Ausgabe Januar / Februar 2023 | Brauchtum

Franken kann auch närrisch!

Der Franke gilt gemeinhin als spröde, verschlossen, ja maulfaul, kann aber durchaus als Stimmungskanone auflaufen und tut dies, wie inzwischen bundesweit bekannt, auch regelmäßig, seit 1988 bei der Veitshöchheimer Fastnacht und gewissermaßen zum Vorglühen bei der Närrischen Weinprobe im Keller der Würzburger Residenz.

Text: Gunda Krüdener-Ackermann | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Infos hierzu: www.br.de/fastnacht
Infos hierzu: www.br.de/fastnacht

Kaum zu glauben, aber der Franke, der gemeinhin als spröde, verschlossen, ja maulfaul gilt, kann durchaus zur Stimmungskanone mutieren. Vermutlich ist das seiner ursprünglichen Herkunft aus dem Niederrheinischen geschuldet. Auf seinem Weg nach Süden etwa ins Mainfränkische zu Zeiten der Völkerwanderung – ganz sicher vorbei an Köln und dem Flüßchen Düssel! – muß er sich damals, als die medizinische Maske noch nicht erfunden war, mit dem dortigen Karnevalvirus, in der Mutante Fastnacht, infiziert haben. Das scheint bis heute zu wirken. Seit geraumer Zeit kommt es alljährlich zu wahren Fieberschüben: seit 1988 etwa bei der Veitshöchheimer Fastnacht oder jetzt schon zum zwanzigsten Mal bei deren kleiner Schwester, der „Närrischen Weinprobe“ in Würzburg. 

Ein anderes Virus war zum Glück nicht ganz so nachhaltig wirksam, hat aber in letzter Zeit jedem bunten Treiben zu schaffen gemacht. Zwei Jahre lang mußte in Franken wie anderswo coronabedingt fast völlig auf närrische Veranstaltungen verzichtet werden. In Würzburg wußte man diese Zeit zu nutzen. Anläßlich des nunmehr 20. Jubiläums übertrug das Bayerische Fernsehen am 13. Januar in Zusammenarbeit mit dem Fastnacht-Verein Franken e. V. die „Närrische Weinprobe“ wie gewohnt aus dem altehrwürdigen Gewölbe des Staatlichen Hofkellers der Residenz, seit 1981 UNESCO Weltkulturerbe. Jetzt aber, alles größer und schöner, auf neuer Bühne.

Ernsthafte Worte hinter den Kulissen

Vorbei an einigen der rund dreihundert imposanten Holz-Weinfässer, aneinandergereiht an den meterdicken Mauern des dunklen Gewölbes, begegnet man mit fortschreitender Zeit bei der TV-Aufzeichnung an jenem Sonntagnachmittag des 8. Januar recht skurrilen Gestalten: da ein Pharao samt Gattin, dort ein einsamer Pumuckl oder ein dahinstolperndes menschliches Franken-Faß, dann wieder ein mit Weinlaub umrankter Bacchus oder ein Tanzmariechen mit Narrenkappe. Das glitzernde Kostüm fränkisch Rot-Weiß versteht sich. Zwischendrin auch mal geschäftige Unmaskierte, Filmkameras und Kabelboxen schleppend, oder Rettungsteams mit Erste-Hilfe-Koffern, Debrifilator … Bevor die Franken an diesem Tag jedoch auf närrische Hochtouren kommen durften, mußte noch Zeit sein für einige „ernsthafte, artige Worte“ hinter den Kulissen. Diesen Part hat die Trias von Hofkellereichef Thilo Heuft, Marco Anderlik, Präsident des Fastnacht-Verbands Franken e. V., und Tassilo Forchheimer, Leiter BR Franken, vorbildlich übernommen. Letzterer als Leichtmatrose kostümiert, verbarg damit in Franken geschickt seine ursprüngliche Herkunft aus München. Außerdem wollte er so vielleicht den etwas fremdelnden NDR-Mitarbeitern ein bißchen Heimatflair schaffen. Hatten die doch aus dem hohen Norden mit ihrem Übertragungswagen anreisen müssen. Denn die bayerischen ARD-Kollegen hatten gerade alle Hände voll zu tun. Sie mußten Wintersport-Events (ohne Winter) übertragen. 

