Ausgabe Mai / Juni 2010 | Adel

Das Schlößchen auf dem Lande

Das westlich von Ansbach gelegene kleine Dorf Eyerlohe war die Sommerfrische des Friedrich Carl Alexander von Eyb. (Familie von Eyb Teil 1)

Text: Wolf-Dietrich Weissbach | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Maison de Plaisance

Hellgrün schimmern die mit Malachit bemalten Wände des Salons. Die aus dem edlen Mineral gewonnene Farbe ist so kostbar, daß nicht einmal eine Stuhllehne die mit ihr überzogene Wand berühren darf. Zum Schutz der Wandfarbe läuft eine Holzschiene in Stuhllehnenhöhe um den ganzen Raum. So kann man bedenkenlos die Stühle zur Seite rücken, wenn man in der Mitte des Raumes tanzen will. In der „Sommerfrische“ von Friedrich Carl Alexander von Eyb zu Eyerlohe und Wiedersbach wurde in ungezwungener Atmosphäre gefeiert. Sein barockes Lustschlößchen auf dem Lande ist ausnehmend klein. Das „Maison de Plaisance“ mißt gerade einmal zehn mal zwölf Meter. Ein im Grünen wohldrapierter barocker Legostein. Seelenruhig stolziert ein Storch über den grünen Hügel vor dem neu angelegten Eingang zum Mini-Schloß. Die von Eyb sind eines der ältesten Adelsgeschlechter Frankens. Das Geschlecht wird erstmals 1165 urkundlich erwähnt. Einst hatte es seinen Stammsitz in Eyb – heute ein Stadtteil von Ansbach. Die Geschichte derer von Eyb ist eng verwoben mit der Geschichte der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth. Viele Mitglieder der Familie standen in markgräflichen Diensten. Sie waren hohe Beamte, Kanzler oder Minister. So auch Friedrich Carl Alexander von Eyb, der als Hof-Regierungsrat und Kammerherr am Hof des letzten Markgrafen, Christian Friedrich Carl Alexander, angestellt war und in Ansbach lebte. Friedrich Carl Alexander von Eyb begründet eine neue Linie. 1778 läßt er sich am Rande von Eyerlohe, auf einem kleinen Schloßgut, zu dessen Ausstattung vielleicht 20 Höfe in der Umgebung gehören, seinen schmucken „Legostein“ errichten. Fortan nennt er sich „von Eyb zu Eyerlohe und Wiedersbach“. Denn in Eyerlohe steht sein Schlößchen und in Wiedersbach hat die Familie noch ein paar Höfe. Sehr vermögend ist Friedrich Carl Alexander nicht, denn seine Familie ist durch Erbteilungen weit verzweigt. Sein „Sommerhauß“ muß also klein ausfallen. So klein, daß die Schloßküche aus Platzgründen in den Keller verbannt wird.

Die Küche im Keller

„Für uns war der Keller das teuerste an diesem Schlößchen“, sagt Ralf Rossmeissl vom Fränkischen Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim. Er ist zuständig für Hausforschung und Archiv. Das Museum befinde sich in einem Hochwassergebiet, erklärt er. Von daher sei es immer sehr schwierig, beim Wiederaufbau eines Gebäudes, einen Keller mitzuübernehmen. „Aber in diesem Fall haben wir den Keller unbedingt gebraucht, denn die Sozial- und Baugeschichte kann man ohne diese Kellerküche eigentlich gar nicht zeigen.“ Im Museumsareal mußte der Keller durch eine kostenintensive starke Betonverschalung gegen eindringendes Wasser geschützt werden. Die Kellerküche ist sehenswert: Auf ihre Decke und Wände wurde eine Kachelimitation aufgemalt. Sie soll die in anderen Schloßküchen der Zeit üblichen teuren Fliesen vortäuschen. Gebaut wurde das Eyerloher „Sommerhauß“ vom Ansbacher Stadtzimmerermeister, der mit einem relativ geringen Festgehalt entlohnt wurde und daher mit Erlaubnis des Markgrafen in seiner Freizeit neben seiner eigentlichen Tätigkeit noch andere Aufträge ausführte. „Wir wissen das dank eines Briefwechsels zwischen dem Bauherrn und seinem Vetter“, so Rossmeissl. FriedrichCarl Alexander von Eyb empfiehlt seinem Vetter Christian Albrecht von Eyb in einem Brief vom 28. Februar 1784 für ein geplantes Bauvorhaben den Ansbacher Stadtzimmerermeister Daniel Zehender, der schon 15 Jahre in seinem Haus in Ansbach arbeitete und nun auch in seinem zu Eyerlohe neu aufgeführten Haus.

