Geht doch!
Gelebter Umwelt- und Klimaschutz in Schwebheim mit Vorbildcharakter für den Landkreis Schweinfurt und darüber hinaus.
Text: Ursula Lux | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Seit 2019 kämpft das Aktionsbündnis „Wasser am Limit“ für die Wasserqualität und -quantität und den Erhalt von Quellen im trockenen Unterfranken. Wir berichteten darüber bereits im Franken-Magazin vom November/Dezember des vergangenen Jahres. Während die Aktivisten weiter ihre Forderungen an Politik und Behörden richten und nicht aufgeben, unter anderem für eine ökologische Verbesserung unserer Gewässer und eine umweltverträgliche Bewirtschaftung der Felder zu kämpfen, wird immer klarer, daß der eigentliche Grund für all die Probleme die Klimakrise ist.
Ein „Weiter so“ darf es in Zukunft nicht mehr geben, das wird nicht erst seit dem Regierungswechsel langsam jedem klar. Trockenheit auf der einen und Starkregenereignisse auf der anderen Seite. Katastrophen wie die im Ahrtal, all dies wird unsere Zukunft bestimmen, wenn wir nicht handeln. Aber genau dieses Handeln fürchten viele, vom Autofahrer bis zum Landwirt scheint es da eine vereinende Angst vor Einschränkungen und einer realistischen Undurchführbarkeit zu geben. Dabei wird übersehen, daß es durchaus schon viele positive Beispiele einer umweltverträglichen Politik gibt.
Musealer Naturschutz reicht nicht
Eine kleine Gemeinde im Landkreis Schweinfurt geht diesen Weg seit Jahrzehnten und es lohnt sich durchaus, dies einmal genauer zu betrachten. Schwebheim ist Vorbild im gesamten Bereich der Ökologie. Motor all dieser Erfolge waren die beiden Altbürgermeister Fritz Roßteuscher und Hans Fischer und begonnen hat dies bereits in den 1960er Jahren. Bereits damals fiel den beiden auf, daß die Flur gegenüber der Zeit vor der ersten Flurbereinigung viel weniger Pflanzen und Tierarten hatte. Dadurch daß die typisch fränkischen kleinen Äcker in größere wirtschaftlich zu bearbeitende Flächen verwandelt wurden, sind die vielen Furchen, die die Äcker voneinander abtrennten, verlorengegangen. Und die waren ökologische Nischen.
Was „Wasser am Limit“ heute eindringlich fordert, nämlich diese Art der Flurbereinigung ökologisch zu kompensieren, haben die beiden Altbürgermeister damals schon umgesetzt. Der inzwischen verstorbene Roßteuscher brachte 1989 ein bayernweites Pilotprojekt, die ökologische Flurbereinigung auf Weg. Sein Amtsnachfolger Fischer setzte diesen Weg zielstrebig fort.
Natur- und Artenschutz sollten sich nicht nur auf extra ausgewiesene Naturschutzgebiete beschränken, denn das sahen beide als wichtigen, aber musealen Naturschutz an. Der richtige Arten- und Naturschutz sollte im alltäglichen Leben und vor allem in der landwirtschaftlichen Flur fest verankert werden. Dabei war beiden wichtig, die Menschen mitzunehmen. Das heißt, vor jeder Maßnahme mußten die betroffenen Bürger und Landwirte von deren Sinn überzeugt werden und diese dann freiwillig mittragen. „Wir hießen im Dorf anfangs die Zeugen Jehovas der Landwirtschaft“, erinnert sich Fischer, weil beide mit geradezu missionarischem Einsatz Überzeugungsarbeit leisteten.
Missionarischer Einsatz für eine lebenswerte Zukunft
Es hat sich gelohnt. Heute ist Schwebheim die wohl ökologischste Gemeinde im Landkreis und viele haben sich einfach vom Enthusiasmus der beiden Altbürgermeister anstecken lassen. „Auf 28 Prozent unserer Flur wird ökologisch angebaut“, erklärt Fischer. Bayernweit sei dies wesentlich weniger und „keiner mußte gezwungen werden“. In einem ersten Schritt der ökologischen Flurbereinigung kaufte die Gemeinde, mit der Direktion für ländliche Entwicklung, rund 35 Hektar Land, um an den Hecken, Wegrainen und zwischen den Feldern bis zu acht Meter breiten Saumstreifen anzulegen. Dort konnten sich Flora und Fauna entwickeln, Vögel brüten, und eine Vernetzung über die ganze Flur erreicht werden. Diese ökologischen Nischen, die damit geschaffen wurden, ersetzen heute, was früher die Furchen zwischen den kleinen Äckern boten. Im Laufe der Jahre legte Fischer für die Gemeinde auch ein richtiges Ökokonto an, in das flossen beispielsweise die Einnahmen aus den Kräuter- und Landschaftsführungen und Preisgelder. Mit den Geldern aus diesem Ökokonto wurden beispielsweise Landwirte entschädigt, wenn sie Teile ihrer Ackerflächen nicht abernteten, weil dort der Kiebitz brütete oder andere Schutzgründe vorlagen.
