KI-Modelle identifizieren Biodiversität anhand von Tierstimmen im tropischen Regenwald
Tierlaute zeigen sehr gut an, wie es um die Biodiversität auf tropischen Wiederbewaldungsflächen bestellt ist. Das hat ein Team um den Würzburger Professor Jörg Müller mit Tonaufnahmen und KI-Modellen nachgewiesen.
Text: Stephanie Berchem
Tropische Wälder gehören zu den wichtigsten Lebensräumen unseres Planeten. Sie zeichnen sich durch eine extrem hohe Artenvielfalt aus und spielen für den globalen Kohlenstoffkreislauf und das Weltklima eine eminente Rolle. Doch viele Tropenwaldflächen sind abgeholzt und der Raubbau geht täglich weiter.
Wiederbewaldungsflächen in den Tropen werden darum immer wichtiger für das Klima und die Biodiversität. Wie gut sich die Artenvielfalt auf solchen Flächen entwickelt, kann man mit einer automatisierten Analyse von Tierlauten sehr gut verfolgen. Das berichtet eine internationale Forschungsgruppe im Journal Nature Communications.
Das Team hat im Norden Ecuadors auf aufgelassenen Weiden und früheren Kakaoplantagen gearbeitet, auf denen sich nach und nach wieder Wald ansiedelt. Dort wurde untersucht, ob sich mit autonomen Soundrecordern und Künstlicher Intelligenz (KI) automatisch erkennen läßt, wie die Artengemeinschaften von Vögeln, Amphibien und Säugetieren zusammengesetzt sind.
Aufnahmen auf früheren Kakaoplantagen und Weiden
„Die Forschungsergebnisse zeigen, daß die Sounddaten ganz exzellent die Rückkehr der Biodiversität in den aufgelassenen Landwirtschaftsflächen widerspiegeln“, freut sich Professor Jörg Müller. Der Leiter der im Steigerwald gelegenen Ökologischen Station Fabrikschleichach der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und sein Kollege Oliver Mitesser hatten bei der Studie die Federführung.
Es ist vor allem der Sound der Artengemeinschaften, der die Wiederbesiedlung sehr gut abbildet – denn diese Gemeinschaften sind im Wald ganz charakteristisch zusammengesetzt und unterscheiden sich deutlich von denen auf noch aktiven Agrarflächen. Ein Set von 70 KI-Vogelmodellen war in der Lage, die gesamten Artengemeinschaften von Vögeln, Amphibien und einigen rufenden Säugetieren zu beschreiben. Selbst die Veränderungen bei Nachtinsekten konnten damit sinnvoll korreliert werden.
KI-Modelle werden weiter verfeinert
Aktuell arbeitet das Team daran, die verwendeten KI-Modelle weiter zu verbessern und das Set an Modellen zu erweitern. Ziel ist es, damit noch mehr Arten automatisch erfassen zu können. Die Modelle sollen weiterhin auch in anderen Schutzgebieten in Ecuador, im Wald der Uni Würzburg in Sailershausen (Steigerwald) und im ältesten deutschen Nationalpark im Bayerischen Wald etabliert werden. Jörg Müller ist dort stellvertretender Leiter der Nationalparkverwaltung.
„Unsere KI-Modelle können die Basis für ein sehr universelles Instrument zur Überwachung der Biodiversität in Wiederbewaldungsflächen sein“, sagt Jörg Müller. Einsatzmöglichkeiten sieht der Würzburger Professor etwa im Rahmen von Zertifizierungen oder Biodiversitätskrediten. Biodiversitätskredite funktionieren ähnlich wie der Kohlendioxid-Emissionshandel. Sie werden von Projekten ausgestellt, die die biologische Vielfalt schützen oder verbessern. Erworben werden sie von Unternehmen oder Organisationen, die negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten kompensieren möchten.
Förderer und Beteiligte
Realisiert wurde die Studie im Rahmen der Forschungsgruppe „Reassembly“, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.
Beteiligt waren neben den JMU-Forschenden der Ornithologe Dr. Martin Schaefer, Geschäftsführer der Naturschutz-Stiftung Jocotoco, und Professor Nico Blüthgen von der Technischen Universität Darmstadt – er ist der Sprecher der DFG-Forschungsgruppe und JMU-Alumnus. Außerdem haben die Soundexpertin Professorin Zuzana Burivalova von der Universität Madison (USA) sowie das Unternehmen Rainforest Connection mitgewirkt, das sich auf KI-Modelle zur Erkennung von Tropenvögeln spezialisiert hat.
Publikation
Soundscapes and deep learning enable tracking biodiversity recovery in tropical forests. Nature Communications,
17. Oktober 2023, DOI: 10.1038/s41467-023-41693-w
Kontakt
Prof. Dr. Jörg Müller, Universität Würzburg, joerg.mueller@uni-wuerzburg.de