. Oktober 2023.

Zum Jiskor gedenken wir unserer eigenen verstorbenen Verwandten, Freunde und Lehrer, wir gedenken der Opfer von Terror und Gewalt, und damit auch jener sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder, die in der Schoa ermordet wurden. Von manchen dieser ermordeten Menschen ist nicht einmal mehr der Name bekannt – insbesondere dann nicht, wenn es keinen Ort mehr gibt, an dem man ihrer namentlich gedenken könnte, dort, wo sie einst gelebt und gearbeitet haben, wo sie gelacht und gefeiert, wo sie geweint und getrauert haben. Wo man sie gekannt hat, und wo man sie plötzlich nicht mehr kennen wollte. Sind diese Orte nicht mehr bekannt, dann geraten auch die Namen jener Menschen allmählich in Vergessenheit, und schließlich das Wissen um ihre Existenz, um ihr Leben – und ihren Tod – überhaupt.

…Und man kennt nicht einmal mehr ihren Ort …

Ein solcher Ort des Lebens war auch hier in Schweinfurt, in all den Häusern und Wohnungen, in denen jüdische Menschen in dieser Stadt zu Hause waren, wo sie lebten und arbeiteten, und das schon seit dem Mittelalter, sogar noch vor der Errichtung dieser Stadtmauer. Nun ja, das Mittelalter ist für uns irgendwie weit weg – ist auch 1942 weit weg, womöglich zu weit weg? Das war das Jahr, in dem das jüdische Leben in Schweinfurt endgültig zu Ende war, vernichtet, was in Jahrhunderten gewachsen war. So lange ist das noch nicht, als daß wir es getrost wegschieben dürften. Die Reichspogromnacht 1938, ach, schon 86 Jahre her! Erst 86 Jahre her?

Wir übergeben heute den Erinnerungsort „Denkzeichen“ offiziell an die Stadt Schweinfurt und ihre Bürgerinnen und Bürger. Aber eigentlich geht es gar nicht um den Ort als solchen, obwohl er an sich ein starkes Symbol ist. Für mich steht dieser Ort, gerade hier an der Stadtmauer, vielmehr symbolisch für die Menschen, die einst hier in dieser Stadt ein und aus gingen, jahrhundertelang, bis in die jüngste Gegenwart. Denn Menschen, nicht Mauern, machen Städte. Und es steht für mich außerdem symbolisch für die Arbeitswelt, für den ganz normalen Alltag, den die jüdischen Einwohner Schweinfurts hier inmitten der Stadt, und mitten in der Stadtgesellschaft, gelebt haben, wie jeder andere Schweinfurter, jede andere Schweinfurterin auch. Sie waren ein fest integrierter Bestandteil eben jener Stadtgesellschaft, mit ihr untrennbar verwoben.

Untrennbar? Man hat sie innerhalb kurzer Zeit ausgegrenzt, abgetrennt, und schließlich gewaltsam herausgeschnitten aus dieser Stadtgesellschaft. Hat sie ihrer Rechte und ihres Besitzes und am Ende ihres Lebens beraubt. Einstige Nachbarn wurden zu Feinden, oder sie wendeten sich gleichgültig ab, was vielleicht sogar noch schwerer zu ertragen war. Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern – gleichgültig.

Weht ein Sturm darüber, vergeht sie und ist nicht mehr da, und man kennt nicht einmal mehr ihren Ort.
Heute enthüllen wir an dieser Stelle ein Denkmal, das zumindest symbolisch an diesen Ort erinnert, innerhalb der Stadtmauern – und mit ihm auch namentlich an die Menschen, die hier in Schweinfurt gelebt und gearbeitet, gelacht und geweint haben, bevor sie geflüchtet sind, alles zurücklassend, was ihnen etwas bedeutet hatte. Oder bevor man sie in den Tod trieb.

Möge das Denkmal nicht nur eine Mahnung gegen das Vergessen des Vergangenen sein, sondern gleichzeitig eine nachdrückliche Ermahnung für die Gegenwart, als ein starkes Zeichen für ein demokratisches und friedliches Miteinander. Gerade heute, in unseren Zeiten.

