Ausgabe Juli / August 2023 | Politik & Gesellschaft

Hier schlägt Oberfrankens Herz

Er ist wohl einer der engagiertesten Botschafter Oberfrankens. Und das nicht nur, wenn’s um Kunst, Kultur und überhaupt um die schönen Seiten des Bezirks geht. Bezirkstagspräsident Henry Schramm setzt sich insbesondere für diejenigen Menschen ein, die am Rande der Gesellschaft gerne übersehen werden.

Text: Sabine Raithel | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Oberfrankens Bezirkstagspräsident Henry Schramm im InterviewEigentlich muß man ihn persönlich erlebt haben, um zu verstehen, wie Henry Schramm so tickt. Wir begleiten den oberfränkischen Bezirkstagspräsidenten zu einer der vielen Veranstaltungen in seinem vollen Terminkalender. Und zwar zur Auftaktveranstaltung zu „Work.Land.Life“ in Nordhalben, im Landkreis Kronach. Die Initiative des Regionalmarketingvereins Oberfranken Offensiv will Städter für das Leben und Arbeiten auf dem Land begeistern. Seit November 2021 ist Schramm mit Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz einer der zwei Vorsitzenden des Vereins Oberfranken Offensiv.

In einem Pilotprojekt sollen zunächst zehn Teilnehmer aus Städten wie Berlin oder Stuttgart im Coworking- und Coliving-Space Nordhalben Village das Landleben ausprobieren. Oberfranken Offensiv will Oberfranken als Lebens- und Wirtschaftsraum nach vorne bringen. Und Henry Schramm, Oberfranke durch und durch, will das auch. Er ist ein leidenschaftlicher Botschafter seiner Heimat. Mit viel Verve, Witz und Emotion bricht er eine Lanze für die Region, schwärmt von der einmaligen Natur, der enormen Lebensqualität, der Innovationskraft der heimischen Wirtschaft und der Schubkraft der regionalen Hochschulen und Universitäten. Er spricht von den großen Chancen, die die Region bietet für Familien, für Unternehmer, für Menschen mit Ideen. Schramm redet sich in Fahrt, spricht wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Benennt Schattenseiten, gibt aber auch seiner leidenschaftlichen Überzeugung für Oberfranken Ausdruck. Er spricht Klartext – ohne angezogene Handbremse, politisches Kalkül oder feinst seziertem Politikersprech. Mit einer eigentümlichen Mischung aus humoriger Wirtshausansage, honoriger Attitüde eines gereiften Politikers und glasklarer Treffsicherheit fängt er die Zuhörer ein. Am Ende ist jeder im Raum begeistert und zweifelsfrei überzeugt, daß es keinen besseren Ort als Oberfranken gibt. Nach der Rede wollen sich acht der zehn Teilnehmer in Nordhalben auf Dauer oder zeitweise niederlassen, Leerstand aufkaufen, ein Unternehmen gründen oder Betriebsteile in den Norden Bayerns verlagern. Schramm überzeugt, weil er selbst überzeugt ist. Und das ist es wohl, was die Menschen an ihm schätzen und was ihm genau das gibt, was man von politischen Akteuren erwartet: Glaubwürdigkeit und leidenschaftliches Engagement.

Eine veritable politische ­Karriere

Wenige Tage später treffen wir ihn in seinem Bezirkstagsbüro in Bayreuth wieder. Seit 2008 ist Schramm Mitglied des Gremiums. Am 8. November 2018 wurde er von diesem Kreis zum Präsidenten gewählt. Der heute 63jährige Diplom Verwaltungswirt bekleidet das angesehene Ehrenamt als fünfter Amtsinhaber seit 1954. Der gebürtige Hohenberger kann auf eine veritable politische Karriere zurückblicken. Seit über 40 Jahren ist Schramm Mitglied der CSU. Von 2003 bis 2007 war er Mitglied des Bayerischen Landtags. Nach seiner Wahl in den Landtag wurde er in die Ausschüsse für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit, für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie in den Ältestenrat berufen. Zudem war er Mitglied im Landessportbeirat und Medienrat. 2006 gewann Schramm die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Kulmbach. Das Amt bekleidete er bis 2020. Anstatt sich zur Ruhe zu setzen, engagiert sich Schramm nun weiter im Bezirk. Und das ist mehr als ein Vollzeitjob. Warum macht er das? „Ich will etwas für Menschen tun, für die sonst niemand etwas tut. Und ich will etwas bewegen.“

