Ausgabe Juli / August 2024 | Fränkische Profile

Ein Jugendtraum geht in die Luft

Seit bald vierzig Jahren fliegt und pflegt Johannes Fischer seine „Piper PA-19 Cub“ – eine Sehenswürdigkeit auf dem Flugplatz Würzburg-Schenkenturm.

Text: Markus Mauritz | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Seit bald vierzig Jahren fliegt und pflegt Johannes Fischer seine „Piper PA-19 Cub“.

Dem Himmel so nah, während die Stadt sich unten ins Maintal duckt. Richtung Süden – wie auf Augenhöhe – erkennt man in der Ferne die Festung Marienberg. Das ist die Welt, vom Flugplatz Würzburg-Schenkenturm aus betrachtet. Seit 1954 wird hier gestartet und gelandet. Erst waren es die Flugzeuge der US-Army, ab 1965 durften auch zivile Piloten das Airfield nutzen, und seit 2001 ist der Flugsport-Club Würzburg Besitzer und Betreiber des Verkehrslandeplatzes mit Tower und Tankstelle, Vereinsheim und vier geräumigen Hangars.

Eine der Hallen am unteren Ende der Rollbahn steht weit offen. Vor das Tor hat jemand einen bananengelben Flieger geschoben. Nicht mehr ganz neu. Das erkennt man sofort, auch wenn an dem Flugzeug alles blitzt und glänzt. Die Maschine erinnert ein bißchen an die Fluggeräte draufgängerischer Buschpiloten in alten Hollywood-Filmen. Die Tragflächen befinden sich über der Pilotenkanzel, so daß hoch oben in den Lüften nichts die Sicht nach unten verstellt. Die Flügel des Hochdeckers sind mit jeweils zwei Streben auf jeder Seite mit dem Rumpf verbunden. Das Fahrgestell steht auf zwei kleinen Gummirädern kaum größer als die eines Vespa-Rollers. Auf dem Seitenruder pappt ein rotes Schildchen mit einem freundlichen Teddybären und der Aufschrift: „Piper Aircraft Corp. Lock Haven PA, U.S.A.“

Geht eben doch

Die „Piper PA-19 Cub“ ist ein luftfahrtgeschichtlicher Klassiker, und Johannes Fischer, der heutige Besitzer, hat schon als kleiner Junge vom Fliegen geträumt. Damals habe es ihm aber sein Vater verboten, erinnert sich der emeritierte Psychologie-Professor. „Der war während des Krieges bei der Luftwaffe, und daher wußte er wohl genau, warum.“ Der Traum vom Fliegen erwies sich aber als standhafter als die väterlichen Ermahnungen. Daran denke er heute gelegentlich, wenn er über seinen Heimatort im Landkreis Kitzingen fliege.

„Geht nicht – Geht nicht!“ So der Titel eines der Bücher, die Johannes Fischer als Wissenschaftler an der Hochschule Darmstadt geschrieben hat. Auch wenn es in dieser Publikation um erfolgreiches Managen von Veränderungen geht, könnte man die Überschrift als Programmsatz im Leben des passionierten Fliegers begreifen. 1976, mit dreißig Jahren, begann er eine Ausbildung zum Segelflieger, 1977 trat er dem Flugsport-Club Würzburg bei, 1982 erwarb er den „PPL“, die Privatpilotenlizenz, mit der man die meisten einmotorigen Flugzeuge steuern darf, und 1986 kaufte er gemeinsam mit drei Freunden jene „Piper PA-19 Cub“, die heute zu den Sehenswürdigkeiten auf dem Flugplatz Würzburg-Schenkenturm gehört.

Die Miteigentümer dieses aerostatischen Schmuckstücks haben in den zurückliegenden knapp vierzig Jahren mehrmals gewechselt, nur Johannes Fischer hat seiner Piper stets die Treue gehalten – und ist vielleicht deshalb auch jung geblieben: Jeans, Polohemd, Sneakers mit blauen Schnürsenkeln, optisch stellt man sich einen Professor anders vor. Einen Flug-Enthusiasten allerdings nicht. Es sei die „dritte Dimension, in der man sich als Pilot orientieren muß“, antwortet er auf die Frage, was den Reiz an der Fliegerei ausmache. Und natürlich die Schönheit der Welt, wenn man sie von oben betrachte. „Wie von einem Logenplatz!“

Johannes Fischer hat aber auch ein Faible für Technik. Sagt er. Das Cockpit in der Pilotenkanzel ist so gesehen ein bißchen enttäuschend: Es gibt einen Höhenmesser, eine Fluggeschwindigkeitsanzeige, einen Fühler für den Öldruck, eine Anzeige für die Zylinderkopftemperatur und einen Drehzahlmesser. Neu eingebaut wurden irgendwann Funkgerät und GPS.

Körperlich fit muß man sein, um die Piper fliegen zu können.
Körperlich fit muß man sein, um die Piper fliegen zu können.

