Ausgabe Juli / August 2021 | Natur & Umwelt

Trocknet Unterfranken aus?

Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sieht für ihr Haus „einen klaren Auftrag zum landesweiten Ausbau von Bewässerungslösungen.“ Für die Landwirtschaft soll eine umfassende ­Klima­anpassungsstrategie entwickelt werden.

Text: Ursula Lux | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Daß Unterfranken unter ex­tremer Trockenheit leidet ist längst kein Geheimnis mehr. Fachleute vergleichen die Gegend um Würzburg, Kitzingen und Schweinfurt gar schon mit Israel und Jordanien. Verschärft wird die Lage durch den Klimawandel, der lang anhaltende Trockenzeiten und zunehmende Starkregenereignissen verursacht. Ausgetrocknete Felder, braune Wiesen und Wasserknappheit auf der einen, Bodenerosion und Überschwemmungen auf der anderen Seite machen vor allem den Landwirten zu schaffen.

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber

Wir sprachen darüber mit Staatsministerin Michaela Kaniber, vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten (StMELF).

Unterfranken ist mit einem mittleren Jahresniederschlag von ca. 770 mm die trockenste Region Bayerns. Dies bedeutet nicht nur eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung, sondern ist besonders in der Landwirtschaft schon jetzt deutlich spürbar. Verwirrend sind oft die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Neben dem Landwirtschaftsministerium ist hier auch das Umweltministerium beteiligt. Wie läuft die Zusammenarbeit der beiden Ministerien?

Kaniber: Wir haben dasselbe Ziel: eine gute und sichere Versorgung mit Wasser in Franken. Das Umweltministerium ist für die Wasserbewirtschaftung zuständig und mein Haus für den Anbau. Das bedeutet, verkürzt gesagt, daß das Umweltministerium in der Pflicht ist, Wasser für die Bewässerung in den Betrieben bereitzustellen. Neben dieser überbetrieblichen Funktion des Umweltministeriums ist das Landwirtschaftsministerium für die Bewässerung im Einzelbetrieb zuständig. Entsprechend sind auch die Förderprogramme der beiden Häuser konzipiert. Sowohl Wasserwirtschaftsamt (WWA) als auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) sind eingebunden, wenn beim Landratsamt die Erlaubnis zur Wasser­entnahme beantragt wird. Die Wasserwirtschaftsämter beurteilen, wieviel Wasser der Einzelbetrieb entnehmen darf und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wieviel Wasser der Betrieb zur Bewässerung seiner Kulturen benötigt.

In der Bergtheimer Mulde (Lkr. Würzburg) verbrauchen die Landwirte aktuell für ihren Gemüseanbau 550 000 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr auf etwa 970 Hektar. Der Bedarf wird angesichts zunehmender Hitzetage steigen. Aber schon heute sagt das WWA Aschaffenburg, daß es nicht möglich sei, die doppelte oder dreifache Menge an Grundwasser zu entnehmen. Bedeutet das für die Bauern das Aus?

Kaniber: Der Gemüseanbau in der Bergtheimer Mulde hat wegen der hervorragenden Böden schon eine lange Tradition. Und die Betriebe sind ganz auf der Höhe der Zeit. Von den 1250 ha Sonderkulturen sind bereits 45 % ­Ökoflächen. Damit liegt die Bergtheimer Mulde schon heute über unserem für 2030 angestrebten Ziel von 30 % Öko-Anbau. Die Region ist deutschlandweit eine Schwerpunktregion des Ökologischen Gemüseanbaues. Diese Zahlen zeigen, daß der Anbau von Sonderkulturen in der Bergtheimer Mulde von bayernweiter Bedeutung ist. Und wir setzen uns natürlich dafür ein, die Betriebe zu erhalten. Das ist eine Herausforderung, denn in Punkto Bewässerung ist die Situation in der Bergtheimer Mulde sehr schwierig. Hier liegt eindeutig ein bayernweiter Brennpunkt. Denn in dieser Region gibt es einen großen Bewässerungsbedarf, die Neubildung von Grundwasser ist aber wegen der wenigen Niederschläge gering.

Um den Anbau von Sonderkulturen – und damit auch die Betriebe – zu erhalten, gehen wir zwei Wege: Zum einen berät die zuständige Abteilung Gartenbau am AELF Kitzingen die Betriebe, wie sie das Wasser für die Bewässerung möglichst effektiv einsetzen können, beispielsweise durch die wassersparende Tropfbewässerung. Gleichzeitig bringen wir die Digitalisierung der Bewässerung voran. Intelligente Bewässerungssteuerungen sollen Verluste durch Verdunstung oder Versickerung minimieren. Hier schafft die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in ihrer Forschungsarbeit die fachlichen Grundlagen.

