Medien-Monopoly
Medienvielfalt? Auch in Franken ein Wort von gestern. Große Verlage haben sich durch Zukäufe ihren Einfluß auf dem Zeitungsmarkt gesichert. Der Leser erhält für sein Geld oft nur noch nachrichtlichen Einheitsbrei.
Text: Maria Goblirsch | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Es war einmal, so fangen viele Märchen an. Es war einmal eine katholisch orientierte Zeitung in Würzburg, die sehr alt war und den Namen Fränkisches Volksblatt trug. Am Abend, wenn die Redakteure ihre Berichte fertig und längst in die Setzerei geschickt hatten, plagte sie die Sorge: Was wird wohl die Main-Post am nächsten Tag als Aufmacher auf der Seite 1 und im Lokalen haben? Der Gedanke, die eigene Redaktion könnte eine Nachricht oder eine Recherche verschlafen haben, wog schwer. So schickte man einen der Volontäre los, eines der ersten Exemplare des Konkurrenzblattes zu kaufen. Und notfalls legte die Redaktion noch ein paar Überstunden drauf, um bei den Nachrichten die Nase vorne zu haben. Heute ist das Legende. Das Fränkische Volksblatt als eigenständiges Blatt existiert nicht mehr. Drei Jahre nach ihrem 100. Geburtstag wurde die Tagezeitung 1971 im Rahmen des „Würzburger Kooperationsmodells“ der Volksblatt Verlagsgesellschaft angegliedert – die befand sich mehrheitlich in Händen der Eigentümer der Konkurrenzzeitung „Main-Post“. Seit 2004 erscheint das Volksblatt als Tageszeitung der Mediengruppe Main-Post, zum großen Teil mit den gleichen Artikeln und Bildern.
Nur ein Beispiel von vielen. Der bayerische Zeitungsmarkt ist in den letzten Jahren in Bewegung geraten. Einige wenige große Spieler bestimmen heute, was in den Medien steht und geschieht. In Monopoly-Art werden ganze Regionen untereinander verteilt oder getauscht, um sich den Einfluss auf dem Zeitungsmarkt, in privatem Hörfunk und Fernsehen sowie den Online-Angeboten zu sichern. Die Beziehungen zwischen den großen Medienhäusern werden immer enger. Wo früher Wettbewerb herrschte, wird kooperiert, der „Mantel“ (die Seiten 1-4) gemeinsam produziert, vermeintliche Konkurrenzblätter werden auf einer Rotation gedruckt. Auch in Franken.
Verleger sind mit dem Einkaufswagen unterwegs
Der Trend zur Konzentration hat längst auch die fränkischen Medien erfasst. Mit dem Zukauf von Heimatzeitungen versuchen große Verlage, ihren Auflagenschwund und Defizite im Anzeigengeschäft auszugleichen. Für die Leser verschwindet mit der Verschmelzung die Vielfalt, für die Mitarbeiter der Arbeitsplatz. Betrachtet man sich einmal die Beteiligungsverhältnisse, so sind es in Bayern gerade noch elf Häuser, die auf dem Zeitungsmarkt in größerem Stil agieren. In Franken teilen sechs Spieler die Medienregion mit rund 30 Titeln unter sich auf (siehe Karte): die Main-Netz Media GmbH in Aschaffenburg (Main-Echo), die Augsburger Mediengruppe Pressedruck (u.a. Main-Post), die Mediengruppe Oberfranken GmbH & Co. KG (u.a. Fränkischer Tag), der Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG (Nürnberger Zeitung und Nürnberger Nachrichten), die Druck- und Verlagsanstalt Neue Presse GmbH, an der seit 1986 der Süddeutsche Verlag (SV) mit 70 Prozent die Mehrheit hält, sowie die Nordbayerischer Kurier GmbH & Co. Zeitungsverlag KG. Mit Ausnahme der Aschaffenburger Main-Netz Media GmbH sorgten alle Häuser in den letzten Jahren durch Kooperationen und Ein- oder Verkäufe für Schlagzeilen.
