Nix ist wie die Nixe
Eine Stadt, ein Schiff, eine Liebe
Text: Antje Roscoe | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Hochzeit“ am Kai im Ochsenfurter Seglerhafen, dem Winterlager der Nixe: dem Fahrgastschiff wird ein neuer Motor eingesetzt. Das kleine Spektakel, das im Fachjargon die Vermählung von Fahrwerk, Motor und Getriebe benennt, ist teuer wie im echten Leben: 55 000 Euro. Der Förderverein Nixe, der das Schiffchen am Laufen hält, hat mit ihm allerdings auch einen außergewöhnlichen Liebling der Main-Schifffahrt am Start.
„Den Mee a weng nauf und a weng nunner“ – so heißt das Angebot des kleinen Fahrgast-Schiffchens, das gleichzeitig die nonchalante Art beschreibt, Ochsenfurt und das Maindreieck vom Wasser aus zu erleben. Entwickelt hat es sich aus dem „rüber“ und „nüber“, aus dem Fährverkehr, für den die Nixe 2007 nach Ochsenfurt geholt worden war. Damals galt es, die baufällige Alte Mainbrücke für Fußgänger und Radfahrer zu ersetzen. Der Geschäftsmann Gerhard Lauer hatte die Idee, eine Fähre einzusetzen. Nicht, daß das einfach so ohne Diskussionen, Probleme und Widerstände zu organisieren gewesen wäre … Die Idee aber war offenbar verwegen genug, nicht auf dem Main zu zerfließen.
Ansteckend wurde die Begeisterung spätestens mit dem Tagebuch, das die einwöchige Überführungsfahrt der Nixe von Rotterdam nach Ochsenfurt in der Tageszeitung Main-Post beschrieb, was sich wenig später auch in einem Büchlein „Vier Mann in einem Boot“ nachlesen ließ. Der damalige Smutje gilt seitdem als Paradebeispiel. Gerhard Wingenfeld war der Nixe bei dieser Fahrt zu Berge mit durchschnittlich 9 Stundenkilometern so sehr verfallen, daß er vom Skeptiker zur nimmermüden Nixe-Organisationszentrale geworden war – für Jahre. Was so eine Fahrt auf der Nixe nicht alles bewirken kann!
Schon über eine halbe Million Fahrgäste
Die Stadt Ochsenfurt hatte auf Lauers konsequente Zuarbeit hin bei einem Schiffsmakler die 1959 erbaute „Rhein-Nixe“ für 43 000 Euro erworben. Sie war rund ein Jahr zuvor als Personenfähre zwischen Remagen und Erpel außer Dienst gestellt worden. Die nächsten Wochen wurde geschuftet: Rost runter, Elektrik raus. Freiwillige vor. Der Verkehrsverein, heute Stadtmarketing-Verein, steht da schon organisatorisch hinter der Aktion „Altstadtfähre Nixe“ und das eher Unglaubliche gelingt: das 18-Meter-Fahrgastschiff für bis zu 99 Gäste wird Kult. Es wird berichtet, daß Schüler extra große Umwege gelaufen sind, um die paar Minuten kostenlose Überfahrt mit der Nixe in den Schulweg einbauen zu können.
Eine halbe Million Fahrgäste, 50 Matrosen und zehn Schiffsführer – zumeist Berufsschiffer – sind bis dato in die Statistik eingegangen. Nicht gezählt sind die Arbeitsstunden, die investiert wurden, denn es ist nicht das erste Mal, daß der Motor ausgewechselt, die Farbe erneuert, der Innenraum aufgehübscht wird … War alles Werkeln ursprünglich darauf ausgelegt, daß das Schiff nach der Wiederherstellung der Alten Mainbrücke mit unbekanntem Ziel abstoßen soll, galt es zwischenzeitlich doch den Investitionsstau für ein längeres gemeinsames Leben abzubauen. Monatelanges politisches Ringen im Stadtrat hatte das Wasserwesen 2012 für sich entschieden. Sie wird letztlich nicht nach Bamberg verkauft, wo sie bei der Landesgartenschau ein Highlight abgeben sollte. Die „Nixe“ – die wohl schon aufgrund ihres Namens so bezaubert, daß man nicht mehr von ihr lassen will, hatte binnen kurzem so viele Gönner und Sponsoren gewonnen, daß der neu gegründete Förderverein Nixe e.V. Eigner wird.
Neues Wahrzeichen
Und die Nixe fährt weiter auf Erfolgskurs: kurze Längsfahrten, längere Gesellschaftsausflüge und auch weiterhin Fährfahrten. Zwischen Zellingen und Retzbach hilft sie 2014 als Fähre aus, als die Mainbrücke dort gesperrt ist. In Ochsenfurt gehört das Schiff im Sommerhalbjahr inzwischen so sehr zum Stadtbild, daß es gar als neues Wahrzeichen gehandelt wird. Konsequent ist das in jedem Fall, denn auch die Ochsenfurter Ochsen im Wappen und im Wahrzeichen „Lanzentürmchen“, dem Uhrenspiel des Rathauses, waren einst dem Main entstiegen.
