Handeln nicht reden!
Die Initiative „Wasser am Limit“ kämpft im staubtrockenen Unterfranken für die Quantität und Qualität unseres Wassers.
Text: Ursula Lux | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Es war das Interview mit der Bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in der Sommerausgabe des Franken-Magazins, das die Mitglieder von „Wasser am Limit“ auf den Plan rief. Wie meist, wenn sie mit Behörden zu tun hätten, würde die „Situation schöngeredet“ und „der Schwarze Peter von einem Ministerium zum anderen geschoben“, ärgert sich Norbert Herrmann, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses.
Die Situation, um die sich die Initiative „Wasser am Limit“ sorgt, ist die extreme Trockenheit und der damit verbundene Wassermangel Unterfrankens. Der Ärger, der die inzwischen rund 40 Aktivisten verbindet, ist der, daß staatliche Stellen zwar gerne schön reden, aber kaum konkret handeln. 2019 wurde das Aktionsbündnis ins Leben gerufen, Anlass damals war die Verschmutzung heimischer Gewässer durch ungepflegte und unterdimensionierte Regenrückhaltebecken. Schon im Jahr darauf schloß sich die Initiative als Agenda 21 Arbeitskreis der Umweltstation der Stadt Würzburg an. Inzwischen hat sie viele Unterstützer, so beispielsweise den Bund Naturschutz (BUND), die Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern (IKT) sowie zahlreiche Bürgerinitiativen und Interessenszusammenschlüsse, die sich ebenfalls um die Quantität und Qualität des unterfränkischen Wassers sorgen und für Verbesserungen kämpfen.
Am Beispiel der Bergtheimer Mulde, wo in einem der trockensten Gebiete Bayerns Gemüse angebaut wird, zeigen die beiden Sprecher der Initiative, Norbert Hermann und Andrea Angenvoort-Baier, sowie der unterfränkische Regionalreferent des BUND, Steffen Jodl, worum es konkret geht. 600 000 Kubikmeter wertvolles Grundwasser dürfen die Landwirte dort pro Jahr verbrauchen, um ihre Gemüsefelder zu bewässern. Zum Vergleich, die Gemeinde Bergtheim mit rund 3 800 Einwohnern verbraucht nur 90 000 Kubikmeter Grundwasser jährlich. Noch dramatischer wird dieser Wasserverbrauch, wenn man weiß, dass der Grundwasserspiegel in dieser Region in den letzten Jahren um ca. sechs Meter gesunken ist und sich kaum mehr neues Grundwasser bildet. Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt weist die jährliche Grundwasserneubildung in Bayern seit 2011 ein Defizit von rund 19 Prozent gegenüber dem Referenzzeitraum 1971 bis 2000. Kurz, es wird folglich immer mehr verbraucht, als nachkommt.
„Nur“ 600 000 Liter Grundwasser fürs Gemüse?
Die agrarindustriell arbeitenden Gemüsebauern bedienten sich also kostenlos am Grundwasser und gefährdeten damit, so Angenvoort-Baier, auch die Trinkwasserversorgung der umliegenden Gemeinden. Außerdem haben die Aktivisten wohl berechtigte Zweifel daran, ob die Wasserverbrauchszahlen stimmen. Werden wirklich „nur“ 600 000 Liter entnommen? Diese Zweifel sind allerdings schwer zu beweisen, denn die Wasserentnahme unterliegt der Eigenkontrolle. Das heißt, die Landwirte dokumentieren ihren Wasserverbrauch selbst und das zuständige Wasserwirtschaftsamt (WWA) überprüft nur diese Dokumentation, nicht aber die entnommene Wassermenge vor Ort. Die Konsequenz dieser Mißwirtschaft ist es, daß Quellen versiegen, Teiche austrocknen und sich die Gemeinde Bergtheim der Fernwasserversorgung Franken anschließen wird. Deshalb fordert „Wasser am Limit“ das Personal der WWAs aufzustocken, um flächendeckende Kontrollen der Wasserentnahmen direkt vor Ort überhaupt erst zu ermöglichen.
Und damit noch nicht genug, langfristig möchten die Gemüsebauern in der Bergtheimer Mulde mindestens 1,5 bis zwei Millionen Kubikmeter Wasser für ihre Felder. Dieses soll dann im Winter über kilometerlange Leitungen vom Main in Stauseen gepumpt werden. „Wenn das jeder machen will, dann bleibt vom Main nicht mehr viel übrig“, erklären die Aktivisten. Aber ob dies jeder machen will, könnten die Behörden gar nicht wissen, denn es gebe keine Zusammenschau aller geplanten Projekte. „Jedes Projekt wird einzeln betrachtet“, erklärt Herrmann. Deshalb fordern die Aktivisten: „Es sollte daher ein Gesamtkonzept entwickelt und nicht nur über Einzelprojekte entschieden werden. Der Main und auch die Donau, aus der sich der Main speist, müssen gesamtheitlich betrachtet werden.“ Und warum eigentlich Mainwasser, wenn die wenigstens Bauern ihr Oberflächenwasser nutzen? Dachflächen hätten sie ja genug, meinen die Aktivisten, aber die Zisternen, zum Auffangen des Niederschlagwassers müßten sie halt selbst bauen und finanzieren, während sie in Bayern Grund- und Mainwasser umsonst bekämen.
Donauwasser für fränkische Felder?