Fastnacht mit Würde: Beispielhaft Friedhelm Hofmann (Mitte), verkleidet als Würzburger Altbischof und Josef Schuster (r), der Präsident des Zentral­rates der Juden in Deutschland
Fastnacht mit Würde: Beispielhaft Friedhelm Hofmann (Mitte), verkleidet als Würzburger Altbischof und Josef Schuster (r), der Präsident des Zentral­rates der Juden in Deutschland

Stilvolles Vorglühen mit exquisitem fränkischen Rosé-Sekt. Im Bild rechts: MdL Volkmar Halbleib, dahinter Würzburgs OB Christian Schuchardt, in der Bildmitte: die Grüne-Biene MdL Kerstin Celina.
Stilvolles Vorglühen mit exquisitem fränkischen Rosé-Sekt. Im Bild rechts: MdL Volkmar Halbleib, dahinter Würzburgs OB Christian Schuchardt, in der Bildmitte: die Grüne-Biene MdL Kerstin Celina.

Wie Thilo Heuft, Herr über die guten, noch zu verkostenden Tropfen, war auch Marco Anderlik an diesem Abend einfach nur froh, daß Corona nicht ein weiteres Jahr einen Strich durch die Fastnachts-saison gemacht hatte. 2023 – endlich wieder eine unbeschwerte närrische Zeit ohne Einschränkungen! Außerdem war er dankbar, daß die neue Spielstätte im Hofkeller durch den BR so wunderbar ausgestattet worden war. Darauf konnte man nur noch gemeinsam anstoßen. Mit einem vorzüglichen fränkischen Rosé-Sekt.

Unterstützung vom NDR

16 Uhr! – Jetzt kommt Bewegung hinter die Bühne. Das Lampenfieber wächst. Sven Bach, Kabarettist aus Nürnberg, läuft auf und ab. Nervös? Ja, schon! Auch wenn’s jetzt wahrscheinlich nix mehr bringt, aber den Text, den muß er sich leise nochmal vorsprechen. Wie sehr sein Beitrag ihn letztendlich selbst zufriedenstellen wird, das hängt von den Reaktionen des Publikums ab. Norbert Küber, verantwortlicher Redaktionsleiter für die Fastnachtssendungen im Studio Franken, ist passend zum Anlaß gekleidet: roter Zylinder und bunt gestreiftes Jackett. Denn in gewisser Weise hat er für diese Fernsehsendung die Aufgabe eines Dompteurs übernommen. 

Tassilo Forchheimer (l), Leiter des BR-Studios Franken, im Helau-Feeling, daneben der langjährige Karnevalsverbandspräsident Bernhard Schlereth mit Ehefrau Christel.
Tassilo Forchheimer (l), Leiter des BR-Studios Franken, im Helau-Feeling, daneben der langjährige Karnevalsverbandspräsident Bernhard Schlereth mit Ehefrau Christel.

Nicole Then, Weinkönigin der ersten Stunde, ist bereits in ihr grünes Glitzerkleid und die Highheels geschlüpft. Begleitet wird sie von ihrer derzeitigen Nachfolgerin, Eva Brockmann aus Großwallstadt bei Miltenberg. Beider Fachwissen zum Thema fränkischer Wein wird an diesem Abend gefragt sein. BR-Redakteur Rüdiger Baumann, verkleidet als Thomas Gottschalk – zumindest läßt sein crazy Anzug darauf schließen – wuselt geschäftig durch die Reihen. Und Moderator Martin Rassau, in sportlich-dynamischem Outfit, wartet bereits neben dem Notfallteam auf seinen Bühneneinsatz. Aber noch nicht den echten …

Sagt wie‘s geht. Conferencier Martin Rassau macht das Publikum tv-tauglich.
Sagt wie‘s geht. Conferencier Martin Rassau macht das Publikum tv-tauglich.
Nails, lips, Handys und Katzen – Birgit Süß fachsimpelt über Probleme der fränkischen Frauenwelt.
Nails, lips, Handys und Katzen – Birgit Süß fachsimpelt über Probleme der fränkischen Frauenwelt.

