Ausgabe Juli / August 2009 | Adel

Die fast ganz glückliche Herrscherin

Wilhelmine von Bayreuths Wirken auf den Gebieten der Architektur und der Gartenkunst

Text: Sabine Kulenkampff | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Szene aus Wilhelmines Oper „Argenore“
Wilhelmine von Bayreuth

Aus Anlaß des 250. Todestages der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth brachte das Franken-Magazin in der Ausgabe September/Oktober 2009  einen Abriß der Biographie der älteren Schwester Friedrichs des Großen. Hier soll nun, wie bereits angekündigt, zum 300. Geburtstag am 03. Juli 2009, das Wirken Wilhelmines auf den Gebieten der Architektur und der Gartenkunst gewürdigt werden. Zwischen den beiden Polen des sogenannten Bayreuther Doppeljubiläums, dem Geburts- und Sterbetag der Markgräfin, konnten sich monatelang Interessierte durch eine Fülle von Veranstaltungen mit Leben und Werk der preußischen Prinzessin vertraut machen, zum Beispiel auch mit deren Schaffen auf musikalischem Gebiet. Weit über die Grenzen Frankens hinaus fand eine Aufführung der von Wilhelmine komponierten Oper „Argenore“ Beachtung, die vom Verein Musica Bayreuth in Form eines Dîner-Spectacle im Markgräflichen Opernhaus zur Aufführung kam. Wie zu Wilhelmines Zeiten im Parkett an festlichen Tafeln essend und trinkend, konnten die Besucher die zarte Rokokomusik hören und in der Geschichte des grausamen Königs Argenore die traurige Kindheitsgeschichte der Geschwister Wilhelmine und Friedrich und deren Leiden unter dem tyrannischen Vater Friedrich I. durchschimmern sehen. Enthusiastisch lobte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 13.05.2009: „Dass es vor Wagner ein anderes, zauberhaftes Bayreuth gegeben hat und daß es neben Wagner weiterhin ein anderes Bayreuth geben muß – nicht zuletzt daran ist mit diesem einmaligen Spektakel erinnert worden. Vielleicht hilft Wilhelmine der Stadt ja, aus dem lastenden Schatten des grünen Hügels wieder ins Licht zu kommen.“