Prof. Dr. Paul Pauli,
Präsident der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Prof. Dr. Paul Pauli, Präsident der Julius-Maximilians-Universität WürzburgDie Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist eine der ältesten Universitäten Deutschlands und die älteste in Bayern. In der Geschichte unserer Universität haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Bedeutendes geleistet, einige sogar Wissenschaftsgeschichte geschrieben, zum Beispiel Wilhelm Conrad Röntgen mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895 im Physikalischen Institut unserer Universität.

Als Präsident dieser traditionsreichen Universität brennen mir naturgemäß mehrere Themen gleichzeitig unter den Nägeln. Hier will ich aber nur zwei Themen ansprechen, die aktuell von besonderer Bedeutung für die Universität und mich sind.

Mit großer Sorge beobachte ich die Entwicklung in Israel, in Gaza und im Libanon – und die Auswirkungen davon auf Deutschland und seine Universitäten. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den dadurch ausgelösten militärischen Auseinandersetzungen kam es vermehrt zu antisemitischen Protesten an deutschen Hochschulen, zu Besetzungen und zu Vandalismus – und das in einem Ausmaß, wie ich es nicht für möglich gehalten habe.

Die Universität Würzburg ist von extremen Ausschreitungen bislang verschont geblieben, auch weil wir sehr viel dafür getan haben und weiterhin tun werden. So haben wir beispielsweise sehr schnell Antisemitismusbeauftragte ernannt. Das Team, bestehend aus drei Personen mit unterschiedlichen Hintergründen, ist Anlaufstelle für alle Mitglieder der Universität, die sich mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert sehen. Mit unserem Zentrum für Antisemitismuskritische Bildung und dem Zertifikat der Antisemitismuskritischen Bildung für Unterricht und Schule wollen wir zusätzlich das Bewußtsein schärfen und das notwendige Hintergrundwissen vermitteln.

Für mich und die gesamte Universitätsleitung ist klar: Die JMU ist kein Ort für Antisemitismus. Jegliche Formen von Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Gewalt widersprechen den Grundwerten unserer Universität. Sie haben keinen Platz bei uns und werden konsequent geahndet.

Ein zweites Thema, das mir derzeit unter den Fingern brennt, ist die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder. Diese beschäftigt mich schon seit etlichen Monaten intensiv, denn wir sind mit zwei Forschungsvorhaben im Rennen; im Dezember 2024 und im Januar 2025 stehen die Begutachtungen durch die entsprechenden Auswahlgremien an.

Die Forschungscluster kommen aus der Physik und der Biomedizin. Im Mittelpunkt unseres Neuantrags „Nucleate“ steht Grundlagenforschung an Nukleinsäuren, von der wir uns viel versprechen: Ziel ist es, die Grundlage zu schaffen für die Entwicklung neuer biotechnologischer und medizinischer Anwendungen – beispielsweise zur Bekämpfung verschiedener Krebsarten. Bei dem zweiten Projekt handelt es sich um einen Fortsetzungsantrag. Das Cluster „ct.qmat“ arbeitet bereits seit der letzten Runde der Exzellenzstrategie 2019 mit großem Erfolg. Angesiedelt in der Quantenphysik, liegt sein Fokus auf der Entwicklung revolutionärer Quantenmaterialien für Hightech-Anwendungen der Zukunft, zum Beispiel energiesparender Computerchips oder von Materialien, die eines Tages den Bau von Quantencomputern unterstützen könnten.

Werden beide Anträge positiv begutachtet, was wir im Mai 2025 erfahren werden, qualifiziert uns das für das Rennen um den Titel einer Exzellenzuniversität. Weil der Antrag zur Exzellenzuniversität sehr aufwendig und umfangreich ist, haben wir uns bereits vor einigen Monaten auf den Weg gemacht, diesen Antrag vorzubereiten, und arbeiten derzeit intensiv weiter daran. Dabei geht es – ebenso wie bei den Clustern – um eine Förderung in Millionenhöhe. Der prestigeträchtige Titel einer Exzellenzuniversität, der dritten in Bayern, wäre ein herausragender Erfolg.

