Ausgabe Juli / August 2024 | Essen & Trinken

Baurische Spezereien aus Holler

Hollerküchli und Apfel-Holler-Gelee

Text + Fotos: Benedikt Feser, Margit Balling und Nicole Feser

Sternrenette
Sternrenette

Holunderblüten
Holunderblüten

Holler“ nennt man in manchen Regionen Süddeutschlands den Holunderstrauch. Im unterfränkischen Werntal mit seinen Dörfern werden auch die Erzeugnisse, die aus seinen reifen Beeren gewonnen werden, so bezeichnet. Hier sei nur der zuckersüße, halb dickflüssige, halb sämige „Hollerlikör“ genannt, der im Herbst angesetzt und im Winter ausgereift als „Heiße Liebe“ mit einem Schlag Sahne warm serviert wird. Aber auch schon im Frühsommer bescheren uns die Blütendolden des Holunders verschiedene Verarbeitungsmöglichkeiten.

Die baurische Küche mit den überlieferten Rezepturen der alten Dorfbäuerinnen ist eine wahre Fundgrube für das Kochen mit und aus der Natur. Diese Rezepte zusammenzutragen und nachzukochen, hat sich der Unterfränkische Dialektverein zur Aufgabe gemacht. Die bäuerlich-ländliche Küche liegt den Vereinsmitgliedern ebenso am Herzen, wie die regionale Mundart und die Geschichten, die mit ihr verbunden sind. Den alten Werntalern ist im Zusammenhang mit dem Holunderstrauch die „Hollerbüchs“ ein Begriff. Den etwas dickeren Stengeln des Astwerks wurde, auf Armlänge abgesägt, das weiche, flockige Mark entnommen. In den entstandenen Hohlraum wurde ein passendes Rundholz geschoben. Verschloß man nun das vordere Ende mit einem Pfropfen, hatte man ein günstiges und gleichermaßen effektvolles Spielgerät. Mit der „Hollerbüchs“ zu schießen, war für die Dorfjugend der Nachkriegszeit, als Blech- oder Plastikspielzeug noch die unerschwingliche Ausnahme waren, ein sehr beliebtes und verbreitetes Freizeitvergnügen. Das Spielgerät war aber wohl weit älter und bekannter, erscheint es doch als „Hollerspritze“ schon im Wörterbuch der Gebrüder Grimm: „… eine Holunderröhre, in welcher ein Propf von Flachs oder ähnlichem durch einen andern mittels des Luftdrucks mit einem Knall fortgetrieben wird“.

Auch spielt der Holunder in der Musik, namentlich im deutschen Volkslied, als heimlicher Treffpunkt der Liebenden eine tragende Rolle. Das süddeutsche Dialektlied „Rosenstock, Holderblüt“ oder das siebenbürgische „Im Holderstrauch“ erzählen davon. Heißt es dort in der ersten Strophe noch hoffnungsfroh:

Im Holderstrauch,
Im Holderstrauch,
der blüht so schön im Mai,
da sang ein kleines Vögelein
ein Lied von Lieb und Treu.

So lässt die letzte Strophe keinen Zweifel:
Beim Holderstrauch,
beim Holderstrauch,
da weint ein Mägdlein sehr:
der Vogel schweigt,
der Holderstrauch
der blüht schon lang nicht mehr.

Natürlich wurden die Lieder der Romantik oft belächelt oder kritisiert, und dennoch waren die schlichten Texte und die einfachen Melodien vielen Menschen, über alle sozialen Schichten und Bildungsklassen hinweg, Trost und Freude. Solange dies beim Rezipieren nicht in Deutschtümelei und Chauvinismus mündet, finden wir uns doch gerne wieder unter den Dorflinden zusammen: „… wo wir uns finden, wohl unter Linden, zur Abendzeit“. In Zeiten anonymer Haß- und Hetze, fröhlicher Rat­tenfänger-Urständ und von Social-Media-Vereinsamung, sicher nicht die schlechteste Empfehlung. Von Herz und Kopf, zurück zum ­Magen.

