Ausgabe September / Oktober 2012 | Natur & Umwelt

Gastls Zonensystem

Hortus Insectorum – Ein Garten für Schmetterlinge und Wildbienen

Text: Sabine Kulenkampff | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Der Hortus Insectorum ist erst einmal einfach nur schön!

Im Jahr 2000 war Markus Gastl zusammen mit seiner Frau Lisa zu einer besonderen Reise gestartet: Von Feuerland nach Alaska mit dem Fahrrad! Nach 41 843 Kilometern beendeten die beiden in Inuvik/Canada ihre Reise, da sie aufgrund von Waldbränden nicht ihr eigentliches Ziel, Fairbanks, erreichen konnten. Zweieinhalb Jahre war das Ehepaar unterwegs gewesen, einmal war Lisa Gastl in Mexiko von einem Auto angefahren worden, doch insgesamt ist nichts Schlimmes passiert, gesund und unbeschadet konnten sie nach Hause zurückkehren und empfanden dafür tiefe Dankbarkeit. „Tränen der Freude und Tränen der Trauer“ so berichtet Markus, haben die beiden geweint unterwegs – über die Schönheit, aber auch über die Zerstörung der Natur in Süd- und Nordamerika. Beispielsweise radelten die beiden im Amazonasgebiet wochenlang durch Zuckerrohrplantagen, die für die Herstellung von sogenanntem Biosprit (inzwischen wird er als E10 an jeder Tankstelle verkauft) angelegt worden sind, dort, wo früher tropischer Regenwald war. Ähnlich riesig sind die Gebiete, deren natürliche Vegetation dem Anbau von Sojabohnen zur Rindermast geopfert worden sind und noch heute geopfert werden.

Lebensraum für über 600 Insektenarten

Markus und Lisa Gastl

In solchen Regionen gibt es nicht mal Gemüseanbau, von natürlicher Artenvielfalt ganz zu schweigen. Gerade weil der Weg der Gastls aber auch durch die wenigen Gebiete führte, in denen die Natur noch unberührt und vielfältig ist, überlegte Markus: Was kann ich selbst aktiv für die Natur und gegen ihre Zerstörung tun? Wie kann ich über die Teilnahme an Demonstrationen hinauskommen und wirklich etwas erreichen? Im Alter von fünfunddreißigeinhalb Jahren entschloß sich der studierte Geograph und gelernte Krankenpfleger zu einem Versprechen sich selbst gegenüber: Nach seiner Rückkehr wollte er aktiv an der Erhaltung der Artenvielfalt zu Hause in Deutschland mitarbeiten, er wollte herausfinden und auch zeigen, was ein einzelner Mensch mit der Arbeit seiner Hände für die Natur erreichen kann. Er, der immer ein Autodidakt gewesen war, las und lernte eine Menge über Insekten und einheimische Pfl anzen. Vor fünf Jahren war es dann so weit: Im fränkischen Beyerberg, in der Hesselbergregion nahe Bechhofen an der Heide, kauften er und seine Frau zunächst ein Grundstück von 6000 qm mit einem Wohngebäude. Weitere 1500 qm kamen inzwischen dazu. Hier entwickelte sich während der letzten fünf Jahre der Hortus Insectorum, ein Schaugarten in dem man lernen und sehen kann, wie ein konsequent natürlich gestalteter Garten aussieht. „Entwickelte sich“ – freilich mit Hilfe harter Arbeit, mit unglaublichem persönlichen Einsatz und ohne jede fremde finanzielle Unterstützung. Zahlreiche Besucher kommen zu Markus Gastl, der immer noch, meist in Nachtschicht, als Krankenpfleger arbeitet, während er tagsüber für seinen Garten und die Lebensbedingungen von 1600 Insektenarten sorgt. Obst- und Gartenbauvereine, Gartenliebhaber und Biologen gehören zu den Interessierten die so weit nach draußen kommen, um sich zu informieren und Rat zu suchen für die Verwirklichung eines eigenen Naturgartens zu Hause.

Pyramide für Jungfräulichkeit der Arbeiterbienen

Der Hortus Insectorum ist erst einmal einfach nur schön! Es blüht in jeder Jahreszeit, wunderschöne Wiesenblumen, die man sonst nur noch in botanischen Büchern oder in Gärtnereien bewundern kann, entfalten ihre Pracht. Es gibt die Weiße und Rote Lichtnelke, die Witwenblume, Vogelwicke, die Hundszunge und allerlei andere Pflanzen, deren Namen Markus Gastl demjenigen nennen kann, der sie gar nicht mehr kennt, weil sie auf den landwirtschaftlich genutzten Fettwiesen, die unsere Landschaft heute bestimmen, gar nicht mehr vorkommen, nicht vorkommen können, da eine solche Artenvielfalt nur abseits von überdüngten, regelmäßig gemähten Weisen möglich ist. Hier schwirren unzählige verschiedene Käfer und ungewöhnliche Schmetterlinge: Das Wiesenvögelein, der Dickkopffalter, der Schwalbenschwanz … und die vielen, für die es uns an Namen fehlt, weil sie aus dem kollektiven Gedächtnis längst verschwunden sind. Auch Dekoratives findet man im Hortus Insectorum, zum Beispiel den Steinpyramidenpfad.

Aus Feldsteinen aufgeschichtete Pyramiden, die von Besuchern „getauft“ werden können.

