Exot mit Federhaube
Der Wiedehopf ist der Vogel des Jahres 2022
Text: Sabine Haubner | Fotos: Markus Gläßel
Sein Aussehen ist schillernd – sein Charakter ebenso, zumindest in der phantasiegespeisten Wahrnehmung der Menschen. Wer so eine imposante Erscheinung wie der Wiedehopf ist, dem wird so manches zugetraut – im bestem wie im schlechteren Sinne. Unwiderstehlich ist er spätestens, wenn er seine orange-farbene Federhaube mit ihren flirrenden Spitzen in Schwarz-Weiß auffächert, die Krönung seines an sich schon auffälligen Gefieders mit den schwarz-weiß gebänderten Flügeln am zimtbraunen Körper. So ganz entfaltet wirkt er noch größer als die ca. 28 cm, die er vom Schwanz bis zur Schnabelspitze mißt. Unverständlich bei diesem prächtigen Anblick, daß der Exot unter den heimischen Vögeln früher als anrüchig galt. Doch dazu später. Jetzt geht es erst mal um seine Popularität, die aktuell nicht größer sein könnte. Deutschland hat ihn zum Vogel des Jahres 2022 gekürt. In einem Online-Voting des Naturschutzbundes (NABU) erwies sich der Wiedehopf als Kandidat der Herzen und war den anderen vier Vorschlägen um mehrere Flügellängen voraus. 45 523 Deutsche stimmten für ihn, die bei uns viel häufigere und beliebte Mehlschwalbe kam mit 34 773 Stimmen auf Platz zwei.
Der Wiedehopf ist der Vogel des Jahres 2022
Vom Aussterben bedroht
Den Wiedehopf kennt bei uns wohl kaum einer aus seiner Umgebung. Wie denn auch, der Zugvogel ist eine vom Aussterben bedrohte Rote-Liste-Art und war im vergangenen Jahr mit geschätzt lediglich 800 bis 950 Brutpaaren in Deutschland vertreten. In Bayern sieht es noch einmal schlechter für die Art aus. Bis in die 50er Jahre war sie hier weit verbreitet, doch das hat sich später durch die intensivere Flächennutzung grundlegend geändert. Im Zeitraum 1998 bis 2005 etwa gab es keinen Brutnachweis für den Vertreter aus der Ordnung der Hornvögel und Hopfe, wie vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV) zu erfahren ist. Inzwischen ist er wieder vereinzelt anzutreffen: 2019 wurden sechs, 2020 sogar elf Brutpaare von Ehrenamtlichen gemeldet. „Die besten Chancen, einen Wiedehopf zu hören oder zu sehen hat man in Mittel- und Mainfranken“, so Dr. Angelika Nelson, Biologin beim LBV. Es scheint, als ob die wärmeliebende Art vom Klimawandel mit den trockenen und warmen Sommern der vergangenen Jahre profitiere, allerdings nur bedingt, wie die Biologin betont. „Dieser zunächst positiv erscheinende Effekt wird von andauernden Gefährdungen überlagert, die die Ausbreitung einschränken.“ Zu den limitierenden Faktoren gehören etwa hohe Pestizid- und Düngemitteleinsätze, die das Nahrungsangebot schmälern. In vielen Gebieten fehlt ihm schlicht ein geeigneter Lebensraum. Der Wiedehopf läßt sich gerne in offenen Landschaften nieder, mit kurzer, lockerer Vegetationsdecke. Diese erleichtert dem Bodenjäger die Suche nach seinen Beutetieren: großen Insekten wie Heuschrecken, Tausendfüßern, Engerlingen, Schmetterlingsraupen und Schnecken. Je nach Art verfolgt er sie laufend oder spürt sie, mit seinem langen, spitzen Schnabel stochernd, im Boden auf. Damit solche Flächen sich als Bruthabitat qualifizieren, brauchen sie ergänzend landschaftliche Kleinstrukturen, etwa alte Obstbaumbestände, Trockensteinmauern oder Felsformationen, die dem Höhlenbrüter geeignete Nistplätze bieten.