Wilhelmine als Dienerin des Staates

Eremitage

Wilhelmine

Dabei konnte zumindest das Grün des Festspielhügels nie mit Wilhelmines Gärten konkurrieren. Die bis heute schönste dieser Anlagen war ein zweifaches Geburtstagsgeschenk an Wilhelmine: Die Eremitage. 1731, sie wurde also 22 und war seit November mit dem Erbprinzen von Bayreuth verheiratet, schenkte ihr Schwiegervater ihr ein Schlößchen in der Nähe des dortigen Alten Schlosses. Bei seinem Anblick rief Wilhelmine angeblich: „Ah – ce serait mon plaisir!“ Und so wird das entzückende, recht einfache Gebäude bis heute Monplaisir genannt. Das Erbprinzenpaar hatte dort seine Sommerresidenz. Nach dem Tod des alten Markgrafen Georg Friedrich Karl machte der nunmehr regierende Friedrich seiner Gattin die gesamte Eremitage zum Geschenk und stattete sie mit den zum Ausbau nötigen Mitteln aus. Sofort machte sich Wilhelmine daran, die Anlage und die Wege dort hinaus nach ihrem Geschmack zu verändern und ihr Wunsch, in Bayreuth solle ein kleiner Himmel auf Erden entstehen, begann Gestalt anzunehmen. Zur Zeit des alten Markgrafen war das Eremitenspiel sehr puritanisch-streng betrieben worden. Die Familienangehörigen und die Gäste mußten schweigend in kleinen Holzhäuschen im Wald ihre Tage zubringen, Kutten tragen und auf ein Glockenzeichen des Markgrafen hin im Alten Schloß Eremitage zur Einnahme eines bescheidenen Mahles mit Holzlöffeln zusammenkommen. Unter der Regentschaft von Friedrich und Wilhelmine wurde der Spielcharakter des Eremitendaseins betont. Die „Einsiedler“ hielten zwar Einkehr, besuchten sich jedoch gegenseitig zu geistigem Austausch und zumeist endete der Tag mit einem Ball im Alten Schloß. Dieses war von Wilhelmine durch Ausbau des Nordflügels wesentlich erweitert worden. In der Ausstattung der Innenräume wurde erstmals sichtbar, wie sich die Markgräfin, die sich in Franken, fern der kultivierten preußischen Hofwelt, wie im Exil fühlte, in einer Folge von Selbstallegorisierungen zur selbstlosen, sich opfernden Herrscherin stilisierte[1]. Schon im Vorzimmer des Markgräfinnenflügels zeigen die Deckengemälde von Wilhelm Ernst Wunder römische Frauen, die, nach Livius, die Stadt vor Plünderung bewahrten, indem sie all ihr Hab und Gut an den Feind auslieferten. Im Audienzzimmer Wilhelmines folgen Darstellungen der Geschichte von Chilonis und Kleombrotos – Chilonis wird mit Wilhelmines Hündchen Folichon zu Füssen dargestellt. Durch beide Bildprogramme wird deutlich: Wilhelmine sieht sich, wie ihr Bruder Friedrich II., als Dienerin des Staates, die demütig  zwangsverheiratet mit ihrem Mann in die Verbannung geht, um die Tugenden einer guten Herrscherin zu erfüllen. Doch nicht Trauer folgt aus diesem Opfer: Im nächsten Raum, dem Japanischen Kabinett, lächelt Wilhelmine selbst als chinesische Patronin irdischen Glücks von der Decke. Das kostbare Lackzimmer soll Bayreuth, dem Zeitgeschmack entsprechend, als asiatischen Idealhof darstellen, ein irdisches Paradies aus der Hand des Markgrafenpaares Friedrich und Wilhelmine. Neben dem kostbaren Musikzimmer, einem Ort der Harmonie, ist vor allem das Chinesische Spiegelkabinett sehenswert. Viel wurde über die unregelmäßigen, für die symmetrieverliebte Zeit ganz ungewöhnlichen Spiegelstücke an den Wänden gerätselt und geschrieben. Dieser intimste Bereich des Schlosses mit seiner ans Fragmentarische erinnernden Ausstattung sollte vermutlich ein Gegenbild zur streng geordneten Hofsphäre darstellen, einer distanzschaffenden Naturvorstellung Raum geben. Hier schrieb Wilhelmine einen Teil ihrer Memoiren. Wer im Jubeljahr nach Bayreuth kommt, um die Stätten des Lebens Wilhelmines zu besuchen, wird jedoch bitter enttäuscht: Ausgerechnet diese interessanten Räume der Eremitage sind ebenso wie das Ruinentheater daselbst zur Zeit wegen schon Jahre andauernder Renovierungsarbeiten nicht zugänglich, ein Timing, das für Wilhelminenpilger nur schwer verständlich ist. Zu sehen ist immerhin das Neue Schloß Eremitage mit seinem Sonnentempel, den beiden Orangerien und dem Bassin. Hier wird Markgraf Friedrich als Sonnengott Apoll inszeniert, als das Element des Feuers, dem das Wasser des Bassins, die Vögel als das Element der Luft und die aus der Erde wachsenden exotischen Pflanzen zur Darstellung der Welt im Kleinen zugeordnet sind. Der Schloßpark Eremitage enthält außerdem mehr künstliche Ruinen und repräsentative Staffagebauten ( z. B. das Ruinentheater, die Grotte, zahlreiche Höhlen und künstliche Hügel) als irgendein anderer Garten in Deutschland. Hierin, wie auch im Abweichen von der im Barock üblichen zentralen Ausrichtung der Gartenachsen auf das Schloß hin, besteht die einzigartige Besonderheit der Eremitage nach ihrer Umgestaltung durch Wilhelmine von Bayreuth. Der zum Neuen Schloß in Bayreuth gehörige Hofgarten bleibt weit hinter dieser Anlage zurück. Dennoch ist er sehenswert und unbedingt sei dem Interessierten empfohlen, Wilhelmines Prunkräume im neuen Schloß, insbesondere den Palmensaal und das dortige Spiegelscherbenkabinett, zu besichtigen. Das Programm der Gestaltung der Markgräfin, sich selbst und das eigene Leben in Kunst und Architektur zu verschlüsseln und sich als edle und glückliche Herrscherin darzustellen wird dort fortgeführt.