Fast ein bißchen verloren ein junger Mann vor einer Art Bauchladen. Lauter kleine Kästchen samt Kabel und Drähten, versehen mit Namen, liegen da vor ihm. Matthias Rohde, Mitarbeiter des TV-Teams aus dem hohen Norden, ist heute für die Mikros der Künstler zuständig. An ihm kommt keiner vorbei, der auf der Bühne singend oder redend den Mund aufmachen will. Was er denn von dieser fränkischen Narretei um ihn herum so halte? Bei ihnen gebe es sowas nicht, antwortet er tapfer diplomatisch, aber irgendwie doch a weng verstört. Bleibt nur zu hoffen, daß sein Platz direkt gegenüber einem Büffet voller fränkischer Leckerbissen, ihn für die hiesige Lebensart doch noch ein Stück weit gewinnen konnte.

Eigentlich hätte es nun losgehen können! Aber nein! Eine Fernseh-aufzeichnung bedarf vorab eines Warmups – einer kleinen Lektion für das Publikum. Daß jetzt neuerdings Teller mit jeder Menge regio­nalen Köstlichkeiten vor den Zuschauern stehen und was damit zu geschehen hat, ist natürlich selbsterklärend.

Die närrische Trias (von links nach rechts): Leichtmatrose Tassilo Forchheimer (BR Franken), Steuermann Thilo Heuft (Hofkellerei) und Seine Durchlaucht Marco Anderlik (fränkischer Fastnacht-Verband)
Die närrische Trias (von links nach rechts): Leichtmatrose Tassilo Forchheimer (BR Franken), Steuermann Thilo Heuft (Hofkellerei) und Seine Durchlaucht Marco Anderlik (fränkischer Fastnacht-Verband)

… „schuld war nur der ­Müller-Thurgau“ …

Mit dem Wein schaut‘s a weng anders aus. Vom ersten Glas links hat man sich bis zum letzten Glas rechts durchzutrinken. Fünf Weine gibt‘s. Selbstredend, daß man sich davon „an echt‘n Seier“ holen kann. Wenn auch draußen auf dem Parkplatz der Residenz jede Menge PKWs geparkt sind … Also Alkohol und Auto, das geht gar nicht! Rassau vermittelt das über einen Gag aus dem unerschöpflichen Repertoire der Bahnwitze und lockert damit schon mal vor dem ersten Schluck die Stimmung auf. Dem Hausfrieden nicht unbedingt dienlich sei es, wenn man etwa mit der falschen Begleitung via Bildschirm von den Lieben daheim ertappt werde, legt er nach. Auch das Mitsingen will vor dem Dreh gelernt sein. Wolfgang Huskitsch aus Dorfprozelten am Untermain tritt auf die Bühne. „Ohne Worscht, ohne Weck und ohne Woi, können Brötzler gor ned sei!“ Dieser Refrain geht schneller ins Blut als der bereitstehende Müller-Thurgau oder Silvaner. Mitschunkeln und Mitklatschen klappt damit quasi automatisch. Überhaupt ist man bei einem Publikum aus lauter Best-Agern darauf bedacht, bevorzugt Lieder aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Fastnachtstexten zu unterlegen. Denn die Melodie von „schuld war nur der Bossa nova“, wird themengerecht leicht zu „schuld war nur der Müller-Thurgau“. Dann letzte Ermahnungen: Keiner hat den Rassau vorab gesehen, gell! Keiner hat ein Lied geübt! Spontanität soll auf den Bildschirmen daheim auch bei einer Aufzeichnung rüberkommen, dazu gute Laune, gewürzt mit jeder Menge Applaus.