Zum zweiten haben sich die Betriebe im Herbst 2020 zu einem Bewässerungsverein zusammengeschlossen. Ziel dieses Vereins ist es, ein Bewässerungskonzept für die Region zu erstellen. Unter der Leitung des Landratsamtes wurden bereits intensive Gespräche mit den Bürgermeistern und den Anbauern im Bewässerungsverein geführt. Auch hier beraten das zuständige AELF und das WWA. Dieser Austausch ist mir sehr wichtig. Alle Beteiligten wissen, daß das gemeinsame Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann. Wir unternehmen alles, um den Bauern in der Bergtheimer Mulde trotz Klimawandels eine Zukunft zu geben.

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber

Frage: Es werden in Unterfranken nun gleich drei  Pilotprojekte zu „nachhaltiger Bewässerung“ gefördert (Iphofen, Nordheim, Lkr. Kitzingen und Oberschwarzach, Lkr. Schweinfurt). Die Projekte haben ein Gesamtvolumen von knapp 80 Millionen Euro, die Hälfte der Investitionskosten (maximal zehn Millionen Euro je Maßnahme) zahlt der Freistaat Bayern als Starthilfe. Aber selbst bei einer 50 prozentigen Förderung können sich das nur Winzer leisten. Welche Förderungen werden in anderen Anbaugebieten in Aussicht gestellt?

Kaniber: Nicht nur Winzer, sondern auch Hopfen- und Obstbauern bekommen eine Förderung. Aber natürlich sprechen Sie hier eine wichtige Frage an: Welche Erzeuger können sich den Eigenanteil leisten? Hier sehe ich das Umweltministerium in der Pflicht, über die Wasserwirtschaftsverwaltung dafür zu sorgen, daß die Gesamtkosten reduziert werden. Die von Ingenieurbüros erstellten Konzepte beinhalten oft aufwendige technische Lösungen, die vor dem Bau nochmal auf Einsparpotentiale abgeklopft werden müssen. Mein Haus wird auf jeden Fall die Belange der Betriebe im Blick haben.

Ich bin froh, daß wir auch gemeinsam mit dem Umweltministerium das sogenannte „Bewässerungsforum Bayern“ finanzieren. Darin arbeiten Experten aus Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsverwaltung mit externen Fachleuten zusammen. Der Wissenspool, der dort generiert wird, steht allen, die sich für Fragen rund um die Bewässerung interessieren, offen. Neben der un­bestritten zukunftsweisenden Finanzierung braucht es aber auch immer Lösungen für Betriebe, die keinen Zugang zu den Projektgebieten haben. Alle Pilotprojekte nutzen Oberflächengewässer oder Uferfiltrat. Das ist aber nicht überall möglich. Das bedeutet, daß das Umweltministerium auch rechtliche Rahmenbedingungen schaffen muß, um betroffenen Betrieben den Zugang zu Bewässerungswasser zu ermöglichen. In meinem Haus steigen wir heuer in die Förderung von Sensoren und Software zur Bewässerungssteuerung ein. Aktuell gibt es über das BaySL (Bayerisches Sonderprogramm Landwirtschaft) Zuschüsse für den Bau von Becken und Pumpen und über das Weinbauprogramm für Tropfbewässerung in Weingärten.

Denn wir können nicht damit zufrieden sein, daß wir in Bayern einen geringen Selbstversorgungsgrad von 35 % bei Gemüse und von knapp 10 % beim Obst haben. Das ist für uns ein Auftrag zum landesweiten Ausbau von überbetrieblichen Bewässerungslösungen. Sonst müssen wir noch mehr Obst und Gemüse aus anderen Regionen importieren, die viel stärker unter Trockenheit leiden. Wer Klimapolitik ernst nimmt, sollte auch lange Transportwege vermeiden. Obst-, Wein- und Hopfengärten prägen das wunderbare Landschaftsbild Bayerns. Wir müssen diese wertvolle Kulturlandschaft bewahren!

