Ausgabe Mai / Juni 2017 | Stadt-Land-Fluß

Brücken über den Main

Die Lochkamera-Aufnahmen zeigen freilich nicht nur Brücken über den Main, sondern Brücken in Unterfranken, auch neuere.

Text: Erich Schneider | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Mainbrücke in Kitzingen

Aus Steinen gefügte Brücken über Flüsse und Bäche gehören zu den ältesten technischen Kulturleistungen der Menschheit. Aus der Bronzezeit kennen wir Brücken, bei denen große Steinplatten entweder direkt von Ufer zu Ufer gelegt, oder auf steinernen Fundamenten aneinandergereiht gereiht worden sind. Sie waren gewissermaßen die dauerhafteren Nachfolger älterer Stege aus einfach zugerichteten Baumstämmen. Die ersten erhaltenen Steinbogenbrücken dürften die Mykener in Arkadiko auf dem Peloponnes erbaut haben, die in die Zeit um 1300 v. Chr. datiert werden. Als die älteste gewölbte Steinbrücke in Deutschland gilt die in Regensburg, die zwischen 1135 und 1146 über die Donau errichtet worden ist. Aber schon lange vorher haben die Römer den Brückenbau zu hoher technischer Meisterschaft getrieben, um mit ihrem weitgespannten Straßennetz die antike Welt über viele Jahrhunderte zu beherrschen. In Trier sind von der 45 n. Chr. erbauten Römerbrücke über die Mosel aber lediglich die Pfeiler antik. Die Steinwölbung erfolgte zwischen 1190 und 1490. Trotzdem gilt sie als die älteste Brücke Deutschlands.

Der Schiffsverkehr läßt auf dem Main keine Furten mehr zu

Nicht alleine Landschaftsräume, wie die Haßberge, das Grabfeld, der Steigerwald und die Rhön oder der Spessart und der Odenwald, bestimmen die Landschaft in Unterfranken, sondern auch der Main. In ruhigem Lauf berührt er, von Osten aus Oberfranken kommend, nahe Haßfurt zum ersten Mal unterfränkisches Gebiet. Bei Schweinfurt wendet er sich südlich und schlendert das Maindreieck entlang, um auf der Höhe von Ochsenfurt nach Nordwesten zu streben. Bei Gemünden weicht er dem Rhöngebirge aus und umwindet im Mainviereck den Spessart. In Kreuzwertheim liebäugelt er mit Baden-Württemberg und strebt dann doch hinter Aschaffenburg dem hessischen Frankfurt zu. Es sollte lange dauern, bis Brücken es möglich machten, diesen Fluß trockenen Fußes zu überqueren. Städtenamen wie Haßfurt, Schweinfurt, Ochsenfurt, Trennfurt oder Lengfurt erinnern, daß es viele Jahrhunderte nur Furten gab. Am oberen Lauf des Mains etwa bei Theres war es noch im 20. Jahrhundert bei trockenen Sommern möglich gewesen, den Fluß in knietiefem Wasser zu durchwaten. Der Ausbau zur Großschiffahrtsstraße hat freilich keine solchen Furten mehr zugelassen.

Saalebrücke bei Langendorf (Hammelburg). Nicht am Main, aber auch schön.

In besonderen Fällen sind sogenannte fliegende Brücken überliefert, die man aus miteinander verbundenen Fischernachen erbaut hat, über die dann Laufplanken gelegt wurden. Als Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach im Jahr 1554 mit seinen Soldaten heimlich während der Nacht aus dem von ihm besetzten Schweinfurt flüchten musste, setzte er mit einer solchen Schiffsbrücke über den Main. Häufiger aber haben Fährschiffe die alten Furten ersetzt. Dennoch war damit die Überquerung des Flusses bei Eisgang oder Hochwasser gefährlich manchmal sogar unmöglich. Aus dem Jahr 1814 ist der Untergang einer Fähre bei Miltenberg überliefert, bei dem 62 sächsische Soldaten im Main ertrunken sind. Bis heute sind die wenigen erhaltenen Fähren etwa im Bereich der Mainschleife bei Volkach nicht nur Touristenattraktion, sondern für zahlreiche Pendler oft noch immer der kürzeste Weg zum Arbeitsplatz.

