Vom Erhalten und Bewahren!
Breitenlohe kennt man nicht unbedingt. Das Steigerwalddorf mit nicht einmal 200 Einwohnern nicht und das Schloß mit seinen vier Ecktürmen auch nicht. Es ist eines der vielen fränkischen Kleinode, unspektakulär geführt, irgendwie verwunschen, authentisch, „ehrlich“ und etwas lidschäftig, Zeitzeuge seit dem 14. Jahrhundert.
Text: Antje Roscoe | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Es ist ein Wohnhaus“, sagt Gisela Friedrich zur Orientierung. Damit ist die Privatheit erklärt, die Tatsache, daß es wenig bekannt ist. Gleichzeitig ist Schloß Breitenlohe ein Denkmal, ein in Stein überlieferter Repräsentant der Geschichte. Diese reicht zurück bis zur spätmittelalterlichen Wallburg, einem Hohenloheschen Besitz. Nach den Zerstörungen des Bauernkrieges war Breitenlohe – damals Besitz der Edlen von Vestenberg – als Wasserschloß neu erstanden, dreiflügelig zunächst. Aus dieser Zeit und derer von Münster zu Lisberg datieren die Ritz-Zeichungen in einem Turmverließ. Mit den dort verewigten Jahreszahlen 1585 und 1599 gehören die Zeichnungen zu den ältesten erhaltenen Zeugnissen dieser Art in Deutschland.
„An Fenstern arm, an Gittern reich“ heißt es in einem Gedicht der Charlotte Henriette Gräfin zu Castell von 1783. Es steht für die rigide Herrschaft und Rechtsprechung der Vestenberger und von Münster über ihre Leute. Leibeigene. Die Fenster dagegen scheinen aufwendig und so arm nicht. Es sind spätgotische Vorhangbogenfenster, die dem Schloß verspielte Lieblichkeit, etwas Märchenhaftes verleihen, genau wie die später angefügten Renaissancegiebel. Beide zeugen vom Zeitensprung der Burg in ein Schloß, vom Mittelalter in die ab 1500 beginnende Neuzeit. 150 Fenster an der Zahl. Gisela Friedrich kennt vom Putzen jedes einzelne so genau, wie sie sicher keiner der Schloßbesitzer vor ihr gekannt hat. Sie machen Breitenlohe lichtdurchflutet, das gepflegte Fachwerk der Innenräume und langen Flure freundlich leuchtend, geben den Blick in den Innenhof frei, der sicher nie zuvor so ruhig, so hübsch aufgeräumt und mit Blumen geschmückt verzückt hat: zwei Treppentürme, Rundbogentüren in die Pferdeställe, der alte Küchentrakt. Die Quaderbemalung der Fassade, die hier in geschützten Stellen gut erhalten. An den abgeblätterten Putzschichten läßt sich lesen, rückwärts in die Geschichte der fränkischen Ritter- und Adelsgeschlechter. Neu verputzen? Wie sähe Breitenlohe frisch verputzt aus? Es wäre nicht das angetretene Erbe, das Liebhaberobjekt der Friedrichs. Ihnen ging es immer um das Erhalten und Bewahren des Überlieferten, das nur behutsame Erneuern, wo nötig. Dafür hat der Bezirk Mittelfranken sie 2004 für ihre denkmalpflegerische Leistung ausgezeichnet. „Es ist gut, daß wir das Geld nicht hatten, sonst wäre Breitenlohe nicht mehr das“, findet Gisela Friedrich rückblickend.
Putzeimer und Schubkarren
„Seit mehr als 60 Jahren machen wir das hier jetzt“, sagen die Eigentümer. Immer gab es zu tun. Und nur wenige Male wie bei den Dachsanierungen hatten sie Fachfirmen beauftragt. Aber auch da ist Bodo Friedrich mit hinaufgestiegen, hat mitgearbeitet. Der Tiefbauingenieur, der eigentlich nur die Wochenenden präsent war, hat von den Stuckrosetten bis zu den Hofbalustraden so gut wie alles selbst renoviert. Die Bürokauffrau Gisela Friedrich hatte Jahrzehnte die erste Schicht stets in der BIG-Spielwarenfabrik und nach Feierabend im Schloß gearbeitet. Auch für das Leben als Schloßherrin galt: „Irgendwo mußte ich etwas Geld verdienen.“ Schloß Breitenlohe war wohl immer eher Baustelle, zusätzliche Arbeitsstelle, eine Lebensaufgabe: ein Drahtseilakt zwischen Glückseligkeit und Alptraum. „Ich habe meine Putzeimer geschoben und mein Mann die Schubkarren“. Die beiden über 80jährigen haben ihr ganzes Leben in das Schloß investiert. Die Arbeit im Rosengarten und dem Park mit seiner Baumsammlung zählten zu den Vergnügungen. So auch die Streifzüge, um günstig passendes Inventar zu finden. Georg Jaeckel, Gisela Friedrichs Vater, hatte das Landschlößchen 1942 besenrein vom Hause Castell-Castell gekauft. Der Ingenieur für Wasserwerke hatte sein Berliner Büro wegen der Kriegszerstörungen ins Schloß verlagert, war nach Franken zurückgekehrt, wo die Familie ursprünglich herkam. Für die Familie hatte er kurz vor dem Krieg bereits den ebenfalls zu Burghaslach gehörenden Gutshof Buchbach erstanden.