Heimliche Gäste und einsame Männchen
Unterfrankens Bruthabitate und Bestände hat Markus Gläßel, Wiedehopfkoordinator des LBV für die Landkreise Würzburg und Main-Spessart, im Blick. Er weiß auch, daß der erste Wiedehopf, der nach langer Absenz der Art 2005 nach Bayern zurückkehrte, sich für einen Brutplatz in Unterfranken entschied. In Gläßels Betreuungsgebiet war der Wiedehopf Ende der 80er Jahre ausgestorben. 2013 dann ein Hoffnungsschimmer: ein erstes Paar zog erfolgreich seine Brut auf. „Es lief ganz gut bis 2017, dann waren wieder alle Plätze vakant“, resümiert er. Bis es 2019 wieder von vorne losging. Im vergangenen Jahr konnte der Vogelschützer zwei Brutpaare unter seine Fittiche nehmen. Er geht davon aus, daß sich auch in Unterfranken wieder moderat mehr ansiedeln werden. „Hier gibt es kleine Vorteile. Die Region ist ein Klimahotspot, es gibt alte Streuobstbestände mit Nistgelegenheiten, sandige Böden und immer mehr Pferdehöfe mit regelmäßiger Beweidung oder Mahd.“ Perfekte Nahrungsgründe findet der Punk unter den heimischen Brutvögeln immer wieder auch in Haus- und Schrebergärten.
So geschehen im vergangenen Jahr. Eine Familie im südlichen Landkreis Würzburg entdeckte Mitte Juni ihre seltenen Gäste im Garten erst, als ein fast schon ausflugbereiter Nestling aus seiner Höhle in einem alten Apfelbaum herauslugte. Für Vogellaien schwer vorstellbar, ist doch der Ruf des Wiedehopfs auffällig: ein melodiös flötendes Hupp-hupp-hupp. So beeindruckend, daß ihm die Menschen den lautmalerischen wissenschaftlichen Gattungsnamen „Upupa“ verliehen. Diesen Lockruf läßt er ab April in unseren Breiten ab, nach mehr als 8 000 Flugkilometern, die er bewältigt hat, um aus seinem afrikanischen Winterquartier nach Zentraleuropa zu gelangen. Zurück an seinen Schlüpfort – oder andere ihm geeignet erscheinende Plätze ausspähend. Hier macht er sich laut rufend auf die Suche nach einem Weibchen. Mitunter vergeblich. 2020 beobachtete Gläßel einen unglücklichen Rufer am Rande des Würzburger Stadtgebiets. Anfang Mai startete er seine Lockrufaktion auf Bäumen und Hausdächern und durchstreifte bei seiner wochenlangen Suche nach einer weiblichen Antwort schließlich ein Areal von circa 140 Hektar. „Andere geben eher auf“, weiß Gläßel. Aber es gibt eben auch Hartnäckige. Dieser Wiedehopf hielt zwei Monate durch, vermutlich, weil ein Trugbild seine Hoffnung speiste: Er wurde mehrfach an Fensterscheiben beobachtet, wie er mit erregt aufgestellter Federhaube sein Spiegelbild anbalzte.
Dämonischer Abwehrgestank
Glücklich verpaart, „ist er sehr heimlich“, so Gläßel, denn zwischen Mai und Juni ist die heikle Aufzuchtzeit. Bis diese abgeschlossen ist, verhält sich der Vogel unauffällig, um der Aufmerksamkeit von Freßfeinden zu entgehen. Macht sich aber ein Marder an einer besetzten Nisthöhle zu schaffen, starten die kleinen Wiedehöpfe einen heftigen Angriff auf die Sinne: Sie spritzen ihren Darminhalt zusammen mit einem bestialisch stinkenden Sekret aus der Bürzeldrüse punktgenau dem Eindringling entgegen, häufig mit dem erwünschten Erfolg. Diese Abwehrstrategie hat dem Vogel im Volksmund den Namen Stinkhahn eingebracht – und in früheren, von Aberglauben durchtränkten Zeiten gar den Ruf, er sei unzüchtig und mit Dämonen im Bunde. Markus Gläßel jedenfalls hat in all den Jahren noch nie ein stinkendes Wiedehopfnest angetroffen – was vermutlich mit seinem diskreten Verhalten im Brutrevier zusammenhängt. Er legt ein solches allen ans Herz, die einen Wiedehopf beobachten können. „Er ist ein sehr sensibles Tier und merkt sich die Störungen am Brutplatz.“ Ein solcher bleibt im folgenden Jahr verwaist.