Die Würzburger Brücke wurde bereits im 12. Jahrhundert erbaut

Mainbrücke in Schweinfurt

Die ältesten überlieferten Mainbrücken stammen aus dem Mittelalter: In Haßfurt wurde 1380 eine erste Brücke aus Holz erbaut, die von den Schweden 1632 im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt und zerstört worden ist. Es sollte dann bis zum Jahr 1867 dauern, bis das Städtchen eine neue Brücke erhielt. Die Reichsstadt Schweinfurt errichtete 1367 ihre erste Brücke über den Main. Legendär war die hölzerne Staubbrücke, die von 1574 bis 1830 dem Verkehr diente und erst dann durch einen Neubau ersetzt worden ist.  Die nächste historische Brücke findet sich in Kitzingen. Im Volksmund „Pipinsbrücke“ genannt, was auf ihre Entstehung im 8. Jahrhundert schließen ließe, entstammt sie dem ausgehenden 13. Jahrhundert. Immerhin war die Brücke der Stadt so wichtig, daß sie als Bild ins Stadtsiegel aufgenommen worden ist. Folgt man dem Flußlauf, dann hat Ochsenfurt die nächste alte Brücke aufzuweisen. Erbaut wohl 1133, sicher belegt ab 1254, war die Fahrbahn anfangs aus Holz. Von 1512 bis 1520 wurde sie als steinerne Bogenbrücke neu errichtet und verdankt ihre heutige Erscheinung weitgehend dem 17. und 18. Jahrhundert.  Das höchste Alter aber hat die Würzburger Brücke, die als steinerner Übergang bereits im 12. Jahrhundert erbaut worden ist. Im Wesentlichen aber entstand sie zwischen 1473 und 1488 mit Wölbungen aus dem 16. Jahrhundert. Schließlich ließ der Mainzer Erzbischof Willigis in Aschaffenburg 989 eine erste Holzbrücke errichten, die 1430 durch einen Neubau ersetzt worden ist. So selten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit solche Mainbrücken sind, sie sind jedoch stets mehr als reine Meisterleistungen der Technik gewesen. Schon bei den alten Römern war ein „Brückenbauer“ – ein „Pontifex“ – nicht einfach nur ein Handwerker oder Baumeister. Mit „Pontifex“ bezeichnete man früh schon den Angehörigen einer bestimmten Priestergruppe, deren Vorsteher als „Pontifex Maximus“ – also als Oberster Priester – angesprochen worden ist. Diesen Titel nahmen später die römischen Kaiser an. Er hat sich als „Summus Pontifex“ als Anrede für den Papst in Rom bis heute erhalten. Die Herkunft des Wortes ist nicht widerspruchsfrei geklärt. Die Volksetymologie leitet es von den Worten „pons“ und „facere“ für „Brückenbauen“ ab. Ein Pontifex in einem derart erweiterten Wortsinn ist somit einer, der Brücken zwischen den Menschen und Gott baut.

Obstdiebe wurden im Naschkorb in den Fluß getaucht

Im Umkehrschluß sind Brücken zu allen Zeiten Orte besonderer Handlungen gewesen. Aus Würzburg hat sich zum Beispiel das Brückengericht überliefert. Dieses tagte bis ins spätere 16. Jahrhundert im Freien auf der linksmainischen Seite der Alten Mainbrücke. Laut der Fries’schen Chronik saß man dort über „raub, brant, andere Blutsrach oder peinliche Handlung“ zu Gericht. Todesurteile sollen teilweise anschließend durch Sturz von der Brücke in den Main vollstreckt worden sein. Den Ort der Hinrichtung markierte ein 1497 errichtetes Kruzifix. In Kitzingen weiß man von einem sogenannten Naschkorb auf der Mainbrücke. In diesem Eisenkorb wurden Obstdiebe zur Strafe in den Fluß getaucht. Dieses Vorgehen ist außerdem aus Eibelstadt, Schweinfurt und Würzburg überliefert.

Natürlich nutzte man früher die Wasserkraft und betrieb wie in Ochsenfurt von der Brücke aus eine Mainmühle. Die in Schweinfurt stand direkt neben der Brücke. Gelegentlich nutzte man die reinigende Kraft des Wassers auch zu sehr profanen Zwecken: In Kitzingen war auf einem Pfeiler die „cloaca publica“ errichtet; wenn man so will ein Wasserklosett.