Der Charme des Schloßes
Aktuell ist die Bogenbrücke mit den Balustraden über den ehemaligen Wassergraben noch Baustelle. Maria Immaculata und der Hl. Johannes Nepomuk sind eingehaust, abgestellt neben dem heute funktionslosen Tor der Zufahrt. Als hätte man die Schutzhäuschen der Wachen eben mal zur Seite geschoben. Die Zeiten aber, in denen Personal im Schloß beschäftigt war, sind lange vorbei. Nüchterne Tatsache, auch wo alles beschwerlich wird: „Personal können wir uns nicht leisten.“
Es ist eine Sanierungsmaßnahme, die vom Landesamt für Denkmalschutz geleitet und begleitet wird“, sagt Hausherr Friedrich. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligt sich. Friedrich ist voll des Lobes für den Statiker und die Restauratoren aus Weimar, glücklich vor allem, diesmal die alten Steine, teils Reste der alten Wehrmauer, nicht mehr selbst abbauen und wieder zusammensetzen zu müssen. Versickerndes Wasser hatte die sandgebundene Konstruktion ausgewaschen und zusammensinken lassen. Eine LED-Beleuchtung im Kopfsteinpflaster signalisiert, daß das 21. Jahrhundert zumindest bis vor das hölzerne Schloßtor gekommen ist. Gisela Friedrich ist zuversichtlich, daß sie sich an die Lichter schon noch gewöhnen wird; mehr will sie dazu nicht sagen.
Es ist, als wenn die Enkel bereits vor der Tür stünden, um weiter zu machen in der Schloßgeschichte. Die langjährige Wohngemeinschaft, die 1973 mit dem Einzug des ersten Mieters erwuchs, eines Doktoranden, der Ruhe suchte, ist immer auch eine persönlich stimmige Gemeinschaft aus fester Vermietung, Zweitwohnsitz und Feriendomizil gewesen, für Leute, die keinen Steigerwald haben. Sie ist aus Altersgründen in Auflösung begriffen. Nicht nur die sogenannte Fürstenwohnung mit dem barokken und sogar bunten Stuck aus der von-Münster-Zeit steht leer. Es fällt damit auch ein Teil Finanzierung aus.
Beinahe schon hätten Friedrichs Breitenlohe verkauft. Jetzt keimt Hoffnung auf eine Lösung in der Familie, daß die vier Wohnungen, die im Schloß derzeit schon eingerichtet sind, auch weiter so existieren werden. Damit wäre es zu erhalten. Zumindest ist das die Vorstellung von Gisela Friedrich, die den Komfort hintenanstellt. Viel geändert werden dürfte nicht: „damit das Haus nicht leidet“. Es ist ihr Lebenswerk, diesem Schloß seinen Charme zurückgegeben zu haben, es nicht überbaut und einer modernen Nutzung angeglichen zu haben. Die Struktur des Hauses zerstört, in Wohneinheiten aufgeteilt, hatten sie es vorgefunden, nachdem es von 1945 an von mehr als 100 Flüchtlingen und Vertriebenen bevölkert gewesen war.
Auf festem Stein
Auch wenn Anfang Oktober die Balustraden erneuert sein werden, Bodo Friedrich weiß schon, wo es weitergeht. Es gibt Fenster zu erneuern. Der alte Kachelofen in einem der von ihnen bewohnten Zimmer ist defekt. Für das Archiv, in das sich der Ruheständler gerne vertieft hätte, wird wohl immer noch keine Zeit bleiben. Er würde reichlich Belege finden, daß es auch die Schloßherren vor ihm schon schwer gehabt hatten, das Haus zu halten, zu erneuern, zu reparieren. Auch finden sich unter anderem Rundbriefe wie von „Ihro Röm. Kayserl. Majestät“ … an die „freye Ritterschaft Landes zu Franken Orts am Steigerwald“ … von 1768 … worin die diesjährige Steuererleichterung zurückgenommen und Extrasteuern „zum Orts-Caßier-Amt nacher Markt Sugenheim eingeliefert werden sollen“ für die Straßen-Reparatur, da die „Orts-Cassa“ schon ziemlich erschöpfet worden. Und auch wenn es ganz und gar nicht realistisch erscheint, der Tiefbauingenieur Friedrich liebt noch immer die Vorstellung, den Schloßgraben noch einmal zu fluten. Es wäre, als ob man das ehemalige Wasserschloß wieder in die Reihe der einstmals im Verbund liegenden Teiche setzte. Das Schloß selbst steht auf natürlich gewachsenem Stein. Nur einen einzigen Kellerraum gibt es, mit unterirdischem, heute vermauertem Gang in ein Nachbargebäude. Er mag Fluchtweg gewesen sein, spekuliert Friedrich, vielleicht aber auch einfach Zugang für Bedienstete. Jedenfalls war es ehemals eine Verbindung in eine Gastwirtschaft mit Brauerei. Was für eine Verlockung!