Aufgefächert!
6. Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken in der Kunsthalle Schweinfurt
Text + Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Starke Werke, starke Frauen! Die 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken steht ganz im Zeichen von neun Künstlerinnen. Unter dem Motto „Aufgefächert“ erkundet die Ausstellung in der Kunsthalle Schweinfurt ein aktuelles Bild der Kunstszene in Franken, in der Frauen eine zentrale Rolle spielen. Das Spektrum reicht von figürlicher und abstrakter Malerei über Fotografie bis hin zu Videokunst, Installationen und Performance.
Mit dabei sind Stefanie Brehm, Fatma Güdü, Ursula Jüngst, Barbara Sophie Nägle, Stefanie Pöllot, Birgit Ramsauer, Heidrun Schimmel, Julia Tiefenbach und Lisa Wölfel.
Ausgehend von der Schweinfurter Malerin Margarethe Geiger (1783 – 1809), der seinerzeit ein Akademiebesuch verwehrt war, nimmt die Triennale Fragen nach den Bedingungen und Chancen für Künstlerinnen in den Fokus. Bewußt wurden deshalb Künstlerinnen unterschiedlicher Jahrgänge eingeladen, um Veränderungen nachzugehen.
Erst 1919 wurden Frauen offiziell als Kunststudentinnen an den Akademien angenommen. Der Akademiebesuch ist bis heute eine wichtige Voraussetzung für die Anerkennung als Künstler/in, für den Zugang zu Stipendien, Preisen und Ausstellungen.
Im Rückblick ist es mutigen Frauen zu verdanken, die mit viel Ausdauer und über lange Jahre Veränderungen erzwungen haben. Erst vor wenigen Jahren hat die Aufarbeitung dieser Prozesse um gesellschaftliche und politische Strukturen, die ungleichen Bedingungen der Teilhabe begonnen. Ein großes Thema ist dabei die nach wie vor unbezahlte Care-Arbeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wie sieht es also aktuell mit der Repräsentation von Frauen in der Kunst aus? In Deutschland haben Frauen, was ihre Kunstausbildung angeht, mittlerweile die Männer überholt. Das trifft aktuell auch auf den Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken und die Vereinigung Kunstschaffender Unterfranken zu. Dieser Verteilung zum Trotz ergab sich Anfang 2020 ein gender pay gap von 26 Prozent. Zwischen dem überdurchschnittlichen Brutto-Stundenlohn-Gefälle in der Kunstbranche und der niedrigen Ausstellungsquote weiblicher Kunst läßt sich ein klarer Zusammenhang herstellen.
Eine Schau, die sich allein dem künstlerischen Schaffen von Frauen widmet, hat immer auch zur Folge, daß geschlechtsspezifische Klischees aufgerufen werden. Gibt es Kunst, die irgendwie weiblicher daherkommt? Zum Beispiel die textilen Arbeiten von Heidrun Schimmel? Oder Malerei, die zart und poetisch ist wie etwa bei Fatma Güdü? Die Ausstellung bietet viel Freiraum, über diese Fragen und unsere Klischees nachzudenken.
Dr. Julia Weimar und Dr. Barbara Kahle
Kuratorinnen
Genaugenommen grenzt es ans Perfide, daß seit kurzem in der nach wie vor männerdominierten Kunstszene auch Frauen an die Spitze dürfen. Gut, noch nicht so ganz und schon gar nicht viele, aber sie sehen sie schon und einige üben sogar gleich mal das Balancieren. Freilich müssen sie teuflisch aufpassen, nicht bloßem Epigonentum zu verfallen. Glaubt man jedenfalls dem Journalisten Karlheinz Schmid, der in der letzten Ausgabe der inzwischen wohl schon legendären „Kunstzeitung“ (Nr. 306 vom Juni/Juli 2023) der zeitgenössischen Kunst allenfalls den Mumm zum Mainstream bescheinigte. Ihr fehle es auf breiter Linie (und er meint wohl geschlechterübergreifend) an der „Bereitschaft, Terrain zu erobern, das – … – einer neuen Wahrnehmung zugeführt werden kann“.
Schmid sieht überall nur „Duckmäusertum“, sieht „unsägliche Trauerspiele in den Ateliers“. Er kriegt sich gar nicht mehr ein: „Wie Förmchen-Bäcker nudeln sie das einmal angeeignete Repertoire runter. Immer die gleichen Muster, die vertrauten Schablonen“ … „Zum Kotzen, diese Monotonie, dieses irgendwie pflichterfüllte Treiben. Künstler, aufwachen! Künstler, endlich ran an die Basis des eigenen Denkens und Handelns, die Frage beantworten, ob die Herstellung einer marktkonformen Ware noch zeitgemäß ist, wenn die Welt ins Wanken geraten ist – und rundum alle anderen Branchen längst in der Transformation stecken.“
Wie das aussehen könnte, verrät er natürlich nicht. Man könnte höchstens mutmaßen bzw. befürchten, er erhoffe sich Linderung von der KI oder, mit dem Feuilletonisten der „ZEIT“, Ijoma Mangold, von Verstößen gegen die „political correctness“, was Mangold, so wie von Schmid angeführt, im Lichte der jüngsten Europa-Wahl gewiß anders ausgedrückt hätte. Schmids abschließendes Urteil muß man gleichwohl immer noch billigen: „Die Lage ist katastrophal. In der Kunst keine Avantgarde in Sicht, nur Nachzügler, die kopieren oder modifizieren, was vorangegangene, radikalere Generationen erfunden haben. Weichgespült die Kunst, angepasst die Künstler, wenig Hoffnung auf Besserung.“
Deshalb ist es, wie eingangs gesagt: perfide, wenn jetzt die ermatteten Malerfürsten den Frauen etwas von der Beute abtreten – freilich nur in der zweiten Reihe, unterhalb von Richter, Meese, Koons, wo es derzeit nicht sonderlich üppig zugeht. Und die Frauen wären gut beraten, nicht in die Falle zu laufen. Etwa indem sie sich als „starke Frauen“ ködern lassen. Wenn sie wirklich gut sind, dann haben sie es eigentlich nicht nötig, sich mit einem männlichen Adjektiv, einem schleimigen Epitheton verzieren zu lassen. Würde man von „starken, selbstbewußten Männern“, wenn sie nicht gerade in der Manege aufträten, sprechen?
Vielleicht übersehen die Besucher der 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle Schweinfurt (28.6. – 15.9.2024), gerade wenn es Arbeiten von „starken Frauen“ sind, ob oder daß es wirklich gute, außergewöhnliche Arbeiten sind, die es verdienen, näher, genauer in Augenschein genommen zu werden. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir die Porträts von Heidrun Schimmel, Julia Tiefenbach, Lisa Wölfel, Fatma Güdü, Stefanie Brehm, Barbara Sophie Nägle, Birgit Ramsauer, Ursula Jüngst und Stefanie Pöllot mit dem Nachbau eines Objektivs aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgenommen haben, das gerade nicht ganz scharf zeichnet. Man muß die Schärfe suchen.
Entdecken Sie in der Ausstellung in der Kunsthalle Schweinfurt einfach eine spannende, lebendige, fränkische Kunstszene. Nur: Achtung! Sie wissen, gegenwärtig ist fast alles „spannend“, „lebendig“, „einfach“, „genau“. Genau, schauen Sie „genau“ hin!
Weitere Infos:
www.kunsthalle-schweinfurt.de