Sie sehen: Es stehen aufregende Wochen und Monate für die Julius-Maximilians-Universität und mich als ihren Präsidenten an.

Dr. Christa Standecker,
Geschäftsführerin der Europäischen Metropol­region Nürnberg

Dr. Christa Standecker, Geschäftsführerin der Europäischen Metropol­region NürnbergMir ist wichtig, daß Dinge zusammengedacht werden. Stadt und Land zum Beispiel. In unseren ­Köpfen sind Stadt und Land Gegensätze. Sie unterscheiden sich prinzipiell voneinander. Sie haben unterschied­liche Her­ausforderungen zu bewältigen. Sie bieten unterschiedliche Lebensstile. Sie werden unterschiedlich bewertet in Hinblick auf ihre Zukunfts­fähigkeit. Land ist Tradition. Stadt ist Zukunft. In der Realität sind sie aber mannigfaltig ineinander verflochten. Stadt kann nicht ohne Land, und Land nicht ohne Stadt existieren.

Erstes Beispiel:
Täglich pendeln nach Nürnberg ca. 135 000 Menschen aus den umliegenden Landkreisen ein, um in der Stadt zu arbeiten. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt in der Stadt.

Sie fahren Straßenbahnen und Busse, forschen und lehren in Hochschulen, sie bauen Gebäude, schneiden Haare, kochen in Restaurants, arbeiten in Banken und Unternehmen – kurz: sie halten Nürnberg am Laufen. Rund 60 000 Menschen pendeln übrigens auch aus der Stadt in die Landkreise aus, um dort zu arbeiten. Tendenz steigend.

Zweites Beispiel:
Täglich entstehen neue Photovoltaik- und Windkraftanlagen auf dem Land. Dort wird mehr Strom erzeugt als das Land braucht. Die Städte müssen in der Zukunft mitversorgt werden. Sie haben zu wenig freie Flächen. Früher war es umgekehrt, die Städte haben ländliche Räume durch große Kraftwerke mitversorgt.

Drittes Beispiel:
Am Wochenende fahren Stadtbewohner aufs Land, um Natur und regionale Spezialitäten zu genießen. Die Freizeitverkehre in die nahe Umgebung wachsen stetig. Fernweh ganz nah! Für das Land bedeuten sie Einkommen, für die Stadtbewohner Lebensqualität.

Stadt und Land sind komplementär. Sie haben unterschiedliche Stärken. Sie funktionieren nur zusammen, bedingen und stärken sich gegenseitig. Mir ist wichtig, daß Stadt und Land auf Augen­höhe zusammenarbeiten. Wenn Stadt und Land zusammenwachsen, entsteht Wohlstand. Wenn Stadt und Land zusammenarbeiten, entsteht eine nachhaltige Region. Nachhaltige Regionen sind die Sicherheitsarchitektur der Globalisierung.

Einen Hinweis erlaube ich mir noch. In diesem ­Jahre bieten wir: „Futur II – Mobilität 2050 in der Metropolregion Nürnberg – Wie wir es geschafft haben werden!“, so lautet der Titel einer Pop-up-Ausstellung, die aktuell durch die Metropolregion reist: Im vergangenen Jahr vom Zukunftsmuseum in Nürnberg, nach Amberg, dann Bamberg, im Januar/Februar 2025 in das Kulturforum Ansbach, dann folgt Coburg, den Schlusspunkt setzt im Sommer das Porzellanikon in Selb.

Die interaktive Wanderausstellung „Futur II“ ist ein Kooperationsprojekt des Deutschen Museums Nürnberg und des Projektes transform_EMN, das die Automobilzulieferindustrie in der Metropolregion in der Transformation unterstützt.