Wenn Behörden einmal hü und einmal hott sagen
Auch die Renaturierung des Unkenbaches begann schon in dieser Zeit. Zunächst wurde die Südseite des Baches mit Baumhekken bepflanzt. Ein Bach, der im Schatten liegt, ist kühler, transportiert mehr Sauerstoff, und für die Bauern fiel das lästige Ausmähen von Schilf und Rohrkolben weg. Dabei gab es manchmal durchaus witzige Randerscheinungen. Als die Gemeinde ab 1966, im Zuge der ersten Flurbereinigung den Unkenbach begradigte, bekam sie dafür den Bayerischen Staatspreis in Höhe von 10 000 DM. Bei der dritten, inzwischen ökologischen Flurbereinigung über 30 Jahre später wurden die ursprünglichen Mäander wieder eingebaut und die Gemeinde bekam dafür wieder den Bayerischen Staatspreis, diesmal in Höhe von 10 000 Euro. Was heute für Zündstoff sorgt und die Akteure von damals ebenso wie die Landwirte ärgert, ist, daß die Gegenleistung, die die Bauern damals von der obersten Umwelt- und Landwirtschaftsbehörde und dem Wasserwirtschaftsamt zugesagt bekamen, nicht mehr erbracht werden soll. Weil die Landwirte aus vier in das oberste Grundwasserstockwerk reichenden Brunnen Wasser in den Bach pumpen, durften sie bislang auch im Sommer Wasser aus dem Unkenbach für die Beregnung ihrer Kräuterfelder entnehmen. Obwohl sich dieses System seit 40 Jahren bewährt hat und der empirische Beweis erbracht ist, daß dies weder das Grundwasser noch die Biozönose Unkenbach geschädigt hat, soll damit aufgrund einer neuen Europäischen Wasserrahmenrichtlinie 2027 Schluß sein.
Das grüne Leichentuch der Natur
Ein wichtiger Schritt zum grünen Dorf war für Fischer auch die Baumschutzverordnung. Sie erhält nicht nur die Bäume im Dorf, sondern tut auch etwas für den Dorffrieden, meint er. Wenn der eine Nachbar sich über das Laub beschwere, könne der andere immer sagen, die Gemeinde sei schuld, daß er den Baum nicht ummachen kann. Nun, die Gemeinde blieb nicht beim Schutz von Flora und Fauna stehen. Schon 1889 betrieb sie ihr erstes Blockheizkraftwerk, „damals noch als Versuchsanlage vom Sachs“, erzählt der Altbürgermeister. Auf der Schule entstand eine 70 Quadratmeter große thermische Anlage für das Schwimmbad und eine große Photovoltaik-Anlage. Als erste Gemeinde im Landkreis gründete man eine Bürgersolargesellschaft. Im Gemeinderat wurde dann noch die Voraussetzung für eine große der Sonne nachgeführte Feldsolaranlage geschaffen.
„Wir waren auch die erste Gemeinde, die ihre Bauhoffahrzeuge auf Biodiesel umstellte“, erinnert sich Fischer. Als der dann aber aus Palmöl gewonnen wurde und man für diese Plantagen Regenwälder abholzte, habe man es wieder eingestellt. Auch das erste Naturwaldreservat Bayerns im Kommunalwald entstand in Schwebheim. Man müsse halt immer am Ball bleiben, sich informieren und weiterdenken, betont der Altbürgermeister. Die Gemeinde blieb am Ball und bekam viele Auszeichnungen. Seit 2007 ist sie „Naturschutzkommune“, 2011 bekam sie die Plakette für Biodiversität und das gesamte Gemeindegebiet hat sich zur gentechnikfreien Zone erklärt.
Naturschutz kann auch ansteckend sein
Für Fischer braucht es drei Akteure, um den Umweltschutz lebendig zu erhalten: die Landwirtschaft, die Gemeinde und die Gartenbesitzer. Bloß keinen sterilen Rasen, empfiehlt er, immer wieder Ecken freilassen für die Natur, beispielsweise für die Brennnessel, die nicht nur gesund, sondern auch die Wirtspflanze ist, auf der sich z.B. die Raupen des Pfauenauges entwickeln. Fritz Roßteuscher nannte den „perfekten“ Rasen das „grüne Leichentuch der Natur“. Was die Gemeinde Schwebheim da auf den Weg brachte, blieb auch in der Nachbarschaft nicht ohne Folgen. In Gochsheim stellte ein aktiver Naturschützer 1994 in einem Brief an den Gemeinderat den Antrag, auch eine ökologische Flurbereinigung in der Gemarkung durchzuführen. Darüber hinaus machte er ganz konkrete Vorschläge für ein BiotopVerbundsystem. Der Antrag wurde heiß diskutiert, vor allem auch mit den Landwirten, aber ebenso wie in der Nachbargemeinde setzte man auf Freiwilligkeit. 1997 wurde dann auch hier eine ökologische Flurbereinigung auf den Weg gebracht.
In einem weiteren Nachbardorf, in Sennfeld, war es ein Gemeinderat, der die Initiative zur ökologischen Umgestaltung der Natur ergriff und erste Vorüberlegungen anstellte. Altbürgermeister Emil Heinemann nahm diese Überlegung auf und um die Jahrtausendwende wurde mit der Unteren Naturschutzbehörde eine ökologische Landschaftsgestaltung mit einem groß angelegten Biotopverbund auf den Weg gebracht. In den drei Gemeinden im Schweinfurter Mainbogen werden vor allem Sonderkulturen, wie Heil- und Gewürzkräuter und Gemüse angebaut. Hier wurde früh erkannt, daß die gesamte Kulturlandschaft an einem Wendepunkt angekommen ist und entsprechend reagiert werden muß. Belohnt wurden die Orte nicht nur mit einer artenreichen, landschaftlich interessanten Flur, die auch zur Naherholung einlädt, sondern auch mit funktionierenden Wasser- und Stoffkreisläufen, die Ökologie und Ökonomie perfekt verbinden.