Der strahlende Frühjahrsmorgen, an dem der Motor jetzt mit dem Bagger in den Motorraum gehievt wird, hat großen Symbolcharakter. Es ist nicht nur das Schiff, das hier zukunftssicher gemacht wird. Für Peter Juks, Vorsitzender des Fördervereins, ist es der fast wichtigere Ausdruck des Zusammenhalts im Hintergrund: Er kann im Verein weiter auf das bewährte Team und hohes Engagement bei gestiegenen Anforderungen bauen. Für Juks, der sich 2011 zum Fürsprecher der Nixe gemacht hatte und inzwischen Bürgermeister ist, sei es die Voraussetzung für die große Investition gewesen: Die Vorstandskollegen, die Techniker und die Matrosen, sie alle bleiben an Bord. Kassier Baumann verdeutlicht die Anforderungen beispielhaft: „Als ich vor fünf Jahren anfing, gab es von Mai bis November zu tun. Jetzt ist es durch die vielen Projekte ein Ganzjahresjob.“ 105 000 Euro sind seitdem verbaut worden. Nicht nur am Schiff, sondern auch am Anleger. In der Personalabteilung bei stellvertretendem Vorsitzenden Albert Ringhand ist es ähnlich: Kein potentieller Kapitän darf ihm entgehen, denn die sind immer gesucht – wegen der vielen Buchungen, die bedient werden wollen. Ohne dieses Engagement im Förderverein, auch für die Zukunft, hätte die Investition keinen Sinn gemacht, sagt Juks. Die Liebe hatte bei der Vertrauensfrage obsiegt.
Der turbogeladene Dieselmotor erfüllt die Abgasnormen
Das Erlöschen der Betriebserlaubnis hätte ansonsten das Aus nach dieser Saison markiert, denn es war der nicht mehr zulässige Motortyp der Nixe, der die Gretchenfrage gefordert hatte. Der Entscheidung für einen neuen 75 kW-Motor folgte sogleich die zu einem neuen Getriebe, weil das Original von 1959 einen massiven Schwachpunkt abgeben hätte. Daß der neue, turbogeladene Dieselmotor künftig die Abgasnormen einhält, ist eine Sache. Positiver Nebeneffekt: Gleichzeitig neu verbaute Schalldämmplatten sollen den Geräuschpegel auf unter 70 Dezibel senken. Ralf Hamm und Richard Berg, die derzeit aktivsten Techniker im Verein werden zusammen mit der Spezialfirma Taucher-Schmitt-Schiffsreparaturen noch ein paar Tage länger Hochzeit feiern, tüfteln und schrauben, bis alles angeschlossen und funktionsfähig ist.
Traditionell warten die ersten Fahrgäste am 1. Mai am Kai, werden verköstigt und zu kostenlosen Törns eingeladen. „Vom Zuspruch her, wie positiv sie in der Gesellschaft verankert ist, mache ich mir keine Gedanken“, sagt der Vereinskapitän Juks. Immerhin liegen auch touristisch weiter große Hoffnungen und Aufgaben bei der Nixe. Der Bürgermeister Juks sieht das so: „Sie ist der Außenwirkung von Ochsenfurt sehr förderlich. Es gibt wenig, was so bekannt ist wie die Nixe. Deutschlandweit.“ Als Marke in Majuskeln soll sie sich etablieren, die NIXE.
100 Längsfahrten im Jahr waren zuletzt Standard. Fast könnte man ein zweites Schiff gebrauchen, denn es wird schwierig mit den weiteren Vorhaben. Im Gespräch sind Linienfahrten nach Marktbreit und Kitzingen, denn dem Tourismus am Maindreieck steht das Element „Wasser“ natürlich gut an.
Eine Anlegestelle in Frickenhausen wäre wohl gut
Und seit das zuvor in Marktbreit liegende Fahrgastschiff Neptun nach Budapest zog, tut sich eine Lücke auf in der Personenschiffahrt. Es ist allerdings auch ein zweischneidiges Schwert: Ochsenfurt – Kitzingen und zurück kommt einer Tagesfahrt gleich. Ist die Nixe auf dieser großen Fahrt, fehlt sie in Ochsenfurt. Auch die Schleusen können da leicht zum Problem werden, wenn man lange warten muß – und letztlich müsse Juks es auch wirtschaftlich betrachten. Aber er würde es gerne testen, meint er. Eine Anlegestelle drei Flußkilometer stromaufwärts in Frickenhausen am Main wäre dagegen ganz sicher richtig gut – und ohne Schleuse zu erreichen. „Das wäre für beide Orte mehr als ein Gewinn“, begeistert sich Juks. Eine Brise Fahrtwind, ein Bummel, eine Gästeführung, ein Schoppen, ein Eis … ein perfekter Tag!
Mit der Nixe „den Mee a weng nauf und a weng nunner“ soll es wie gewohnt wieder ab Mai geben, vorbehaltlich der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie. Und mit dem neuen Motor kann es dann auch wieder traditionelle Hochzeiten auf der Nixe geben – in Weiß, nicht im Blaumann.