Die Zukunft hat schon (a weng) begonnen
Was für ein Wahlkampf! Hinter uns liegen endlose, oft ermüdende Debatten der verschiedenen Parteien. Alle, bis auf unverbesserliche Klimaleugner, haben sich für die nächsten vier Jahre nichts Geringeres vorgenommen als die Erde zu retten. Ab jetzt, sofort.
Text: Gunda Krüdener-Ackermann | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Ein hehres Ziel, wenn man mal von dem Gefeilsche um zu reduzierende CO2 Mengen, und angepeilte Fristen absieht: – Kohleausstieg 2038? Klimaneutral 2050? Ob das reichen wird? Und was ist mit den Arbeitsplätzen? Mit denen im Braunkohletagebau zum Beispiel? Trotz allem ist eine Erderwärmung von 1,5 Grad unvermeidbar. Das allerdings nur, wenn innerhalb der nächsten drei Jahren die sog. globale Transformation stattgefunden hat. Viele Experten befürchten hingegen einen weit höheren Temperaturanstieg. Unstrittig ist, daß der Meeresspiegel steigen wird. Manche Stadt an der Küste und manche Insel ist damit dem Untergang geweiht. Aber vielleicht könnte Tempolimit 130 helfen? Damit ließe sich gleich morgen beginnen! Auch da gehen jedoch die Meinungen auseinander, wie effektiv eine solche Maßnahme sein könnte.
Was uns, den Verbrauchern, angesichts der bedrohlich auf uns zurollenden Klimakatastrophe offensichtlich nicht gesagt werden kann, sind ehrliche Worte zu schmerzlichen Zumutungen von Umdenken und Verzicht. Weit angenehmer ist es da, in Zukunftsvisionen zu schwelgen, deren Realisation man sich zeitnah von findigen Ingenieuren und Wissenschaftlern erhofft. Die Lösungen könnten heißen: Carbon Capture Storage, Carbon Dioxide Removal, also etwa das gigantische Absaugen von CO2 aus der Luft, das dann in der Erde oder im Meer vergraben wird. Dazu riesige Sonnensegel im Weltraum, die das Klima nach unserem gusto gestalten. Wolken werden mit Meerwasser aufgespritzt und befeuchten die Erde nach Bedarf. All das zweifellos verführerische Ideen, die bald beweisen müssen, wie praxistauglich sie sind.
Thema Lichtverschmutzung
Daß uns die Technik bei unseren so vielfältigen Umweltproblemen (denn das Klima und die CO2-Reduktion ist schließlich beileibe nicht unsere einzige Sorge) helfen kann, ja muss, ist in jedem Fall unbestritten. Im Moment passiert das schon, quasi fast unbemerkt in sanften Dosen nach dem Motto „Small is beautiful“. Das heißt, es sind derzeit vor allem die kleinen regional-terrestrischen und weniger die gigantomanisch-galaktischen Schritte, die uns ein Stück in die richtige Richtung bringen. Zugegeben, zunächst doch noch zuweilen recht bescheiden, aber hoffentlich mit Vorbildcharakter für baldige flächendeckende und damit wirkmächtige Veränderungen.
Wie solche Maßnahmen derzeit in Franken ausschauen, das kann man von Markus Prokopczuk, dem Kundenmanager der N-Ergie im Landkreis Ansbach, an fünf ausgewählten Beispielen erfahren.
So gilt es etwa, das Thema Lichtverschmutzung anzupacken. Klingt nebensächlich, ist es aber nicht. Nahezu die Hälfte aller Insekten ist nachtaktiv. Normalerweise ist es das dezente Licht von Mond und Sternen, das für deren Orientierung sorgt. Gleißend helle Schaufenster- oder die ach so stimmungsvolle Gartenbeleuchtung bringen Nachtfalter und Konsorten völlig aus dem Konzept, liefern sie schutzlos Freßfeinden aus, um nur eine der vielen lichtbedingten Gefahren zu nennen. Daß und wieso Insekten unverzichtbar sind, dürfte zwischenzeitlich hinreichend bekannt sein. 75 % dieser Biomasse sind uns schon „abhanden“ gekommen. Am mittelfränkischen Hesselberg packt man das Problem mit einem neuen Modell von Straßenleuchte an. Schließlich müssen Wege, die bei Dunkelheit kaum frequentiert sind, nicht pausenlos beleuchtet sein. Sondern nur nach Bedarf, via Bewegungsmelder. So wie der entlang des dortigen Kindergartenneubaus.