„Ohne Worscht, ohne Weck und ohne Woi“ – des darf für frängische Narren gor ned sei.
„Ohne Worscht, ohne Weck und ohne Woi“ – des darf für frängische Narren gor ned sei.

Endlich wird’s ernst. Die Kamera läuft! Für das Publikum „völlig unerwartet“, tritt Martin Rassau jetzt „echt“ auf die Bühne und erwehrt sich „gekonnt spontan“ dem nicht enden wollenden Beifall. Zu begrüßen hat er natürlich erst einmal die VIPs des Abends. Den Oberbürgermeister der Stadt Würzburg Christian Schuchardt, dazu Vertreter aus Politik und Gesellschaft wie Friedhelm Hofmann, den Würzburger Altbischof, oder auch den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Mancher Politiker hatte sich allerdings mit seinem Kostüm so gut getarnt, daß ihn die rote Sozi-Mütze beinahe unkenntlich machte.

Kellergewölbe mit Moulin Rouge-Flair

Die bislang weitgehend von Männern dominierte Fastnachtswelt – nur tanzen konnten sie nie so gut wie die Gardemädchen – hat dazugelernt. Ziemlich viel Frauenpower war daher bei der 20. „Närrischen Weinprobe“ angesagt. Die Kabarettistin Birgit Süß, 2021 Kulturpreisträgerin der Stadt Würzburg, durfte den Anfang machen. Mit ihren Betrachtungen zu Fitness, Nagelpflege oder die Diva-Haftigkeit von gemeinen deutschen Hauskatzen sorgte sie für das er­ste Stimmungshoch im Publikum. Später hatte auch das dienstälteste Tanzmariechen Frankens, Margit Lehner, seinen Auftritt. Das Lamento über all die zunehmenden Alterszipperlein, über einen weiblichen Körper, der halt keinen Spagat oder Handstand mehr hinbringt, der rund um die Hüften lästige Röllchen produziert – das läßt sich nur mit Humor nehmen. Tempi passati! Na und? Aber es gab sie auch, die quirligen Tänzerinnen und die hinreißenden Kostüme der Gruppe „Tanzfieber“, die echtes Moulin Rouge-Flair in den Weinkeller der altehrwürdigen Residenz zauberten. Die beiden Weinköniginnen waren an diesem Abend nicht für Bein-, sondern Kopfarbeit zuständig. Martin Rassau – das eine Neuheit der diesjährigen Weinprobe – präsentierte den Damen ein Quiz. Nur die richtige Antwort auf eine zugegeben verzwickte Frage würde den ersten Wein in die Gläser fließen lassen. Die beiden Damen versagten leider. Aber „Wer weiß denn (schon) sowas?“ Etwa, daß seit 1922 im fränkischen Hör­stein jeden Pfingstmontag die Hähne um die Wette krähen. Man ließ ihn sich dann doch munden, den Hörsteiner Müller-Thurgau.

Natürlich waren da auch jede Menge Männer auf der Bühne, manche von ihnen schon Jahrzehnte im Kabarett-Geschäft: der bekannte Dreggsagg Michl Müller oder Sven Bach oder Georg Königer oder Wolfgang „Nölla“ Baumann oder …

Wer all diese Herren und natürlich auch die Damen vielleicht im nächsten Jahr live bei der „Närrischen Weinprobe 2024“ erleben möchte, der sollte nicht versäumen, sich rechtzeitig über seinen örtlichen Fastnachtsverein um Karten zu bemühen. Und übrigens, die laufende Saison ist ja noch nicht vorbei! Da warten noch etliche fränkische Faschingsveranstaltungen, die man, wenn schon nicht live, dann doch im BR Fernsehen genießen kann.

Reihenweise gekrönte Häupter – Frankens Weinhoheiten.
Reihenweise gekrönte Häupter – Frankens Weinhoheiten.

Jede Menge fetzige Rhythmen für Best-Ager zum Schunkeln, Klatschen, Mitsingen: Die Kellermäster.
Jede Menge fetzige Rhythmen für Best-Ager zum Schunkeln, Klatschen, Mitsingen: Die Kellermäster.

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