Ausgabe Juli / August 2020 | Stadt-Land-Fluß

Der Wolkenkratzer am Plärrer

Es gehört zweifellos zu den Wahrzeichen Nürnbergs, und man wollte es belassen, wie es war – nur sanieren und erneuern. Das ist gelungen.

Text: Silke Weiß | Fotos: Privat .

„Das sieht ja noch genauso aus wie vorher!“ Viele Passanten zucken beim Blick auf die hellgelbe Fassade des Hochhauses am Nürnberger Plärrer mit den Schultern und wundern sich. Zugegeben, das markante 15stöckige Gebäude sieht von außen wirklich aus wie vor seiner rund drei Jahre dauernden Kernsanierung mit Baukosten in Höhe von 50 Mio. Euro.

Aber der Blick ins Innere des 1953 erbauten Hochhauses zeigt, daß es nicht um bloße Wiederherstellung des Bisherigen auf technisch neuem Stand ging. Anlaß für die Sanierung war der Brandschutz und die Erneuerung der Versorgungstechnik. Dabei ist es gelungen, den Charme der 1950er Jahre mit der Gegenwart zu verschmelzen. Und zwar immer im Einklang mit dem Denkmalschutz, unter dem das Hochhaus seit 1988 steht. Rund 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Städtischen Werke mit ihren Töchtern N-ERGIE und VAG arbeiten seit Herbst 2019 an zukunftsorientierten Arbeitsplätzen, die Raum für Konzentration, Kommunikation, Kreativität und Zusammenarbeit lassen.

Der Wolkenkratzer am Plärrer heute …

Symbol für den Wiederaufbau

Die Zukunft spielte bereits beim Bau des Hochhauses eine wichtige Rolle. Schon die Nationalsozialisten wollten an der Kreuzung der beiden Fürther Straßen ein Hochhaus bauen. Ein Plan zur Neugestaltung der „Stadt der Reichsparteitage“ von 1939 sah ein massiges, trutzig wirkendes Gebäude mit Walmdach vor. Der Bau wurde allerdings nie ausgeführt. Der Zweite Weltkrieg kam dazwischen und hinterließ im Stadtbild tiefe Spuren. Der neue Plan der Stadt sah ein modernes Hochhaus an einem der zentralsten Plätze Nürnbergs vor. Dieser „Wolkenkratzer“ am Plärrer war für die Bevölkerung ein hoffnungsvolles Zeichen des Neubeginns und gilt noch heute als ein Symbol für den Wiederaufbau. Architekt des harmonischen und wohlproportionierten Gebäudes war Wilhelm Schlegtendal, der in Nürnberg zum Beispiel die Schulen an der Saarbrücker und an der Oedenberger Straße gestaltete.

Einerseits war das 56 Meter hohe Plärrer-Hochhaus, das in Stahlbeton-Skelettbauweise im Stil der „Demokratischen Moderne“ erbaut wurde, zweckmäßig und funktional, andererseits aber durchaus repräsentativ. Denn im Innern finden sich bis heute zahlreiche Werke namhafter regionaler Künstler wie Hans Krieg, Gudrun Kunstmann, Jobst Kuch oder Kurt Busch sowie architektonische Highlights. Dazu zählen etwa das große, lichtdurchflutete Foyer mit seiner geschwungenen Treppe oder die sogenannte Teestube im obersten Stockwerk, die auf Augenhöhe mit der Burg einen atemberaubenden Rundumblick über die Stadt bietet und besonderen Anlässen vorbehalten ist.

Dem historischen Vorbild getreu

Bei der Kernsanierung des Gebäudes ging es sprichwörtlich ans „Eingemachte“: 38 Gewerke aus 44 Unternehmen waren auf der Baustelle. In mehr als 35 000 Arbeitsstunden verlegten die Arbeiter unter anderem 400 Kilometer Kabel, 1 750 Meter Bewässerungsrohre, 4 700 Meter Heizungsrohre und 8 500 Quadratmeter Bodenbeläge. Knapp 13 000 Quadratmeter Betondecken wurden sandgestrahlt, Schadstellen ausgebessert, mit Spritzbeton überdeckt und verstärkt.

… und einst, in den unmittelbaren Nachkriegsjahren.

Darüber hinaus standen zahlreiche energetische Maßnahmen auf dem Plan. So wurden etwa 1 060 zweifach-schallgeschützte Schwingflügelfenster mit innenliegendem Sonnenschutz eingebaut. Das Fensterkonzept griff die ursprüngliche Gestaltungsidee von Wilhelm Schlegtendal auf. Wie damals lassen sich die Schwingflügel manuell nach außen kippen, so daß sich für den Betrachter auf der Straße immer wieder neue Reliefs am Gebäude ergeben und eine dynamische Außenwirkung entsteht.

Dem Projektteam der N-ERGIE, den Architekten der Kernsanierung, Knerer&Lang, und den Denkmalschutzexperten ist es gemeinsam gelungen, die wesentlichen Gestaltungselemente des Hochhauses und damit den besonderen Charakter des Hauses wiederherzustellen. So wurden auch die Originalfarben, in denen einzelne Wände einst gestrichen waren, wiederentdeckt. Sie basierten auf dem Farbkonzept eines der berühmtesten Architekten der Moderne, Le Corbusier. 28 Farben beleben nun das Innere des Hochhauses, indem jedes Stockwerk an der konvexen Rückwand des Treppenhauses seine eigene Farbe erhielt.

Auch bei der Außenfassade richtete sich die N-ERGIE nach dem historischen Vorbild und ließ die rund 1 400 Platten aus Beton- Werkstein in der hell-ockergelben Originalfarbe gießen. So ist es auch kein Wunder, daß das Plärrer- Hochhaus von außen „immer noch genauso aussieht wie vorher“.

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