Umweltminister Thorsten Glauber fordert bei der Bewässerung „kluge Projekte“. Einem solchen klugen Projekt wird aber gleichzeitig der Garaus gemacht. In Schwebheim (Lkr. Schweinfurt) wurde 1990 als bayernweites Pilotprojekt eine ökologische Flurbereinigung auf den Weg gebracht. Unter anderem beinhaltete die ein Bewässerungskonzept für die Sonderkultur Kräuteranbau, das seit 40 Jahren bewährt ist. Dies soll nun aufgrund einer europäischen Wasserrichtlinie auslaufen. Muß man aufgrund europäischer Richtlinien bewährte und kostengünstige Konzepte kippen?

Kaniber: Die vor 40 Jahren umgesetzte ökologische Flurbereinigung in Schwebheim war damals ein Vorzeigeprojekt, auf das meine Verwaltung immer sehr stolz war. Dort wurden schon viele Aspekte der Biodiversität aufgegriffen und umgesetzt, die wir jetzt für ganz Bayern diskutieren. Im Rahmen dieser Flurbereinigung wurde ein Bewässerungssystem angelegt, bei dem der angestaute Unkenbach einen Großteil der Wasserversorgung sicherstellte.

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU hat jetzt eine neue rechtliche Vorgabe geschaffen, die beachtet werden muß. Hier liegt die Zuständigkeit bei meinem Kollegen Thorsten Glauber im Umweltministerium.  Für den Kräuteranbau, der in der Region Schwebeheim schon eine lange Tradition hat, muß die Möglichkeit von Bewässerung selbstverständlich auch in der Zukunft gewährleistet sein. Daher wurden vom Landwirtschaftsministerium und den zuständigen Behörden bereits viele Gespräche mit den betroffenen Landwirten geführt. Als Ergebnis stellte sich heraus, daß die derzeitige Form der Bewässerung am kostengünstigsten ist. Allerdings muß noch von der Umweltverwaltung geprüft werden, ob die bisherige Bewässerung unter den neuen rechtlichen Vorgaben weitergeführt werden kann.

Im Projekt Niedrigwassermanagement (Regierung von Unterfranken) wird unter anderem vorgeschlagen mit Klarwasser aus den Kläranlagen die Felder zu beregnen. Halten Sie dies vor allem für den Kräuter- und Gemüseanbau für eine gute Idee? Welcher Verbraucher wird Gemüse kaufen, das mit Wasser aus der Kläranlage beregnet wurde?

Kaniber: Um es vorneweg klar zu sagen: Wenn Nutzwasser zur Bewässerung im städtischen oder landwirtschaftlichen Bereich verwendet wird, müssen natürlich Qualitätskriterien eingehalten werden, die eine mikrobiologische und chemische Kontamination für Pflanze und Mitarbeiter ausschließen. An der Technischen Universität München läuft bereits ein entsprechendes Forschungsprojekt zu unterschiedlichen Aufbereitungstechnologien, die die gestellten Anforderungen erfüllen. In Israel wird schon längst Nutzwasser zur Bewässerung verwendet, das ist dort gängige Praxis.

Welche Konzepte gibt es im Landwirtschaftsministerium, um die von Trockenheit betroffenen Bauern vor allem in Unterfranken zu unterstützen? Werden in Zukunft die Wasserwirtschaftsämter enger mit der Flurbereinigung zusammenarbeiten, die ja immer näher an der Praxis der Landwirte ist?

Kaniber: Wir müssen unsere Landwirtschaft in die Lage versetzen, auch sicher zu produzieren, wenn es weniger Niederschläge gibt. Wir waren in der Vergangenheit nicht untätig. Mit unserem bayerischen Versuchswesen, fünf Versuchszentren an den Ämtern in
Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), haben wir in der „Trockenregion Nordbayern“ zahlreiche pflanzenbauliche Versuche zu Fragen von Düngung, Pflanzenschutz und Pflanzenbau durchgeführt.

Heute wissen wir, daß wir auch den Anbau verändern müssen, hin zu klimagünstigeren Sorten. Chia und Amaranth dürften dann keine Exoten mehr sein. Es gehört zu den Kernanliegen unserer Politik, die notwendige Anpassung an den Klimawandel zu verstärken. Daher werden wir eine umfassende Klimaanpassungsstrategie für die Landwirtschaft entwickeln. Ein zentraler Baustein wird der Forschungs- und Demonstrationsstandort „Landwirtschaft in Trockenlagen“ auf dem Versuchs- und Bildungszentrum im unterfränkischen Schwarzenau sein. Dort werden wir gezielte und praktikable Lösungsansätze entwickeln. Schwarzenau wird damit zum Zentrum des Wissenstransfers zum Thema Landwirtschaft in Trockenlagen werden.

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