Nicht husten, … keine Messer auf den Tisch!
Wir starten eine neue Serie! Wir werden außergewöhnliche Vereine und Clubs in Franken vorstellen. Mit dem Würzburger Bridge Club machen wir den Anfang. Ein Verein mit dem Image einer Geheimgesellschaft und zugleich dem Flair eines Damenkränzchens.
Text: Belinda Schwab | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Na ja, verboten ist das Husten eigentlich nicht, aber Sie sollten es tunlichst vermeiden. Sie sollten auch nicht mit den Augen rollen, sich an den Ohren zupfen oder an der Nase kratzen. Derartiges ist hier nicht gerne gesehen. Es könnte sich nämlich um geheime Botschaften an Ihren Spielpartner handeln. Hier im Bridge Club Würzburg e. V. herrscht konzentrierte Stille, hier wird gedacht und gezählt. Aber ohne Worte! Hier findet heute das Drei-Königs-Turnier statt und hier wird natürlich Bridge gespielt. Das Kartenspiel für vier Personen mit französischem Blatt (52 Karten) und ohne Joker kennen wir wohl alle, die meisten von uns aber vermutlich nur aus Romanen, insbesondere aus den Kriminalromanen. Nach dem Dinner finden sich die Herrschaften gerne zu einer Partie Bridge zusammen, bei einem Glas Sherry oder Port. Miss Marple spielt es, Hercule Poirot spielt es und auch Georgette Heyer läßt beim Bridge morden. Und sogar James Bond bekämpft den Bösewicht im Roman Moonraker am Bridgetisch.
Und auch wenn das Kartenspiel noch heute ein englisches Flair umweht und mit Tee und Damenkränzchen in Verbindung gebracht wird, nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Bridge wird auf der ganzen Welt gespielt. Im Weltverband, der World Bridge Federation, sind 103 nationale Verbände organisiert mit insgesamt ca. 700 000 Mitgliedern. Außerhalb Europas wird es vor allem in China und den USA gespielt, in Europa ist es in Frankreich, Polen und den Niederlanden sehr populär.
Nicht urenglisch,
eher russisch!
Oder doch irgendwie englisch?
Der Name des Kartenspiels hat auch nichts mit dem englischen Wort Bridge für Brücke zu tun. Das Spiel soll sich im 19. Jahrhundert entwickelt haben, vermutlich in Russland oder der Türkei. Der Begriff Bridge leitet sich von dem russischen Wort BIRITCH ab, der russische Ausdruck für Whist, einem Vorläufer des Bridgespiels das 1529 erstmals erwähnt wurde und ursprünglich in England ein Kartenspiel der niederen Klassen war. Das änderte sich allerdings als Lord Folkstone es 1728 in einem englischen Kaffeehaus spielte und einige befreundete Gentlemen dafür begeistern konnte. Auch andere Kartenspiele mit ganz bezaubernden und vermutlich nie gehörten Namen wie Boston, Vint, Jerolach, Ruff and Honors und Slamm gelten als verwandt, aber die meisten sind wohl heute in Vergessenheit geraten. Mit dem britischen Empire verbreitetet sich Whist auf der ganzen Welt. Und wurde dann Ende des 19. Jahrhunderts vom Bridge verdrängt. Harold S. Vanderbilt, der amerikanische Multimillionär überarbeitete 1925 die Regeln und noch heute wird Bridge so gespielt; seither ist es als Kontrakt Bridge bekannt.