Neuer Treibstoff
In Herrieden wiederum steht aktuell die kommunale Elektromobilität im besonderen Fokus. Um sich von Verbrennungsmotoren zu verabschieden, braucht es eine benutzerfreundliche Lade-Infrastruktur für Elektro-Autos. Das bedeutet leicht erreichbare, jederzeit verfügbare Frontladestationen, mit denen man vor Ort zunächst einmal das Dienstfahrzeug bequem für den sechs- bis achtstündigen Arbeitseinsatz mit Strom auftanken kann. Damit das reibungslos klappt, legen sich Markus Prokopczuk und Andreas Baumgärtner, Zweiter Bürgermeister, ordentlich ins Zeug. Denn auch für die Privat-PKWs der Mitarbeiter oder für Gäste im Rathaus soll dieses niederschwellige Angebot gegen Gebühr jederzeit nutzbar sein. Es wird vor allem die leichte Verfügbarkeit des „neuen Treibstoffs“ sein, mit der Vorbehalte gegenüber Elektromobilität abgebaut werden können.
Neubau-Gebiete! Zwischenzeitlich mit Blick auf den dadurch drohenden Flächenfraß ein eher delikates Thema. Dazu sind so beliebte Gartengestaltungen wie Schotterbeete und ähnliches in Verruf geraten, ja vielerorts bereits verboten. Der Traum vom Eigenheim scheint bislang jedoch immer noch eine win-win-Situation zu sein. Vermehrter Zuzug bedeutet für Gemeinden erhöhte Steuereinnahmen und für die Neubürger den ganz privaten Sehnsuchtsort. Angedacht ist von der großen Klimapolitik derzeit, alle Dächer, insbesondere die der Neubauten, verpflichtend mit Solarzellen auszustatten. Nachdem bundesdeutsche Bürokratiemühlen sich bekanntlich recht gemächlich drehen, gilt es für Kommunen, zeitnah selbst aktiv zu werden. So wie in Merkendorfs Neubaugebiet. Noch bevor nach Vorgabe der druckfrischen Baupläne gebaggert und gemauert wird, packt Bürgermeister Bach hier zusammen mit Markus Prokopczuk die Erdgas- und Stromerschließung der Zukunft an. Umweltfreundliche Lösungen sind angesagt, die mit den aktuellen Leitungsverlegungen und Anschlußverdichtungen bereits den Strom- und Gasbedarf zukünftiger Generationen mit bedenken.
Wenn es in Zukunft brennt, dann anders
Die Energiewende bringt aber auch ganz neue Probleme mit sich, die es quasi im Nachgang zu lösen gilt. Wenn es in Zukunft brennt, dann wird es mit erneuerbarer Energie nämlich oft anders brennen. In dieser besonderen Art von Brandbekämpfung wird derzeit die Freiwillige Feuerwehr Bechhofens intensiv geschult – mit Unterrichtseinheiten, Anschauungs- und Info-Material der N-Ergie. Immer schon mußte die Zusammenarbeit zwischen regionalem Stromanbieter und Feuerwehren eng sein. Bei Gasaustritten etwa oder bei Unfällen, an denen Stromverteilerkästen beteiligt waren. Neu ist, daß Fotovoltaikanlagen oder Biogasanlagen und vor allem die Batterien von Elektroautos ein ganz anderes Brandverhalten haben. Wurde etwa bislang brennendem Treibstoff durch Löschschaum der Sauerstoff entzogen, springt beim Brand von Elektroautos der Funken von einer Teilzelle der Batterie zur nächsten, ja kann auch die Löschenden gefährden. Angesagt ist daher gekonntes langsames Abkühlen des Akkus. Damit auch in Streßsituationen schnell die jeweils richtige Maßnahme ergriffen wird, haben die Feuerwehrmänner jetzt ein kleines Ringbuch in der Hosentasche. Ja, altmodisch analog, farbig unterschieden mit je drei Stichworten zur Orientierung ad hoc. Eine Handy-App mit dicken Schutzhandschuhen bedienen, das geht nun mal nicht. Kundenbindung, Sensibilisierung und Offenheit für die Energiewende, das muß nicht immer nur trockene Info mit erhobenem Zeigefinger sein. Der beste Beweis dafür die Open-Air-Kinotour der N-Ergie. Kürzlich erst sorgte der Film „Weißbier im Blut“ mit eigenwillig-niederbayerischen Mordermittlungen für gute Stimmung in Dentlein am Forst. Kundenpflege mit dem kauzig-trinkfreudigen Kommissar Kreuzeder (Sigi Zimmerschmid) und der resoluten Kellnerin Gerda (Luise Kinseher), das kann gut klappen. Davon ist auch der Erste Bürgermeister Thomas Beck überzeugt.
All diese Maßnahmen der N-Ergie, können sicher nur ein kleiner Beitrag, um mit Experten zu sprechen – zur Intended Nationally Determined Contribution sein. Oder einfacher ausgedrückt, damit kann die Bundesrepublik noch längst nicht ihre im Pariser Klimaabkommen vereinbarten nationalen Klimaschutzziele erreichen. Aber a weng was bewegt sich und Veränderung beginnt immer erst im Kleinen. Christen können sich hier mit dem Gleichnis vom Senfkorn behelfen. Unterschied allerdings: 2000 Jahre bleiben nicht mehr, um Kleines groß werden zu lassen.