Der Ausverkauf begann im Dezember 2010: Nach dem Motto „raus aus dem Geschäft mit den Regionalzeitungen“ richtete Stefan von Holtzbrinck das Stuttgarter Verlagsunternehmen strategisch neu aus und verkaufte die Main-Post aus Würzburg und deren Ableger Schweinfurter Tagblatt, Bote vom Haßgau, Volksblatt und Volkszeitung an die Mediengruppe Pressedruck, den Verlag der Augsburger Allgemeinen (verkaufte Auflage 220.170). Dieser ist im Besitz der Familie Holland, die inzwischen auch die Südwestpresse zu 100 Prozent besitzt. Im April 2012 hat dann die Main-Post (und damit Holland) die Leitung beim Obermain-Tagblatt Lichtenfels übernommen, das sich seit 1857 als bodenständige Heimatzeitung im Familienbesitz befunden hatte.
Anneliese und Johannes Friedmann veräußerten ebenfalls 2010 die Nürnberger Ausgabe der Abendzeitung sowie das dazugehörende Anzeigenblatt Frankenreport an die media regional – und damit an den Telefonbuchverleger Günther Oschmann. Damit stieg dieser ins Zeitungsgeschäft ein – allerdings nur für kurze Zeit: Oschmann stellte das Traditionsblatt am 29.September 2012 ein, nachdem er damit Verluste in Millionenhöhe eingefahren hatte. Über die Müller Media GmbH & Co. KG hält Oschmann zudem Beteiligungen an lokalen Hörfunk- und TV-Sendern in unterschiedlicher Höhe (die genauen Beteiligungen lesen Sie auf der Website der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KEK, www.kek-online.de). Sie reichen flächendeckend vom main.tv im Raum Aschaffenburg über das Nürnberger Franken TV bis in den Raum Regensburg und Augsburg.
Kooperation mit dem ehemaligen Konkurrenten
Neben der Familie Holland ist die Mediengruppe Oberfranken GmbH & Co. KG (MGO) in Bamberg der zweite Player, der die Marktbereinigung in der fränkischen Medienlandschaft vorantreibt – und dafür auch mit dem ehemaligen Konkurrenten spielt. Bis zum Juli 2013 waren die Mediengruppe Oberfranken (Fränkischer Tag, Kitzinger Zeitung, Saale-Zeitung) und das Medienhaus Main-Post 2013 Konkurrenten im Wettbewerb um Leser und Auflage. Dann teilten beide mit, dass sie „zur Sicherung der publizistischen Eigenständigkeit“ künftig redaktionell zusammenarbeiten werden. In Kitzingen verloren zehn der bisher 13 Redakteure ihren Arbeitsplatz, die Kitzinger Zeitung wird seither in Würzburg gedruckt.
Im November 2013 meldete die Mediengruppe Oberfranken dann eine weitere überregionale Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Mitbewerber: Die fünf Zeitungen der MGO (u.a. Fränkischer Tag) und die Blätter des Würzburger Medienhauses Main-Post kooperieren beim Mantelteil ihrer Blätter, hieß es in einer Unternehmensmeldung. Da die Mainpost zur Augsburger Mediengruppe Pressedruck gehört, liefern die Schwaben den Mantelteil der Oberfranken gleich zu. Die Korrespondenten der Augsburger Allgemeine berichten seither für die Franken mit, die schwäbisch-fränkische Allianz spart Personalkosten. Meinungsvielfalt sieht anders aus.
Mäntelchen, wechsle Dich nicht
Die Fränkische Landeszeitung (FLZ) in Ansbach unterhält zwar noch eine eigene Redaktion und berichtet aus ihrem Verbreitungsgebiet über eigene Mitarbeiter. Aber auch die FLZ erhält das erste Buch, wie die Zeitungsleute die überregionalen Seiten nennen, von einem anderen mittelfränkischen Verlag, der Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG (Nürnberger Zeitung, Nürnberger Nachrichten).