Die Kellerküche

Das Haus in Eyerlohe ist ein schlichter Bau, der aber in seiner Gliederung und in seinen Proportionen an den französischen Bautypus des „Maison de Plaisance“ anknüpft. Das Schlößchen wurde auf einem dreiteiligen, symmetrischen Grundriß mit einem „Gartensaal“ in der Mitte und zwei schmäleren Seitenflügeln errichtet. Es ist sozusagen eine Miniaturausgabe eines barocken Lust- oder Jagdschlosses. Im Gartensaal ist die Stuckvertäfelung aus der Erbauungszeit nahezu vollständig erhalten. Bei der Ausstattung seines kleinen zentralen Salons habe sich Friedrich Carl Alexander nicht lumpen lassen, meint Rossmeissl. Durch ein sogenanntes Befundfenster kann man heute im „Salönchen“ in die Vergangenheit schauen. Wenn ein Haus im Freilandmuseum wieder aufgebaut wird, werden die Farbschichten von einem Befunduntersucher unter die Lupe genommen. Hellgrün war die unterste Farbschicht, die im Salon zutage trat. Die chemische Analyse ergab, daß es sich dabei um eine sehr kostbare Malachitfarbe handelte, die heute natürlich noch teurer ist als zur Erbauungszeit des Schlößchens. „Die Malachitfarbe ist so teuer, daß wir sie gar nicht wieder auftragen konnten“, so Rossmeissl. An den Wänden schimmert nun eine dem Malachitgrün sehr ähnliche Farbe. Anhand eines Originalfragments wurde die Holzschiene rekonstruiert, die zum Schutz der kostbaren Wandfarbe in Stuhllehnenhöhe den ganzen Raum umläuft.

Friedrich Carl Alexander ist mit einer von Eyb auf Dörzbach verheiratet und hat zwölf Kinder. 1782 wird er mit der Schloßherrschaft Dörzbach belehnt, wo er fortan lebt. Ob er sich danach überhaupt noch im Sommer in seinem Mini-Schloß in Eyerlohe aufhält, ist fraglich. Der letzte aus der Familie von Eyb, der in dem „Sommerhauß“ lebt, ist sein Bruder Friedrich Ludwig von Eyb. Der nachgeborene Bruder des Eyerloher Bauherrn schlägt die militärische Laufbahn ein. Vor allem den nachgeborenen adligen Söhnen bot das stehende Heer Karrieremöglichkeiten. Allerdings wurde im Markgrafentum Ansbach-Bayreuth ein Offizier wesentlich geringer entlohnt als ein Hofbeamter. Von 1777 bis 1783 führte Friedrich Ludwig von Eyb beim Einsatz ansbach-bayreuthischer Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eine Kompanie im Regiment von Oberst Voit von Salzburg an. Diese Soldaten wurdenvom letzten Markgrafen von Ansbach-Bayreuth verheizt. Zu Beginn des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges war der Markgraf hoch verschuldet. Die Vermietung seiner Soldaten an das britische Empire sollte zur Stabilisierung seines maroden Staatshaushaltes beitragen. Noch vor der Einschiff ung der Truppen kam es auf dem Weg von Franken nach Dordrecht zu einer Meuterei. Friedrich Ludwig von Eyb soll an der Niederschlagung des Aufstands beteiligt gewesen sein. Nach seiner Rückkehr aus Amerika wohnt Friedrich Ludwig von Eyb einige Zeit in dem „Sommerhauß“ seines Bruders. Friedrich Ludwig von Eyb muß von der Jagd geradezu besessen gewesen sein. Vom Schlößchen aus bejagt er die kleine Jagd, die der Markgraf den von Eybs verliehen hat.