„Futur II“ nimmt die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Zeitreise: Durch einen Zeittunnel gelangen sie in einen futuristischen Transitraum und weiter in das Jahr 2050. In drei Themenräumen berichten KI-generierte Future-Communicators von den gemei­sterten Herausforderungen und dem Leben in dieser neuen Ära.

Ich verspreche Ihnen, die Ausstellung lohnt sich.

Dr. Thomas Jung,
Oberbürgermeister der Stadt Fürth

Dr. Thomas Jung, Oberbürgermeister der Stadt FürthFürth ist meine Heimatstadt. Ich bin sehr dankbar, daß ich hier seit mittlerweile über 22 Jahren als Oberbürgermeister arbeiten und die Entwicklung dieser schönen Stadt aktiv mitgestalten kann. Fürth hat das „Graue Maus-Image“, das ihr lange nachgesagt wurde, längst abstreifen können. Die Kleeblattstadt ist bunt, ist grün, ist vielschichtig und lebenswert.

Wir zählen über 132 000 Einwohner aus über 140 Nationen. Unsere Innenstadt, die jahrelang unter keinem guten Stern stand, ist wieder ein attraktiver Treffpunkt für die unterschiedlichsten Interessen – schöne Geschäfte, ein gut frequentiertes Einkaufszentrum, viel abwechslungsreiche Gastronomie, ein überaus beliebter Wochenmarkt und Feste, die Kultur und Unterhaltung zum Nulltarif bieten.

In Fürth haben immer noch kleine Betriebe und Geschäfte eine Chance, es bilden sich erfolgreich Nischen in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen, aber auch die großen, familiengeführten Unternehmen wie uvex, Kurz, Norma, Simba Toys, Spielwaren-Bruder sind stabil unterwegs und bieten sichere Arbeitsplätze. Seit dem desaströsen Niedergang des Versandhauses Quelle vor 15 Jahren hat sich die Fürther Wirtschaft erfolgreich entwickelt; die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen stiegen in diesem Zeitraum von 38 000 auf 52 000. Auch die Zahl der Erwerbslosen stagniert konstant auf einem erfreulich niedrigen Niveau.

Dank der damit auch einhergehenden guten Haushaltslage können wir in wichtige Projekte für die Gegenwart und Zukunft unserer Stadt investieren: Wir sanieren bzw. errichten zwei große Gymnasien, bieten jedem Kind in Fürth einen Betreuungsplatz, bauen die regenerativen Energien – besonders im Bereich Photovoltaik – aus, wir erneuern die Infrastruktur im Radwege- und Straßenbau, wir sanieren Deutschlands größtes Rundfunkmuseum, errichten eine neue Obdachlosenunterkunft, stellen große Summen für neue Sportstätten zu Verfügung und können, entgegen der Spielräume vieler anderer Städte und Gemeinden in Deutschland, auch unsere Kulturstätten wie das Stadttheater oder die freie Szene in gewohntem Umfang unterstützen.

Dies alles sind keine Selbstläufer. Hinter jeder Maßnahme, jedem Projekt stecken viele Ideen, Überlegungen, harte Arbeit und auch ein wenig glückliche Umstände. Ich bin sehr dankbar, daß die Zusammenarbeit sowohl im Stadtrat als auch in der Verwaltung sehr gut funktioniert, daß die Abstimmung vor allem bei den großen und teuren Vorhaben von Konsens und Pragmatismus geprägt ist. Dazu kommt ein ebenfalls nicht alltäglicher gesellschaftlicher Zusammenhalt in dieser Stadt, der viele Entscheidungen erleichtert und mitträgt.

Ich kann für mich daher nur festhalten: Ich schätze das Leben und Arbeiten inmitten von 2000 Baudenkmälern, in schätze das Gefühl, von jedem Ort in Fürth innerhalb von höchstens zehn Minuten direkt im Grünen zu sein, ich schätze die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, etwas für diese Stadt bewegen zu können, ich schätze die unzähligen Begegnungen, die vielfältigsten Anliegen und vor allem schätze ich die Menschen, die hier leben.

