Kellerbier… im wahrsten Sinne
„Im Keller gebraut, im Keller gelagert, auf dem Keller getrunken: Mehr Keller geht nicht!“
Text: Eva Kettler | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Das wird das authentischste Kellerbier überhaupt.“ Wenn Vincenz Schiller über sein Herzensprojekt spricht, gerät er ins Schwärmen. Der Betreiber des Entla’s Kellers auf dem Bergkirchweihgelände in Erlangen erfüllt sich gerade einen Traum. Er hat eine Brauerei in die Felsengänge des Erlanger Bergs hin-einbauen lassen. Jetzt kann der gelernte Brauer sein eigenes Bier direkt vor Ort brauen und muß nicht mehr wie bisher seine Spezialitäten auswärts brauen lassen. „Im Keller gebraut, im Keller gelagert, auf dem Keller getrunken: Mehr Keller geht nicht“, freut sich Schiller.
Bier am Erlanger Berg und überhaupt in Erlangen – das hat Tradition. Die Bergkirchweih, die über Pfingsten zwölf Tage lang Anziehungspunkt für bis zu 1,2 Millionen Besucher nicht nur aus Erlangen ist, ist das größte Fest in der Hugenottenstadt – aufgrund der Corona-Pandemie fiel die Kirchweih in den Jahren 2020 und 2021 allerdings aus – und wird als so etwas wie eine fünfte Jahreszeit angesehen. Seit über 250 Jahren gibt es die Bergkirchweih. Spätestens seit 1675, so berichtet es das Erlanger Stadtlexikon, gruben die – zeitweise bis zu 18 – Erlanger Brauereien im Sandstein des Burgbergs zahlreiche Bierkeller, seit 1718 wurden über deren Eingängen Kellerhäuschen errichtet, die dem Ausschank dienen. In den Felsenkellern wurde das Bier bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein zur Reifung gebracht und konnte auch in der wärmeren Jahreszeit kühl gelagert werden. Acht Grad hat es in den Felsengängen das ganze Jahr über. Um die für die Reifung und Lagerung notwendigen ein bis drei Grad zu erreichen, wurde damals um die Fässer herum Eis gelagert. Als Kühlmaschinen zur Verfügung standen, verloren die Keller ihren Zweck. Zeitweise wurden hier dann sogar Champignons gezüchtet.
Kilometerlange Tunnel im Bier-Berg
Doch zurück zum Bier. Im Keller gelagert, auf dem Keller getrunken: So war das früher. Gebraut jedoch wurde in den Kellern noch nie. Das hat Vincenz Schiller nun geändert. Vor zehn Jahren, als er nach seiner Brauer-Ausbildung wieder nach Hause zurückkam, habe er begonnen, mit dem Projekt einer eigenen Brauerei zu liebäugeln, erzählt er. Zunächst war ein Standort am Fuß des Bergkirchweihgeländes in den Überlegungen, doch dann sei das Ganze nach oben gewandert.
Hinauf zum Entla’s Keller, der ebenso wie ein zweiter Keller (Henninger) im Familienbesitz ist und als einziger der heute 15 Erlanger Keller den ganzen Sommer über eine Biergarten-Bewirtschaftung hat.
Die Stollen im Berg gehören dazu. Von den insgesamt sieben Kilometern heute noch begehbarer Tunnel besitze seine Familie circa sechs, sagt Vincenz Schiller. Ein Teil davon wurde nun zur Brauerei. Das war mit großem Aufwand und Arbeitseinsatz verbunden. Aus dunklen, düsteren Stollen wurden Gänge, die hell beleuchtet werden können, der Boden wurde befestigt – mit Beton und teilweise zusätzlich mit Steinfliesen – und ist nun eine saubere Sache. Alle nötigen Bau- und Geräteteile, Kabel und Rohre mußten in das Gängelabyrinth hineintransportiert, verbaut und verlegt werden, die größte Herausforderung waren die über eine halbe Tonne schwere Sudpfanne und der Läuterbottich. Die Brauanlage wurde vom Bamberger Hersteller Kaspar Schulz angefertigt, für 15 Hektoliter ist das Sudhaus angelegt. „Wir wollen nur für die Saison brauen, ab Februar für die Sommermonate“, sagt Vincenz Schiller. Bei der Bergkirchweih aber will der Kellerwirt nicht das eigene, sondern weiterhin Kulmbacher Bier ausschenken. Die Produktion ist drinnen im Berg, ein Brauhaus außen im Biergarten war mit dem Bebauungsplan der Stadt nicht vereinbar. Für den Gärprozeß und die Lagerung wurde an einem Kellerausgang ein Glaskubus errichtet, so daß Biergartenbesucher von außen hineinschauen und einen Eindruck vom Brauvorgang bekommen können. Die Nutzung der Stollen wurde von dem zuständigen, in Bayreuth ansässigen Bergbauamt begrüßt. Es befand, daß dies dazu beitrage, die Keller zu erhalten, berichtet Vincenz Schiller.
Wechselndes Monatsbier
So geht es also hinein in den Berg, zur Schroterei mit Mühle. Danach fällt das Malz durch einen Glaszylinder und wird mit Wasser im Maischebottich vermengt, wird nach etwa einer Stunde hinübergepumpt in den Läuterbottich, wo die Feststoffe von der Flüssigkeit getrennt werden. Danach wird die Flüssigkeit in die Maischewürzepfanne zurückgepumpt, eine Stunde lang gekocht, hier kommt nun auch der Hopfen dazu.
Bis zu acht Stunden dauert ein Sudtag. Wir folgen nun den Rohren, über eine Treppe geht es weiter hinunter in den Berg, dort wird die Würze in den Whirlpool hineingeschossen, wo sich der Hopfen durch Rotation in der Mitte des Whirlpools absetzt. Nach dem Abkühlen wird die Hefe hinzugegeben. Ein bißchen Schau darf hier – wir sind nun im Glaskubus – auch sein: Ein offener Gärbottich läßt Einblicke zu. Nach der einwöchigen Gärung wird das Bier je nach Typ vier bis acht Wochen lang in Tanks gelagert und darf reifen.
„Mir schweben zwei Stammsorten und ein wechselndes Monatsbier vor“, sagt Vincenz Schiller. Von April bis Ende September will er den Biergarten damit versorgen. So viel zu produzieren, daß er sein Bier auch in Flaschen abgefüllt verkaufen kann, ist zunächst jedenfalls erst einmal nicht sein Plan. „Mit Flaschen will ich gar nichts zu tun haben“, erklärt er, fügt aber einschränkend selbst hinzu: „Sag niemals nie.“
Dieser Spruch kommt wenig später gleich zur Geltung, genauer: Als der erste Sud der neuen Brauerei fertig ist. Es handelt sich, jahreszeitengemäß, um ein Bockbier. Mitte Dezember hätte der Anstich sein sollen, das erste Bier aus dem Berg, „ich kann mir vorstellen, daß der Bockbieranstich ein jährliches Event wird“, sagte Vincenz Schiller noch Anfang November. Doch die Corona-Pandemie machte ihm einen Strich durch die Rechnung, aufgrund der aktuellen Lage verschob er die Feierlichkeiten auf März 2022. Der für die Eröffnung gebraute Bergbock wurde – sag niemals nie – nun doch in Flaschen abgefüllt. Das Bier wurde noch im Dezember gegen eine Spende an die Frau und den Mann gebracht. Der Erlös geht an die Kinderklinik des Erlanger Universitätsklinikums.