Hier sind aus Feldsteinen Pyramiden aufgeschichtet, die von Gartenbesuchern getauft werden können: Es gibt die Pyramide „Hoffnung“, „Licht“ und auch die mit dem ungewöhnlichen Namen „Hymen“ – sie ist der ewigen Jungfräulichkeit der Arbeiterbienen gewidmet. Bienen – da gibt es Wildbienen, die in dem von Markus Gastl geschaffenen Garten frei leben, aber auch ein Bienenvolk, das er in einer von Birgitt Jörnsson geschaff enen Bienenbeutenfigur angesiedelt hat. Bienen sind heute nachgerade ein Symbol für das Insektenartensterben geworden! Dies liegt nicht nur an der Varoamilbe, sondern auch daran, daß die Bienen in unseren von „toten“ Blumen wie Geranien & Co. geprägten Gärten nicht mehr genügend Nahrung finden.

Ein Naturgarten, hinter dem viel Arbeit steckt.

Noch schwieriger haben es bei uns heute Amphibien. Markus Gastl bemüht sich, in mehreren Teichen Lebensraum für echte Laubfrösche, Molche und – in pfützenartigen Gewässern – für die seltene Gelbbauchunke zu schaffen. Dies ist sehr schwierig, besonders nach dem trockenen, schweren Frost im letzten Winter mußten Rückschläge hingenommen werden. Doch er gibt nicht auf! Er weißt darauf hin, daß es nicht einfach darauf ankommt, eine Wasserfläche bereitzustellen und Laich einzusetzen – ein solcher Versuch, den Amphibien auf die Sprünge zu helfen, wäre zum Scheitern verurteilt. Es ist vielmehr nötig, das komplizierte Zusammenspiel der weiträumigen Umgebung auf diese gefährdeten Tiere abzustimmen. Insekten und Amphibien profitieren vom Gesamtkonzept des Gartens, das Markus Gastl sich erarbeitet und in Beyerberg verwirklicht hat und das er in einem Buch, das demnächst im Dr. Fritz Pfeil Verlag erscheinen wird, beschrieben hat: Es heißt „Das Drei Zonen Konzept, der andere Garten“.

Die mittlere Zone, die Magerwiese, ist der Hot Spot

Innerhalb dieser drei Zonen bildet der Garten ein geschlossenes System, aus dem nichts heraus- und nichts hineinkommt – kein Dünger wird zugeführt, kein Schnitt oder Kompost weggebracht. In Gastls Garten kann man die „Drei Zonen“ genau erkennen, und man sollte sie, ihre besondere Schönheit und ihre Funktionen unbedingt einmal vor Ort gesehen haben, um ihre Bedeutung erkennen zu können. Hier seien sie nur kurz beschrieben. Die äußere Zone des Gartens, wo dieser an Straße, benachbarte Landwirtschaftsflächen und versiegelte Böden grenzt, nennt Gastl die „Pufferzone“. Es ist eine Art Schutzring um den eigentlichen Garten, der aus Totholz (Stämme und Wurzelstöcke), Hecken, einheimischen Sträuchern, Steinen und Ablagerungen der überschüssigen Energien aus dem inneren Garten, z. B. Grasschnitt, gebildet wird. Hier entstehen bereits Lebensräume für manche Tiere wie Eidechsen und allerlei Insekten, doch vor allem soll lebendiger Abstand zur Außenwelt geschaffen werden. Weiter innen im Hortus Insectorum , der übrigens dem Netzwerk Naturgarten www.naturgarten.org angeschlossen ist, befindet sich die oben bereits beschriebene Mittlere Zone, die Magerwiese, die Teiche und die größte von Artenvielfalt in Flora und Fauna geprägte Fläche, der „Hot Spot“, wie Gastl sagt. Schnitt und Kompost müssen von hier immer wieder hinaus in die Pufferzone verbracht werden, um ein erneutes Entstehen der überdüngten Fettwiese zu verhindern. Nur so bleibt das zur Erhaltung der Artenvielfalt nötige Gleichgewicht erhalten. Hier stehen und wachsen auch zahlreiche einheimische Obstgehölze. Die dritte Zone bildet schließlich der Nutzgarten. Hier werden ohne jedes Insektizit Gemüse und Obst angebaut: Zwiebeln ohne Zwiebelfliege zum Beispiel, da genügend Freßfeinde dieses Schädlings vorhanden sind; lausfreie Beeren, Salat, Kohl und manches mehr. Als Dünger wird das durch Sonnenenergie in der zweiten Zone herangewachsene, überschüssige Material eingebracht. Dieses Konzept begeistert insbesondere die Mitglieder von Obst- und Gartenbauvereinen, die sich hier eine zukunftsträchtige, schadstoff freie Anbaumethode abschauen können. Markus Gastl, dessen Garten inzwischen in einem Buch der „70 schönsten Gärten Bayerns“ erwähnt wird, versteht sich auch als Multiplikator und hilft Interessierten gerne mit Rat und Tat, im eigenen Garten ein Stück Natur zurückzuholen. Sein Beispiel zeigt, wie viel ein einzelner erreichen kann, wenn er es will – sofern er mutig, fleißig, und (wie seine Nachbarn meinen) vielleicht auch ein wenig verrückt ist!

Weitere Informationen auf der Homepage des Gartens: https://www.hortus-insectorum.de

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