Aber keine Sorge, wenn Sie hier im Würzburger Bridge Club spielen möchten, müssen sie kein Millionär sein! Der Jahresbeitrag beträgt 130 Euro. Es wird in den Clubräumen gespielt, in der Danziger Straße im Ortsteil Sanderau. Hier trifft man an den Spieleabenden den Rentner genauso wie den Studenten. Die Geschäftsfrau genauso wie die Hausfrau. Einiges eint sie wohl alle, eine Affinität zu Zahlen, logisches Denkvermögen, etwas Ehrgeiz und viel Leidenschaft. Aber das reicht nicht. Auch eine gewisse emotionale Intelligenz ist nötig. Man spielt als Paar, hier braucht es Dialogbereitschaft, und zu nachtragend darf man wohl auch nicht sein. Ehepartner sollten nicht unbedingt auch eine Paarmannschaft bilden, lacht Clubmitglied Brigitte Schmid. Das typische Nachkarten hat schon manche Bridgepartner entzweit und kann belasten.
Bridgespieler unter den Geschworenen
Ja, es sind Regeln einzuhalten, und man muß auch verlieren können. Myrtle Bennett konnte es nicht. Für ihren Mann John Bennett endete die Bridgepartie 1929 in Kansas City tödlich. Als das Ehepaar verlor, beschimpfte Frau Bennett ihren Mann und der schlug zu. Daraufhin zog Myrtle Bennett einen Colt und erschoß ihn. Unvorstellbarerweise wurde sie vor Gericht freigesprochen, man munkelt, es waren einige Bridgespieler unter den Geschworenen. Sie verstarb 1992 im gesegneten Alter von 97 Jahren. Ihr nicht unbeträchtliches Vermögen hinterließ sie den Verwandten ihres Mannes. Ein feiner Zug. Sie hat übrigens nie wieder geheiratet und ihr ganzes Leben lang Bridge gespielt. Und eigentlich ist es doch erstaunlich, daß sie immer wieder einen neuen Bridgepartner fand! So aufregend soll es heute nicht werden. „Bitte keine Messer auf dem Tisch“, wünscht sich der 1. Vorsitzende Hendrik Perdijk lachend. „Wir spielen hier ganz gemütlich, wir wollen einen schönen Nachmittag, und wir gehen respektvoll miteinander um.“ Der Niederländer ist seit zwei Jahren Vorstand des Bridge Clubs. Der Ingenieur hat es schon als Kind gelernt, seine Eltern waren beide Bridgespieler und in den Niederlanden wird es auch an den Schulen gelehrt.
Bridge ist ein Denksport
Denn Bridge ist nicht nur ein Kartenspiel, sondern ein Denksport. Es ist nicht mit anderen Kartenspielen zu vergleichen. Kartenglück spielt hier keine Rolle. Vier Personen spielen an einem quadratischen Tisch, die gegenübersitzenden Personen bilden ein Paar: Nord – Süd und Ost – West. Sie spielen gegeneinander, mit Karten, die vorher gemischt werden und in den sogenannten „Boards“ weitergegeben werden, von Tisch zu Tisch, wenn die Spielrunde beendet ist. So entstehen vergleichbare Ergebnisse, denn alle müssen mit den gleichen Karten spielen. Stiche werden angesagt, man „reizt“ oder „bietet“, mit der „bidding box“, also wieder ohne Worte und diese Stiche sollten auch erfolgen. Das heutige Gewinnerpaar mit Oliver Hevermeier, einer der amtierenden deutschen Paarmeister, freut sich. Er hat im April 2022 Gold geholt bei dem Meisterschaftsturnier in Würzburg im CCW. Er ist Spielwart hier im Club und unterrichtet Bridge an der Volkshochschule.
Es soll auch eigentlich gar nicht so schwer zu erlernen sein, bietet aber die Möglichkeit lebenslang dazuzulernen und sich geistig fit zu halten. Bestätigen kann das Theo Reinhard. Er ist 1958 in den Club eingetreten, in diesem Jahr wurde auch die World Bridge Federation gegründet. Er war 15 Jahre alt und spielt noch heute, und ist das langjährigste aktive Mitglied im Club. Es ist ein interessanter Zeitvertreib in angenehmer Gesellschaft, und man kann es bis ins hohe Alter spielen, würdigt er das Spiel.