Ein weiterer Stein des Anstoßes: Das Mainwasser für die Gemüsebauern soll aus dem Uferfiltrat des Flusses entnommen werden, erklärt Jodl, das aber habe Trinkwasserqualität und stamme meist aus Wasserschutzgebieten. So fordert „Wasser am Limit“: „Die Ziele der Trinkwasserschutzverordnung und des Wasserhaushaltsgesetzes müssen konsequent umgesetzt werden.“ Letzteres fordert nämlich, daß mögliche Verlagerungen nachteiliger Auswirkungen von einem Schutzgut auf das andere sowie die Erfordernisse des Klimaschutzes zu berücksichtigen sind. Das eine, in diesem Fall das Uferfiltrat, darf also nicht gegen das andere, den Gemüseanbau, ausgespielt werden. Der bayerische Umweltminister Thor-sten Glauber favorisiert eine weitere Lösung. Er will Wasser aus der Donau über den Rhein-Main-Donau-Kanal in den Main leiten, damit dieser überhaupt genug Wasser hat, das entnommen werden könnte. Das Problem dabei sei nur, daß es auch entlang der Donau bereits Gebiete gibt, die unter Trockenheit leiden, so die Mitglieder von „Wasser am Limit.“
Die Lösung liege auch nicht in einer immer größer werdenden Bewässerung, betont Jodl vom BUND. Der Weinbauverband habe es ja geschafft, daß vier Bewässerungsprojekte von der Staatsregierung mit insgesamt 40 Millionen Euro gefördert werden, die Hälfte davon seien Steuergelder. Aber wenn der Klimawandel nicht gestoppt würde, dann laufe dies alles ins Leere. Nicht die Natur müsse sich dem Menschen anpassen, sondern der Mensch müsse auf die Herausforderung des Klimawandels reagieren. Es gehe also nicht um ein Mehr an Bewässerung, sondern um Anpassungsstrategien. Und das heißt beispielsweise, wenn schon Bewässerung, dann Tröpfchen- statt Überkopfbewässerung. Die Landwirtschaft müsse nachhaltiger und wasserschonend werden, ergänzt Herrmann. Dazu gehört für ihn die Fruchtfolge, das heißt, wenn Pflanzen angebaut werden, die dem Boden Nährstoffe entziehen, dann müssen in Folge Pflanzen angebaut werden, die dem Boden diese Nährstoffe wieder zurückgeben. Das Erdreich ist eine weitere Herausforderung. Jodl berichtet, daß ihm ein Landwirt einmal erklärt habe, daß der Boden nur noch dazu da sei, die Pflanzen zu halten. Um nachhaltig Landwirtschaft zu betreiben, brauche es also auch wieder einen Humusaufbau des Bodens, womit seine Wasserspeicherfähigkeit verbessert werde. Bodennahe Hecken, Sträucher und Bäume beugen der Bodenerosion und dem Austrocknen der Böden ebenso vor. Auch müßten klimagünstigere Sorten Gemüse angebaut werden, hier geben die Aktivisten Staatsministerin Kaniber recht, gleichzeitig fordern sie, daß diese das von ihr angekündigte Kompetenzzentrum „Landwirtschaft in Trockenlagen“ auf dem Versuchs- und Bildungszentrum im unterfränkischen Schwarzenau schnellstens verwirklicht.
Maximaler Gewinn durch maximale Förderung!
Die großen Gemüsebauern der Region allerdings setzen auf andere Maßnahmen. Mit möglichst vielen Fördergeldern soll maximaler Gewinn erzielt werden, dazu ist die Gründung eines sogenannten Wasserverbandes im Gespräch. Vorbild dafür ist der Wasserverband im fränkischen Knoblauchsland. Angenvoort-Baier hat ihre Zweifel, ob ein solcher Wasser- und Bodenverband überhaupt gegründet werden darf, denn im entsprechenden Wasserverbandsgesetz stehe, dass dieser „dem öffentlichen Interesse dienen“ müsse. „Ist die Bewässerung von Gemüsefeldern, deren Ertrag in erster Linie an Discounter verkauft wird, im öffentlichen Interesse oder doch eher wirtschaftliches Interesse einiger weniger landwirtschaftlicher Großbetriebe“, fragt sie sich. Außerdem dürfe ein Wasserverband erst dann gegründet werden, wenn in Aussicht gestellte Verbandsaufgaben anderweitig nicht besser gelöst werden könnten. So ein Wasserverband könne frühesten in zehn Jahren an die Arbeit gehen, ergänzt Hermann. „Was passiert bis dahin?“ fragt er. Und er vermutet, daß den wenigsten Landwirten bewußt ist, „daß das Wasser beim Wasserverband nicht mehr umsonst ist. Für die jährlich geforderten 1,5 bis zwei Millionen Kubikmeter Wasser würden dann zwischen 500 000 und 700 000 Euro anfallen.
Über all dem steht als eigentliches Problem der Klimawandel, betont Jodl. Wir müssen unsere Lebensgrundlage erhalten“, mahnt er. Naturkatastrophen wie heuer die im Ahrtal würden sich häufen, prophezeit Jodl und sie würden nicht mehr zu meistern und zu bezahlen sein. Aber ernsthaft gegen den Klimawandel vorzugehen, dafür fehle noch immer der politische Wille, meinen die drei Aktivisten. Und auch in der Gesellschaft sei das Bewußtsein dafür noch nicht da. „Obwohl wir schon seit Jahrzehnten wissen, wohin uns unser Raubbau an der Natur führt“, betont Herrmann. Jodl macht es an einem Wasserbeispiel deutlich: „Da stellen sich die Leute Pools in den Garten mit zigtausend Litern Wasser und an den Armaturen im Badezimmer sind Wasserspartasten.“ Wie man den Ernst der Lage an den Mann oder die Frau bringt, da sind alle drei ratlos, was sie aber nicht daran hindert, weiterhin alles zu tun, um unser wertvollstes Gut, das Wasser, zu schützen und ihre Mitbürger für die Herausforderungen der Zukunft zu sensibilisieren.