Glücksfall für das Freilandmuseum

In dem barocken Lustschlößchen begegnen einem u. U. sogar die Schloßbesitzer.

Im Jahr 1784 beschwert sich Regierungspräsident von Schönfeld in Bayreuth über Friedrich Carl Alexander von Eyb und dessen aus Amerika zurückgekehrten Bruder, Major Friedrich Ludwig von Eyb, wegen der Herbsthut auf Eyerloher Gemarkung. Nach uraltem Weiderecht durften die Bauern zu bestimmten Zeiten im Jahr mit ihren Kühen festgelegte Weidegründe beweiden. Friedrich Ludwig von Eyb jagt auch noch während der Hut und erlegt dabei eine Kuh. Außerdem beachtet er nicht die Jagdgrenze. Das Überschreiten der Jagdgrenze war ein Sakrileg, das laut Rossmeissl zu zahlreichen Streitigkeiten unter Adligen geführt hat. „Wenn ein Jagdaufseher mitgekriegt hat, daß der Nachbar auf der Jagd ist, dann hat er die Sache genau beobachtet. Und wehe die Wildsau ist über die Jagdgrenze gelaufen und der Nachbar hat sie noch abgeknallt. Dann kam es sofort zu einem Prozeß.“ Eine Ausstellung im Obergeschoß des Schlößchens widmet sich der Geschichte der Jagd. Friedrich Ludwig von Eyb ist der letzte Adlige, der in dem Schlößchen gelebt hat. „Wir wissen nicht allzu viel von ihm, wir wissen zum Beispiel nicht, ob er verheiratet war und wo er später hinging.“ Der Erbauer und sein Bruder haben vielleicht gerade einmal 20 Jahre das „Maison de Plaisance“ zeitweilig bewohnt. 1806 lebt jedenfalls schon der Gutsverwalter Johann Georg Meinet im Schlößchen. Wenige Jahre später geht das Anwesen in bäuerlichen Besitz über. Das Schloß dient jetzt als Wohnhaus, in dem auch eine Schankstube für die Dorfgesellschaft eingerichtet wird. Diese kleine Dorfwirtschaft wurde im Freilandmuseum zur Illustration der jüngeren Geschichte des Barockbaus in einem Erdgeschoßraum nach der Erinnerung des letzten Besitzers rekonstruiert.

Eine Zeit lang wohnt die Bauernfamilie noch im Schloß, dann baut sie einen Bauernhof. Nun verkommt das einstige „Sommerhauß“ des Friedrich Carl Alexander von Eyb zu einem Lager für landwirtschaftliche Geräte, Getreidesäcke, Tierfutter und Getränke. Knechte und Mägde leben vorübergehend in dem Barockbau und im Zweiten Weltkrieg werden Zwangsarbeiter dort untergebracht. Ab Ende der 1950er Jahre wird er überhaupt nicht mehr bewohnt. Auf dem Areal entsteht nun ein großer Aussiedlerhof mit hohen Ställen. An eine Mauer des Schlößchen wird ein großer Stall angebaut. „Der Stall war um einiges größer als das Schloß. Das Schlößchen verschwand fast in dem Hof“, erinnert sich Rossmeissl. Um das Schlößchen aus dem Ensemble des Aussiedlerhofes „herauszufischen“, mußte zunächst einmal der Stall gestützt werden. Jetzt erstrahlt das „Sommerhauß“ des Friedrich Carl Alexander von Eyb, so wie einst, wieder am Rand eines Dorfes. Das Schlößchen war das, was dem Freilandmuseum Bad Windsheim noch zum Glück gefehlt hat: „Jetzt haben wir auch ein Schlößchen, eine Kirche kriegen wir gerade, bald sind wir komplett.“

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