Frankens Totes Meer
Die Bad Windsheimer Franken-Therme punktet mit vielen Wellness-Attraktionen und einem einzigartigen Besuchermagnet: dem vollgesättigten Solesee mit eigener Thermalquelle. Ein Bad in Europas stärkster Sole verspricht Auftrieb für Körper und Seele.
Text: Sabine Haubner | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Die Stimmung war gedrückt bei diesem Expertentreffen zum Bau der Franken-Therme in Bad Windsheim im Sommer 2004. Das Großprojekt, das Mittelfrankens einziges Heilbad auf Erfolgskurs bringen sollte, hatte einen herben Rückschlag erlitten. Der Spatenstich für die groß gedachte Anlage war schon gesetzt, eine neue Solequelle bereits gefunden, doch parallel dazu mußte eine Alternative für die alte Solequelle im benachbarten Kurpark gefunden werden. Nach langjähriger Nutzung mußte diese Solebohrung aufgrund eines hydraulischen Kurzschlusses aus dem Bundesbergrecht entlassen werden. Die Kaverne des tieferliegenden Salzstocks war mit hochprozentiger Sole vollgelaufen und mußte vor ihrer bergamtlich vorgeschriebenen Verfüllung wieder entleert werden. Eine problematische Situation, denn die vollgesättigte Sole gilt als Sondermüll. Deren ordnungsgemäße Entsorgung hätte zwischen 500 000 und 750 000 Euro gekostet. Insgesamt enorme Zusatzkosten, die an dem Projekt rüttelten. „Wohin mit der Sole?“ war die Frage des Tages, an der Ingenieure und kommunale Entscheider ratlos herumkauten. Verschiedene Lösungen waren angedacht und wieder verworfen worden. „In einem Kaltbadweiher puffern? – „Ne, da könnt ihr Salzheringe einsetzen.“ Als Solelieferung an andere Bäder verkaufen, als Streusalzersatz hernehmen, oder in Form von Salzspray für Salate? Dann rüttelte der damalige Bürgermeister Wolfgang Eckardt die Runde auf: „Wir holen das Tote Meer nach Mittelfranken.“ „Jetzt spinnt er“, wurde seine Idee des ersten europäischen Solesees mit einem Salzgehalt, der dem des berühmten israelischen Binnensees nahekommt, als absurd abgetan. Die Bedenken und Unwägbarkeiten waren groß. Hochprozentige Sole ist schwer zu handhaben. Welche Materialien würden ihrer Aggressivität standhalten? Wären die Hygienevorschriften überhaupt erfüllbar? Welchen Einfluß hätte ein solcher See auf die Umgebung? Es konnte auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Trotzdem gelang es Eckardt, selbst vom Fach und von ansteckendem Enthusiasmus, das Gremium vom Eingehen des Wagnisses zu überzeugen.
Sole killt Bakterien

Die Parameter für das Pilotprojekt wurden zunächst in einem kleinen Probeteich beforscht, wissenschaftlich begleitet von Dr. Ursula Rdest vom Lehrstuhl für Mikrobiologie der Universität Würzburg. Sie erfreute mit folgendem Ergebnis zur Keimentwicklung: „Ich hab‘ das Wasser mit einer Million Bakterien geimpft. 999.999 waren sofort tot und die letzte läßt auch schon den Kopf hängen.“
Ein Jahr Probelauf brachte weitere positive Erkenntnisse: Problemlos überstanden Folie und PE-Leitungen den Einsatz, die Sole speichert im Vergleich zu Normalwasser wesentlich besser Energie und heizt sich schneller auf durch den Brennglaseffekt ihrer Kristalle. Die Umsetzung im großen Maßstab mit 800 Quadratmetern Wasseroberfläche bei einer maximalen Tiefe von 1,35 Metern war schnell beschlossene Sache. Der See wurde in nur wenigen Monaten realisiert, während die Arbeiten am Großprojekt Franken-Therme weiterliefen. Als diese im Dezember 2005 eingeweiht wurde, konnten die ersten Badegäste auch auf der stärksten Sole Europas schweben, die Füße immer über Wasser. Die Pionierarbeit ging weiter. Wie etwa sollte der See beheizt werden?
Der Aspekt der Nachhaltigkeit spielte für die Planer der großen Thermenlandschaft von Anfang an eine große Rolle. Der Natursolesee wird ebenso wie die anderen Bereiche mit Hilfe umweltfreundlicher lokaler Quellen – Biogasanlage, Hackschnitzelheizung und Abwärme einer Gießerei – erwärmt. Im vergangenen Jahr kam eine neue großflächige PV-Anlage dazu. Damit der See auch im Winter seine wohligen 26 – 30 Grad behält, wurde er später zur Hälfte mit einer transparenten Kuppel überdacht. Geschäftsführer Oliver Fink kaufte das Material beim Hersteller der Membranhülle der Münchner Allianzarena ein: „teuer, aber sehr haltbar“. Stolz sind die Planer auf ihre eigene Idee mit den 180.000 transparenten Plastikbällchen: Diese bedecken den Freiluftbereich des Salzsees in den Wintermonaten, um seine Temperatur besser zu halten.
Inzwischen hat sich das Fränkische Tote Meer als Hauptattraktion der Bad Windsheimer Therme etabliert. Ein unvergleichliches Erlebnis, schwerelos und tiefenentspannt auf warmer Sole zu schweben – und gleichzeitig die eigene Gesundheit zu fördern. Das hochmineralisierte Wasser lindert etwa entzündliche Hautkrankheiten und läßt durch Aerosolwirkung Atemwegserkrankte aufatmen. 2007 wurde das Konzept des Solesees mit dem Deutschen Tourismuspreis in der Kategorie „Innovatives Tourismusprodukt“ ausgezeichnet.
Heilsamer Schwebezustand
Bei einem Gang durch die riesige Thermenlandschaft mit sechs Sole-Becken, dem Salzsee, acht Saunen und verschiedenen Außenbereichen auf 21.000 Quadratmetern wird klar: Die Planer lagen mit ihrem Konzept fernab des Mainstreams goldrichtig. Ein neuer Ansatz war auch, beim Bauen in die Fläche zu gehen. Dadurch stand genügend Platz zur Verfügung, um die verschiedenen Becken und Anwendungsinseln modulhaft anzulegen und voneinander abzugrenzen. So können selbst bei großem Besucherandrang die Gäste ungestört entspannen. Ein anderes Alleinstellungsmerkmal: die Menge und Varietät der Konzentration der Sole von 1,5 % bis zu 26,9 % in Becken und See. Ebenfalls ein Novum: der gezielte therapeutische Einsatz des salzigen Schatzes für Photo-Sole-Therapien. Dafür wurde die Kur- Kongress- und Touristik GmbH 2010 mit dem Innovationspreis des Freistaats Bayern ausgezeichnet.
Ein fast mystisches Erlebnis ist die tägliche Musik-Laser-Show „Sinn-fonie“. In der abgedunkelten Badehalle bei Gesängen des Windsbacher Knabenchors und sphärischen Lichteffekten auf dem Wasser schweben – mehr Abtauchen vom Alltag geht kaum. Wer diesen lieber bei aktuellen Grooves vergißt, kann sich auf die lange Thermennacht mit Live-Musik und Showeinlagen freuen. Sylvia Knoll-Peterson, Bereichsleiterin Marketing, konnte sich Anfang Dezember über etwas anderes freuen, den 7,5millionsten Besucher der Therme. Die jährlichen Zahlen übertreffen mit aktuell fast 450.000 Gästen schon lange die ursprünglich angepeilten 280.000. Alles richtig gemacht.