Oberfrankens Bezirkstagspräsident Henry Schramm im Interview„Der Bezirk Oberfranken ist für viele Menschen kein Begriff“, räumt er ein. „Dabei schlägt hier das soziale Herz Oberfrankens.“ Schramm zeigt sich in der kleinen Runde von einer anderen Seite. Er wirkt jetzt eher zurückgenommen. Nachdenklich. „Wir kümmern uns hier um die Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen: zum Beispiel Menschen mit psychischen Erkrankungen – auch und insbesondere um Kinder. Menschen, die sich selbst oder andere gefährden könnten, Menschen mit erheblichem bzw. mehrfachem Handicap und die, die einen intensiven Pflegebedarf haben.“

Jeden Monat unterstützt der Bezirk darüber hinaus im Rahmen der überörtlichen Sozialhilfe ca. 17 000 Menschen finanziell, damit diese irgendwie über die Runden kommen. Daneben ist der Bezirk für die psychiatrische und neurologische Versorgung sowie für die Betreuung suchtkranker Menschen zuständig. Organisatorisch liegt der Aufgabenbereich bei den Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, GeBO, einem nachgeordneten Kommunalunternehmen des Bezirks.

Da knausern wir nicht …

Henry Schramm will die Gesundheitsversorgung in seiner Region auf den neuesten Stand bringen. Menschengerecht solle sie sein. Baulich, aber auch von der Pflege her. Er will Plätze schaffen, die wirklich zur Gesundung beitragen. Rund eine halbe Milliarde Euro, 540 Millionen, umfaßt allein das von ihm initiierte und durch den Bezirkstag beschlossene Bauprogramm. Mit seinem Kommunalunternehmen verwaltet der Bezirk rund eine Dreiviertelmilliarde Euro.

Ein besonderes Herzensanliegen ist für den Bezirkstagspräsidenten der Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bayreuth. „Kinder sind doch das Schönste auf der Welt“, unterstreicht der dreifache Vater. „Es macht mich tief betroffen, daß immer mehr kleine Menschen mit dem Leben nicht mehr zurechtkommen und professionelle Hilfe benötigen. Insbesondere als Spätfolge der Corona-Pandemie haben wir mit steigenden Fallzahlen zu tun.“ Schramm hält einen Moment inne. Er plane einen Bau, der auch architektonisch, mit Lichthöfen und viel Freiraum, Helligkeit in das Leben der jungen Patienten bringen soll. „Wir müssen eine Umgebung schaffen, in der sich die Kinder wohlfühlen können. Da knausern wir ganz bestimmt nicht um jeden Euro“, unterstreicht er. „Das ist mir einfach zu wichtig.“

In das umfassende Maßnahmenpaket fällt auch der Neubau eines Klinikums in Kutzenberg (Landkreis Lichtenfels) mit einem Investitionsvolumen von rund 150 Millionen Euro. 32 Millionen Euro fließen in den Bau eines Heims in Kutzenberg mit 90 Plätzen, in dem eine Abteilung für Menschen mit besonders intensivem Pflegebedarf eingerichtet werden soll. „Hier wollen wir es ihnen ermöglichen, ihren Lebensabend in Würde zu verbringen“, erläutert Schramm. Weitere 85 Millionen Euro sind für den Ausbau der Forensik in Bayreuth vorgesehen. In die Neuplanung eines großen Küchentraktes für die Versorgung des Bezirkskrankenhauses, aber auch als zusätzliches Angebot für die Beschäftigten, investiert der Bezirk rund 14 Millionen Euro. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Liebevolle Pflege und ­innovative Therapiekonzepte

Oberfrankens Bezirkstagspräsident Henry Schramm im InterviewEs sind Vorhaben, die nicht nur den obersten Projektmanager Henry Schramm fordern, sondern auch den politischen „Strippenzieher“. Und da kommt ihm seine Vergangenheit als langjähriger Landtagsabgeordneter und Kommunalpolitiker zugute. „Da gibt es gewachsene Verbindungen auf Landes- und Bundesebene, die natürlich helfen, Projekte erfolgreich anzustoßen und die nötigen Mittel dafür zu rekrutieren.“ Mehr dazu mag er aber nicht verraten. Schramm, zu dessen großen Stärken die Fähigkeit zur positiven Kommunikation gehört, kann auch schweigen. Und „Namedropping“ ist eh nicht sein Ding.