Die Brücken erleichterten nicht nur die Überquerung des Mains, sondern waren vielfach Teil der Stadtbefestigung oder bildeten Zollgrenzen. Dazu wurden allerlei zusätzliche Tore oder Wachthäuser auf den Brücken errichtet. So stand auf dem 9. Bogen der Ochsenfurter Brücke der Zollturm. In Würzburg erhob sich das Zollhaus auf dem 7. Pfeiler. Die Würzburger Brücke markierte ferner die Grenze zwischen der Bischofs- und der Bürgerstadt. Deshalb standen an beiden Enden feste Tore. 1250 lockten die Bürger die Anhänger von Bischof Hermann von Lobdeburg in diesen „Zwinger“ und meuchelten sie nieder. Daran hat auch die Gotthardskapelle nichts geändert. Häufig standen Brücken im Mittelpunkt kriegerischer Ereignisse: Viele wurden 1945 noch in den letzten Kriegstagen gesprengt, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten.

Die Würzburger Mainbrücke ein historisch-sakraler Passionsweg

In katholischen Regionen wie Unterfranken weihte man Brücken vielfach einem vor Ort besonders verehrten Heiligen. Dazu stellte man dort seit dem späten 17. Jahrhundert gerne dessen Standbild auf. Neben Kruzifixen, Kreuzschleppern und Skulpturen der Gottesmutter Maria wurde ab seiner Kanonisierung im Jahr 1729 der Hl. Johannes Nepomuk (1330-1393) zu dem Brückenheiligen. Der böhmische Priester weigerte sich das Beichtgeheimnis zu verletzen und wurde deshalb auf Geheiß von König Wenzel von der Brücke der Moldau gestoßen und ertrank als Märtyrer.

Brücke über Trimberg (bei Elfershausen-Hammelburg)

Da die Fürstbischöfe aus dem Haus Schönborn die Verehrung des Hl. Nepomuk besonders förderten, wurde auch auf der Würzburger Mainbrücke eine Statue von ihm aufgestellt, als sie zwischen 1724 und 1732 mit 12 monumentalen Figuren geschmückt worden ist. In die Arbeit teilten sich die Bildhauer Johann Sebastian und Volkmar Becker sowie Claude Curé. Neben der Gottesmutter Maria in Gestalt der Patrona Franconiae und Joseph mit dem Jesuskind finden sich Kilian, Kolonat und Totnan als die Patrone des Bistums Würzburg. König Pipin und Kaiser Karl d. Gr. stehen mit den Bischöfen Burkard und Bruno für die Anfänge des Hochstifts. Nach seiner Wahl zum Fürstbischof hat Friedrich Karl von Schönborn 1729 außer dem Hl. Nepomuk in Anspielung auf seine eigenen Namenspatrone noch Figuren des von ihm sehr verehrten Hl. Karl Borromäus sowie eines sonst nicht bekannten Hl. Bischof Friedrich aufstellen lassen. Durch ihren Statuenschmuck reiht sich die Würzburger Mainbrücke als historisch-sakraler Passionsweg unter so berühmte Werke wie die Engelsbrücke in Rom oder die Karlsbrücke in Prag. Die meisten Figuren sind Kopien des 19. und 20. Jahrhunderts, lediglich von den Köpfen der Hl. Nepomuk und Friedrich haben sich die Originale erhalten.

Mehr als nur ein sicherer Weg über einen Fluß

Bei besonderen Anlässen wurden die Mainbrücken tatsächlich als via triumphans genutzt. So zog der nachmalige Kaiser Ferdinand I. 1558 auf dem Weg zu seiner Wahl in Frankfurt über die Mainbrücken in Kitzingen und Würzburg mit großem Gefolge und 1400 Pferden. Als im November 1631 der siegreiche Schwedenkönig Gustav Adolph über die Brücke nach Aschaffenburg einzog, soll ihm angeblich der Guardian des Kapuzinerklosters dort mit den Torschlüsseln entgegengegangen sein und die Stadt mutig vor Brandschatzung und Plünderung bewahrt haben. 1745 nutzte Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn die Brücke in  Kitzingen, um dort mit seiner Entourage zur Einweihung der Kreuzkapelle in Etwashausen aufzumarschieren.

Mainbrücke Marktheidenfeld

Brücken waren stets mehr als nur ein sicherer Weg über einen Fluß. Brücken sicherten dem, der über sie gebot, Macht und Einkommen. Umgekehrt wurden Brücken meist nur dort errichtet, wo große Straßen viele Menschen zusammen geführt haben. Da es sich bei Brücken häufig um technische Meisterleistungen handelte, genossen ihre Erbauer einen besonderen gesellschaftlichen Status. Im übertragenen Wortsinn ist ein Brückenbauer aber auch jemand, der zwischen den Menschen oder gar zwischen Gott und den Menschen vermitteln kann. Wer hätte gedacht, daß das Wirken eines Priesters und die Leistung eines Bauingenieurs aus der gleichen sprachlichen Wurzel gespeist werden.

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