Wann genau der Würzburger Bridge Club gegründet wurde, liegt im Dunklen der Geschichte. Schriftliche Aufzeichnungen sind keine bekannt. Tatsache ist, er hat schon 1933 existiert und wurde 1938 verboten. Seine Glanzzeiten mit den meisten Mitgliedern hatte der Club in den 70er Jahren. Damals war Dr. Buschatzki erster Vorsitzender, ein bekannter Strafverteidiger in Würzburg, und man spielte in den Räumen der örtlichen Freimaurerloge.
Die Bridge-Show des Omar Sharif
In den 70er Jahren war Bridge in der ganzen Welt im Aufwind. Das verdankte der Sport u. a. Omar Sharif, einem ägyptischen Schauspieler, bekannt aus den Filmen Dr. Schiwago (fünf Oscars) und Lawrence von Arabien (sieben Oscars). Der charismatische Bridge-Enthusiast engagierte sich mit beträchtlichen Mitteln und persönlichem Einsatz für die Verbreitung von Bridge. Er war in Europa, Kanada und den USA unterwegs, mit einer Art Bridge-Show mit anderen bekannten Bridgespielern. Sie spielten gegen örtliche Teams. Tausende Zuschauer verfolgten die Turniere live, sie wurden im Fernsehen übertragen und waren aufregende, spektakuläre Ereignisse.
Inzwischen ist es etwas ruhiger um das wunderbare Kartenspiel geworden. Lange Jahre war der Würzburger Verein am Pleidenturm in der Innenstadt zu Hause. Aber auch er blieb von den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht verschont. Im Lockdown konnte nicht gespielt werden. Die Räume wurden aufgegeben, und erst 2022 mietete man die neuen Räume in der Sanderau. Auf das Spielen mußte aber niemand verzichten. Man traf sich z. B. in der Bridge Base Online, einer Plattform, auf der sich rund 10 Millionen Besucher weltweit treffen. Dort konnten die Mitglieder gegeneinander bzw. miteinander spielen oder Turniere verfolgen. „Im Grunde kann man sagen, Bridge dient der Völkerverständigung, denn alle Spieler „sprechen“ Bridge und andere Fremdsprachenkenntnisse sind eigentlich nicht nötig“, schmunzelt Reinhold Gröger. Er spielt mit Unterbrechungen seit gut 40 Jahren Bridge im Club. Er verbringt gerne seinen Urlaub in der Normandie. Und spielt dann auch an einigen Abenden im örtlichen Bridgeclub Fécamp. Bridgespieler finden immer schnell Kontakt. Auch ein Turnier hat er schon mitgespielt und einen Pokal mit nach Hause gebracht.
Bridge for kids
Wie steht es um die Zukunft des Spiels? Na ja, es wäre schon schön, wenn man mehr junge Menschen für Bridge begeistern könnte, so Oliver Hevemeier. Vor Corona war der Spielwart zu Projekttagen in Gymnasien in Würzburg eingeladen. Jetzt ist leider alles im Sand verlaufen.
Eine offizielle Förderung gibt es nicht, Bridge gilt in Deutschland nicht als Sport und hat hier einen deutlich schwereren Stand als zum Beispiel Schach. Obwohl das olympische Komitee Bridge als Sport anerkannt hat. Der Deutsche Bridgeverband bietet einen Onlinekurs für Kinder an, „Bridge für Kids“, gerade während der Pandemie eine willkommene Beschäftigung. Denn für Kinder und nicht nur für Kinder ist Bridge wunderbar, es ist spannend, fördert das Denkvermögen und das Sozialverhalten, so Hendrik Perdijk. Wenn auch Sie Ihre grauen Zellen in Schwung bringen wollen und wissen möchten, was es mit Großschlemm und Kleinschlemm und der Hand des Duke of Cumberland auf sich hat, schauen Sie doch mal vorbei im Würzburger Bridge Club, oder in einen der anderen Clubs in Franken. Schönes Spiel!