Die menschliche Seite sei aber ebenso wichtig wie die bauliche Infrastruktur, so seine Überzeugung. Die stationäre Aufnahme von Patienten sei durch frühzeitige und niederschwellige Betreuungsangebote präventiv zu verhindern. Deshalb sollen Menschen, die Hilfe benötigen, die Möglichkeit bekommen, rund um die Uhr Experten per Telefon zu erreichen. „Wir haben hier immensen Bedarf“, so der Bezirkstagspräsident. Liebevolle Pflege und innovative Therapiekonzepte seien kennzeichnend für die Einrichtungen des Bezirks. Dafür brauche es aber sehr gut ausgebildetes Personal. „Unsere Mitarbeiter gehen oft weit über ihre Belastungsgrenze. Und ich bin unendlich dankbar für deren hingebungsvollen Einsatz.“ Schramm weiter: „Wir versuchen deshalb, auch für unsere ca. 3 000 Mitarbeitenden ein wenig mehr zu tun.“ Auf dieses Konto sollen der Neubau der Küche in Bayreuth und vor allem der von Wohnungen für Pflegepersonal in Kutzenberg und Bayreuth einzahlen. Der Mangel an geeigneten Fachkräften mache jedoch auch vor den eigenen Einrichtungen nicht Halt. Der dringend benötigte Nachwuchs wird deshalb teilweise selbst ausgebildet. Gut 100 junge Menschen stehen beim Bezirk in einem Ausbildungsverhältnis oder absolvieren ein Duales Studium. Eine Beteiligung am Medizincampus Oberfranken soll weitere Personalressourcen erschließen.

Im Mittelpunkt stets: Die Menschen und ihr Wohlergehen

Neben dem Schwerpunktbereich Gesundheit unterstützt der Bezirk Oberfranken noch weitere Projekte, die zu einem erfüllten sozialen Leben dazugehören. Zum Beispiel Kunst und Kultur. Der Bezirk fördert hier u. a. die Bamberger Symphoniker und die Bayreuther Festspiele, das Landestheater Coburg und die Luisenburg in Wunsiedel, die Naturbühne in Trebgast und die Rosenberg Festspiele in Kronach, ein Projekt des Chorzentrums Kloster Weißenohe im Raum Forchheim sowie die Internationale Musikbegegnungsstätte Haus Marteau in Lichtenberg, die der Bezirk selbst betreibt. Daneben engagiert sich der Bezirk in den unterschiedlichen Zweckverbänden wie dem Deutschen Dampflok-Museum in Neuenmarkt oder der Berufsfachschule für Musik in Kronach. Und dann gibt es da noch die Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Bayreuth mit der Landmaschinenschule und dem Bezirkslehrgut als Teil des „Grünen Zentrums Bayreuth“, die Lehranstalt für Fischerei in Aufseß oder das Sprachförderzentrum Markgrafenschule mit Tagesstätte sowie die Klinikschule Oberfranken für schulpflichtige Kinder, die krankheitsbedingt nicht am Unterricht ihrer Stammschule teilnehmen können, den Bereich Kultur- und Heimatpflege, die Beratungsstelle für Museen oder die Trachtenberatung. Auch diese Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen. Die Aufgaben und das Engagement sind überaus vielfältig, drehen sich aber immer um eines: um den Menschen und sein Wohlergehen.

Oberfrankens Bezirkstagspräsident Henry Schramm im InterviewDaß Henry Schramm auch für die nächste Amtszeit zum Bezirkstagspräsidenten gewählt wird, steht sicherlich außer Frage. Und die Liste seiner Projekte und Aufgaben wird in Zeiten wie diesen, in denen zunehmend mehr Menschen auf ein funktionierendes soziales Netz vertrauen müssen, nicht kürzer. „Manchmal wünschte ich mir, daß das eine oder andere Bauvorhaben schneller in die Umsetzung gehen könnte“, sagt er. Ja, da werde er manchmal ungeduldig. Ansonsten sei seine Grundstimmung immer geprägt von großer Dankbarkeit und einer positiven Einstellung. Was einmal von ihm bleiben soll? „Ich würde mir wünschen, daß die Leute sagen: Ja, der hat seinen Job gut gemacht.“

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