Platz nur für einen Passagier

Gesteuert wird mit zwei Pedalen und einem Knüppel, den der Pilot vor seinem Sitz zwischen den Knien hat. Platz bietet der Flieger nur für einen Passagier, der hinter dem Piloten sitzt. Die Firma „Piper Aircraft“ wurde 1927 in den USA gegründet. Von Anfang an ging es darum, einfach zu fliegende und preisgünstige Flugzeuge zu bauen. Nachdem die ursprüngliche Fabrikanlage abgebrannt war, bezog „Piper Aircraft“ 1937 eine leerstehende Textilfabrik in Lock Haven, Pennsylvania. Ab dann nannte sich die Firma „Piper Aircraft Corporation“. Während des Zweiten Weltkriegs kam die „Piper Cub“ als Schulflugzeug für angehende US-Piloten auf den Markt – und begründete ihren Ruf als fliegende Kiste. Bis 1954 waren alle Piper-Flugzeuge in Gemischtbauweise mit stoffbespannten Stahlrohrrümpfen ausgeführt, so wie auch die 1951 gebaute Maschine von Johannes Fischer. „Die Stahlrohre sind mit Wachs verfüllt, um eine Korrosion zu verhindern“, erläutert er. „Rumpf und Tragflächen sind mit Cegonite bespannt. Das gibt ihnen diese spezielle Festigkeit.“ Spätere Piper-Flugzeuge wurden dann in selbsttragender Leichtmetallbauweise gefertigt – das tat dem Mythos aber keinen Abbruch.

Mitte der 1980er Jahre stellte die Firma den Flugzeugbau vorübergehend ein, bis sie 1995 als „New Piper Aircraft“ die Produktion erneut aufnahm. Seit 2006 firmiert das Unternehmen wieder unter seinem Traditionsnamen „Piper Aircraft“. Allerdings gehört dieses uramerikanische Traditionsunternehmen seit 2009 einem Investor aus dem Königreich Brunei.

Jeder Flug eine Befreiung

So bewegt wie die Piper’sche Firmengeschichte sind auch die wechselnden Eigentumsverhältnisse von Johannes Fischers „Piper PA-19 Cub“. Ihre ersten knapp zwanzig Jahre stand die Maschine von 1951 bis 1970 in den Diensten der belgischen Luftwaffe. Dann kaufte sie ein Privatmann aus dem badenwürttembergischen Inneringen. Mit dem Abschied von der militärischen Verwendung erhielt der Flieger statt des NATO-oliven Anstrichs einen zivilen Farbauftrag. Ein paar Jahre später übernahm ein Fotograf aus Marbach, der sich auf Luftbildaufnahmen spezialisiert hatte, die Piper PA-19 Cub. Ihm kam zupaß, daß die „Aerodynamik der Piper nichts für hohe Geschwindigkeiten ist“, wie Johannes Fischer erzählt. Zudem habe man damals die Luftbilder meist freihändig aufgenommen. Mit dem Steuerknüppel zwischen den Knien habe der Pilot beide Hände zum Fotografieren freigehabt.

1986 kam die Piper schließlich in den Besitz der unterfränkischen Flug-Freunde. Am 1. August 1986 startete Johannes Fischer mit der Neuerwerbung zu seinem ersten Alleinflug, auch wenn damals noch einige kleinere Reparaturen an der Maschine anstanden. Was es für ein Genuß gewesen sein muß, in den damals noch relativ wenig reglementierten Luftraum des unterfränkischen Himmels zu starten und über das Taubertal oder die Weinberge entlang des Mains zu fliegen, kann man heute noch erahnen, wenn man Johannes Fischer erzählen hört. „Jeder Flug war für mich eine Art von Befreiung“, sagt er.

„Guten Flug“…

Bei den Rundflügen über die nähere Umgebung blieb es freilich nicht. 1994 startete Johannes Fischer mit einem Freund zu einem „Ausflug“ an die Ostsee, 1997 stand das slowenische Portorož auf dem Flugplan, und im Juli 2001 landete Johannes Fischer nach einer Flugzeit von weniger als drei Stunden auf dem inzwischen geschlossenen Flughafen Berlin-Tempelhof, den während der Berlin-Blockade die Alliierten nutzten, um die Stadt zu versorgen.

Die Geschichte seiner „Piper ­PA-19 Cub“ sei gewissermaßen auch ein Teil seines eigenen Lebens, sinniert Johannes Fischer, während auf der Startbahn vor dem Hangar ein Segelflieger in die Luft geschleppt wird. Vielleicht denkt er in diesem Augenblick daran zurück, daß seine Fliegerlaufbahn ursprünglich auch mit der Segelfliegerei begann. Laut sagt er, der Abschied von seiner einmaligen Maschine werde ihm eines Tages sehr, sehr schwerfallen. Sie sei ihm immer ein vertrauter „Companion“ gewesen: „Wir waren uns mehr als nur nahe“, sagt er. Aber bis zum Abschiednehmen ist noch eine Weile hin. Noch ist man am Schenkenturm dem Himmel so nah, noch duckt sich die Stadt ins Maintal. Noch gilt, was auf einem etwas lädierten Schild am Ende der Rollbahn steht: „Guten Flug. Auf Wiedersehen in Würzburg.“

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