Volkmar Halbleib,
Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag

Volkmar Halbleib, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bayerischen LandtagWas für mich am wichtigsten ist: Vertrauen und Zuversicht!
Wir befinden uns nicht nur in Deutschland in einer Phase spürbarer Verunsicherung. Globale Krisen wie der Klimawandel, geopolitische Konflikte und die weltweite Digitalisierung treffen auf innergesellschaftliche Herausforderungen wie demographische Veränderungen, soziale Ungleichheit, Kulturkämpfe und den Verlust des Vertrauens in politische Institutionen. Die politische Debatte ist zunehmend von Mißtrauen geprägt, wodurch die Fähigkeit, konstruktive Lösungen zu finden, gelähmt wird. Viele Menschen haben das Gefühl, ihre Anliegen würden nicht gehört, und wenden sich entweder populistischen Bewegungen zu oder resignieren.

Die Frage, die mich am meisten umtreibt und deren Beantwortung mir am wichtigsten ist: Wie können Politik und Gesellschaft dieses Vertrauen wiederherstellen und Zuversicht schaffen?

Meine drei Impulse:
1. Die Balance zwischen Streit und Konsens wieder finden!
In einer pluralistischen Gesellschaft ist Streit unverzichtbar. Er ist der Motor, der Ideen hinterfragt, Innovationen anstößt und die Demokratie lebendig hält. Doch ohne das Ziel eines tragfähigen Konsenses bleibt der Konflikt destruktiv. Heute erleben wir oft eine Polarisierung, die aus Streit keinen Fortschritt, sondern Stillstand macht. Das wichtigste Ziel muß daher sein, Lösungen zu erarbeiten, die von einer breiten Mehrheit getragen werden können.

2. Reale Begegnungen statt virtueller Welt!
Die Digitalisierung hat unsere Kommunikation grundlegend verändert. Zwar bieten digitale Plattformen schnelle Verbindungen und breiten Zugang zu Informationen, doch sie fördern oft Oberflächlichkeit und Vereinzelung. Der direkte, menschliche Kontakt hingegen ermöglicht Empathie, Vertrauen und Verständnis – Qualitäten, die keine virtuelle Plattform ersetzen kann. Gerade in Zeiten sozialer und politischer Spaltungen ist die reale Begegnung wichtiger denn je. Wir brauchen Zeit, Einstellung und Räume für reale Begegnungen, in denen wie wieder lernen, miteinander statt übereinander zu sprechen.

3. Ende des Schwarz-Weiß-Denkens
Die großen Fragen lassen sich nicht mit einfachen Antworten lösen. Schwarz-Weiß-Denken führt in die Sackgasse, weil es die Komplexität ignoriert. Wir müssen lernen, statt im Entweder-Oder besser im Sowohl-Als-auch zu denken und zu arbeiten: Fortschritt und Tradition, Freiheit und Verantwortung, Individualität und Gemeinschaft sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich.

Und statt soziale Sicherheit gegen die innere und äußere Sicherheit auszuspielen, sollten sie als ineinandergreifende Bestandteile einer stabilen Gesellschaft verstanden werden. Auch die aktuellen technologischen, ökonomischen und strukturellen Veränderungen lassen sich nur mit einer Bereitschaft gestalten, Ambivalenzen auszuhalten und konstruktiv mit Widersprüchen umzugehen.

Es liegt an uns allen, diese Prinzipien in den Mittelpunkt zu rücken und eine Kultur des respektvollen Dialogs zu fördern. Nur so können wir gemeinsam Zuversicht entwickeln und die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Franken-Magazin

Das Franken-Magazin ist eine unabhängige Zeitschrift – ein Regionalmagazin, das alle 2 Monate erscheint und die mehrseitige Reportage zum Mittelpunkt seines Inhalts erklärt. Das Franken-Magazin zeigt Land und Leute liebevoll von ihrer interessantesten Seite.

Franken-Magazin - Ausgabe 03-04 2023

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