Was die Mittelfranken tun, können die Oberfranken schon lange: Seit 1.Juli 2014 bezieht die Neue Presse Coburg das Lokale bei der Konkurrenz – sie ahnen es vielleicht schon – von der Mediengruppe Oberfranken in Bamberg und hat im Gegenzug die Redaktionen in Lichtenfels und Ebern (Landkreis Haßberge) geschlossen. In Coburg und Kronach wurde die Zahl der Redakteursstellen auf je acht verkleinert. Beim Schwesterblatt Frankenpost in Hof werden seit Juli alle Lokalausgaben am Redaktionsdesk hergestellt. Die Neue Presse Coburg wurde 1946 in Coburg gegründet. Sie erscheint heute in einer Auflage von rund 24.000 Exemplaren. Das Blatt gehört zur Zeitungsgruppe Hof/Coburg/Suhl, die in Nordbayern und Thüringen mehrere Regionalzeitungen herausgibt – freilich längst nicht mehr mit einem fränkischen Eigentümer. Seit 1986 hält der Süddeutsche Verlag (SV), der selbst zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) gehört, mit 70 Prozent die Mehrheit dieser Verlagsanstalt. Die übrigen 30 Prozent besitzt die SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG). Am Mantelteil der Neuen Presse wird sich übrigens nichts ändern. Diesen liefern bereits seit 2010 die Stuttgarter Nachrichten zu – und das für die gesamte Zeitungsgruppe. Wenig überraschend: Die überregionalen Beiträge sind in allen Blättern nahezu identisch.
Auch beim Nordbayerischen Kurier in Bayreuth brodeln die Gerüchte. Im Juli 2013 hieß es aus gut unterrichteten Kreisen, die Zeitung und andere Firmen, an denen der Nordbayerische Kurier beteiligt ist, sollen künftig unter dem Dach eines neuen Medienhauses zusammengefasst werden. Dazu sei die Umwandlung der Redaktion, der Anzeigenabteilung und des Vertriebs in eigenständige GmbHs geplant. Das Druckhaus Bayreuth schreibt seit längerem rote Zahlen, die neuen Gesellschaften sollen sich gegenseitig aus der wirtschaftlichen Misere helfen. Der Nordbayerische Kurier, der mit einer Auflage von rund 35 000 Exemplaren in Stadt und Landkreis Bayreuth erscheint, wurde im Januar 1968 gegründet. Damals fusionierten das Bayreuther Tagblatt und die Fränkische Presse zum Nordbayerischen Kurier. Die Nordbayerischer Kurier GmbH & Co. Zeitungsverlag KG gehört zu 62,5 Prozent der Druckhaus Bayreuth Verlagsgesellschaft mbH, an der die der SPD gehörende Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG) mit 47,5 Prozent beteiligt ist. Ein weiteres Modell könnte sein, dass der Nordbayerische Kurier in Bamberg gedruckt wird – beim bisherigen Konkurrenten, der Mediengruppe Oberfranken. Die bietet den Druck weit unter dem üblichen Preis an und könnte so ihre nicht ausgelasteten Druckmaschinen einsetzen. Oberfranken läse sich endlich aus einer Hand – das könnte der Beginn einer neuen Freundschaft werden…
Nachrichtlicher Einheitsbrei für den Leser
Nur einer kann mit dieser Entwicklung nicht zufrieden sein: Der Leser, Hörer oder Zuschauer. Statt Meinungsvielfalt und einer Berichterstattung aus unterschiedlichen politischen, kulturellen oder sozialen Sichtweisen findet er nur noch „einen nachrichtlichen Einheitsbrei vor, der sich in nichts mehr unterscheidet“, wie Michael Busch, Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes kritisiert. Ein Redakteur schreibe seine Nachrichten heute nicht mehr nur für „sein“ Blatt, sondern gleich für mehrere Abnehmer und gebe damit eine einzige Sichtweise für mehrere Zeitungen vor. „Damit geht die Pluralität in den Medien auf null zu“, stellt Busch fest. Dazu komme, dass die Zeitungen immer weniger eigene Mitarbeiter zu Terminen entsendeten oder mit aufwändigen Recherchen beauftragten. Stattdessen werde immer öfter das kostenlose Material von Pressestellen oder Agenturen kritiklos übernommen. Busch, der als Redakteur bei einer Zeitung in Franken arbeitet, sieht die Zukunft der Medien alles andere als rosig: „Die Verleger sparen sich und ihr Blatt zu Tode. Der Journalismus schafft sich gerade selbst ab“.