Die Natur war selbst die Baumeisterin

Im Park der Eremitage

In die internationale Geschichtsschreibung der Gartenkunst ist der vom Markgrafenehepaar von 1744 – 1748 angelegte Felsengarten Sanspareil eingegangen. Der Legende nach war Friedrich in der Nähe der mittelalterlichen Burg Zwernitz zur Jagd unterwegs, als er die bizarren Tuffsteinfelsen im Wald erblickte. „Ah, c´est sans pareil!“ soll ein Mitglied des Hofstaates ausgerufen haben, und so, ohnegleichen, ist Sanspareil[2] auch wirklich. Anders als die Felsengärten des Manierismus – wie etwa Bomarzo bei Viterbo – wurden die Felsen nicht behauen, sondern in ihrer ursprünglichen Form belassen. Es handelt sich aber auch nicht um einen Landschaftsgarten im eigentlichen Sinne, da es an künstlichen Wasserläufen und willkürlicher Bepflanzung fehlt. Diesen Garten planten Friedrich und Wilhelmine nicht zusammen, sondern nebeneinanderher – in dieser Phase ihrer Ehe war es nämlich so, daß der Markgraf sich seiner Mätresse, Wilhelmine von der Marwitz, zugewendet hatte. Sein Anteil an Sanspareil beschränkte sich auf die Gestaltung des angelegten, strengen Barockgartens und des Morgenländischen Baus, ein mit Glasflüssen und Tuffstein verziertes Schlößchen mit dem damals üblichen, pagodenähnlich geschwungenem Dach einer frei phantasierenden Chinoiserie. Leider ist das einstmals so phantasievolle Gebäude heute durch ein plumpes Dach verunziert und wenig beeindruckend. Wilhelmine dagegen lies auf die Felsen des Gartens einige exotische Häuschen, Rückzugsorte im Sinne des ernsthaften Eremitenspiels, errichten. Nur auf Kupferstichen sind diese Gebäude, die z. B. auf dem sogenannten Aeolusfelsen und dem Belvedere gebaut waren, heute noch zu sehen. Erhalten blieb das Felsentheater an der sogenannten Kalypsogrotte. Es wurde 1746 von Wilhelmines Hofarchitekten Joseph Saint-Pierre eingerichtet, mit vier aus grobem Stein gemauerten Kulissen, die als künstliche Ruinen gestaltet und dem Felsen der Grotte eingefügt sind. „Die Natur selbst war die Baumeisterin“ – so schrieb Wilhelmine ihrem Bruder Friedrich II. Wilhelmine selbst deutete die Felsen und Landschaft in Sanspareil ihrer damaligen Lebenssituation gemäß als Stationen der Geschichte von Telemach, dem Sohn des Odysseus, wie sie in zeitgenössischen Romanen von Fénelon und Marivaux adaptiert worden war. Wilhelmine selbst sah sich als Kalypso, der englische Kronprinz war Odysseus. Kalypso bekommt statt Odysseus Telemach – den Markgrafen Friedrich – doch dieser wendet sich der Nymphe Eucharis – der Mätresse Wilhelmine von der Marwitz  – zu. Kalypso bleibt der Rückzug in ihren Hain, in ihre Grotte und das Theater…

Sanspareil – Auf der Bühne des Felsengartens finden regelmäßig Theateraufführungen statt.

Doch das Leben ging weiter, die Marwitz wurde verheiratet und gemeinsam gestalteten Friedrich und Wilhelmine noch zahlreiche Gebäude und Anlagen – erwähnt sei hier nur noch das bereits genannte Markgräfliche Opernhaus. Schon 1743 begann das Markgrafenpaar über den Bau eines Opernhauses nachzudenken, denn die vorhandenen Spielstätten entsprachen nicht ihren repräsentativen und musikalischen Ansprüchen. Eines der glänzendsten Opernhäuser Europas sollte in Bayreuth entstehen! Wilhelmine schrieb an ihren Bruder und bat ihn um die Baupläne seiner Oper Unter den Linden, welche sie für ihre kleine Residenzstadt übernehmen wollte. Doch sie entschied sich dann für einen eigenen Weg. Joseph Saint-Pierre wurde beauftragt, das außen im strengem französisch–barockem Stil gestaltete Gebäude zu bauen.

Diner-Spectacle im Markgräflichen Operhaus in Bayreuth – möglicherweise interessierte sich auch jemand für das Bühnengeschehen.

Die Gestaltung des Innenraumes wurde von Giuseppe Galli Bibiena und seinem Sohn Carlo übernommen. Galli Bibiena, der berühmteste  Theaterarchitekt seiner Zeit, gestaltete alles im überschwenglich prunkvollen Stil seiner italienischen Heimat. Alles im Zuschauerraum war auf das Markgrafenpaar in seiner Loge hin ausgerichtet – sein Eintreten in den Raum der Kunst war das vordringliche Spektakel, auf das es noch vor den Opernaufführungen ankam. Eingeweiht wurde der Musentempel nach vierjähriger Bauzeit aus Anlaß der Hochzeit von Friederike Sophie, der einzigen Tochter Wilhelmines und Friedrichs, mit dem Herzog von Württemberg – mit einer Opernaufführung und einem Festmahl!

 

[1] In einer großen Anzahl von Schriften und Büchern wurde dies immer wieder von Peter O. Krückmann, dem  Direktor der Bayrischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, dargestellt. Hier: Ders., „Kaiser, Herzöge und Markgrafen in Franken, München u.a. 2003.

[2] Hierzu: Andrea Kluxen: Die Ruinentheater der Wilhelmine von Bayreuth, Erlangen 1983.

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