Hollerküchli

In voller Blüte stehen die Dolden des Holunders zwischen Mai und Juli. Er gehört zur Gattung der Moschuskrautgewächse. Der Duft und das Aroma der Holunderblüte läßt ihn als wahren Wunderstrauch erscheinen. Ob zu Sirup, Essig, Gelee oder Küchlein verarbeitet, alles ist ein Gaumenschmaus. Als Dessert von einem frühlingshaften Menü oder mit einer herzhaften Suppe als Hauptmahlzeit. Je nach Geschmack, kann man Hollerküchli zubereiten. Dazu paßt eine selbstgekochte Vanillesoße oder ein Kompott.

Zutaten:
– 160 g Mehl
– 4 Eier getrennt
– etwas Salz
– ca. 200 ml Milch
– 12 bis 15 Holunderblüten

Das Eiweiß steif schlagen, das Mehl mit den restlichen Zutaten verrühren und das Eiweiß unterheben. Butterschmalz erhitzen, die Blüten einzeln in den Teig tauchen und vorsichtig in die Pfanne geben. Langsam von beiden Seiten goldgelb ausbacken. Mit Puderzucker bestäuben und je nach Geschmack mit Vanillesoße oder Kompott genießen.

Hollerküchli
Hollerküchli

Apfel-Holler-Gelee

Die Basis dieses Gelees ist Apfelsaft. Er kann käuflich erworben werden. In unserem Fall liefern zwei Hofbäume der Sorte „Rote Sternrenette“ jährlich knapp 200 Liter Saft. Die Äpfel werden im Herbst geerntet und im nahen Fruchthof gepreßt, in einer Sterilisationsanlage erhitzt, haltbar gemacht und in Glasflaschen verfüllt. Die Holunderblüten sind, je nach Wetterlage, ab Mai erntereif. In manchen Jahren kann man bis in den Juli hinein reife Blütenstände ernten. Wenn möglich sollte man das Abernten von Holundersträuchen an viel befahrenen Straßen vermeiden. Anders als bei den Hollerküchli, die nur während der Reifeperiode des Holunders zubereitet werden können, konserviert das Gelee den typischen Hollergeschmack über längere Zeit.

Zutaten:
– naturtrüber Apfelsaft
– 10 bis 12 Holunderblüten ­(bemessen für 1 Liter Flüssigkeit)
– Gelierzucker 3:1 (bitte ent­sprechende Mengenangaben des Herstellers beachten)
– frisch gepreßter Zitronensaft

Holunderblüten frisch ernten. Den Blütenstaub nicht abschütteln oder abwaschen. Apfelsaft in eine verschließbare Schüssel geben. Die Holunderblüten in kleine Sträuße binden und kopfüber in den Apfelsaft stellen. Achtung: die Schnittstellen der Stängel müssen aus dem Saft herausragen, da sonst Bitterstoffe in den Saft gelangen. Die Schüssel verschließen und über Nacht im Kühlschrank kaltstellen. Die Holunderblüten entnehmen, Apfelsaft durch ein Sieb oder ein Tuch abgießen – nach Herstellerangaben Zutaten abmessen und Gelee einkochen (Mischungsverhältnis Gelierzucker/Flüssigkeit beachten). Einen Frischekick gibt frischgepreßter Zitronensaft ganz nach Gusto.

Apfel-Holler-Gelee
Apfel-Holler-Gelee

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Franken-Magazin

Das Franken-Magazin ist eine unabhängige Zeitschrift – ein Regionalmagazin, das alle 2 Monate erscheint und die mehrseitige Reportage zum Mittelpunkt seines Inhalts erklärt. Das Franken-Magazin zeigt Land und Leute liebevoll von ihrer interessantesten Seite.

Franken-Magazin - Ausgabe 03-04 2023

Abonnement / Shop

Das Franken-Magazin finden Sie im Zeitschriftenhandel. Sie können die Artikel hier online lesen oder Sie schließen ein Abo ab und erhalten es immer frisch gedruckt direkt in den Briefkasten. Einzelhefte können Sie ebenfalls direkt im Shop nachbestellen.

Nach oben