Mit der Wünschelrute zur Wohlfühltherme
Die Anfänge der Franken-Therme in Bad Windsheim
Text: Sabine Haubner | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Am Anfang steht die Vision, ohne sie kann kein Vorhaben gelingen. Doch dazwischen liegt eine mühsame Wegstrecke, die oft schon nach wenigen Metern endet, etwa, wenn nach dem Traum keine Taten folgen. Es braucht Persönlichkeitsmerkmale der Kategorie Macher, um schon mal ein gutes Stück zurücklegen zu können. Tatendrang, Durchhaltevermögen, Enthusiasmus – und Überzeugungskraft. Qualitäten, über die politische Entscheidungsträger meist verfügen, die aber trotzdem keine Erfolgsgarantie liefern.
Übersinnliche Problemlösung?
Die Verwirklichung bedarf einer Art externer Initialzündung. Am richtigen Ort zur richtigen Zeit sein, die Gelegenheit beim Schopf ergreifen? Die Griechen glaubten da an ein Eingreifen ihres Gottes Kairos. Wolfgang Eckardt erlebte einen solchen Kairos-Moment im Frühjahr 1998, kurz nach 19 Uhr, kurz nach Sendeschluß des Kinderkanals. Seine siebenjährige Tochter verläßt ihren Fernsehplatz und kommt ins Arbeitszimmer des Vaters: „Papa, du willst doch immer bohren. Da kommt jetzt eine Sendung dazu.“ Eine GEO-Reportage über Parapsychologie und Rutengänger mit dem Titel „In der Sache Wünschelrute“ – der damalige Bürgermeister von Bad Windsheim ist sofort elektrisiert. Das Thema Wassersuche treibt ihn schon seit einiger Zeit um. Es geht um nichts weniger als um die Zukunft Bad Windsheims. Das einzige Heilbad Mittelfrankens steckte damals wie andere Kurorte und Heilbäder auch in einer durch die Gesundheitsreform der 90er Jahre ausgelösten Krise. Einen ersten Aufschwung brachte kurz vor der Jahrtausendwende der Bau eines neuen Kongreßzentrums. Gleich daneben sollte ein schon lange diskutiertes Thermalbad entstehen und den Durchbruch bringen. Die Anfangshürde, fehlende Gelder, konnte durch eine Sonderförderung des Freistaats Bayern überwunden werden. Doch für die Verwirklichung des Großprojektes fehlte eine andere entscheidende Grundlage: Thermalwasser auf dem anvisierten Areal. Ein bereits unter Eckardts Amtsvorgänger erstelltes geologisches Gutachten machte wenig Hoffnung auf ein ergiebiges Solevorkommen. Aus der Traum? Doch nun folgt Eckardt gebannt, wie sich Knut Isken, Radiästhet und Geschäftsführer einer Tiefbohr-Gesellschaft im nordrhein-westfälischen Ennepetal, erfolgreich der Prüfung seiner Fähigkeiten als Wünschelrutengänger durch den Experimentalphysiker Prof. Hans-Dieter Betz unterzieht. Der Bürgermeister und Diplomingenieur wird am Bildschirm von der plötzlichen Erkenntnis erfaßt: Das ist unser Mann! Fast schon absurd, daß ein faktenverbundener Techniker seine Hoffnung auf ein parapsychologisches Phänomen wirft. Verzweiflung? Zielführende Intuition?
Beweisbohrung und Altarprobe
Eckardt recherchiert Iskens Kontaktdaten und ruft diesen an. Der Radiästhet lehnt den Auftrag strikt ab: Er sei schon im Ruhestand. Eckardt läßt nicht locker: „Wir brauchen Sie, der Bericht hat mich überzeugt, ich hole Sie überall ab, und sei es in Paris.“ Das Gespräch zieht sich länger hin, Isken gibt nach. Der Abholort wird Frankfurt Flughafen. Der Bürgermeister geht in den nächsten zwei Tagen strategisch vor. Zum einen will er für sich klären, ob Isken über besondere Fähigkeiten verfügt oder „ein Scharlatan“ ist. Parallel dazu muß er die Entscheider von Stadt und Zweckverband Kurzentrum mit ins Boot holen. Ein nahezu illusorisch erscheinendes Vorhaben: Die Kommunalpolitiker erweisen sich als erheblich kritischer. Eckardt kann mit viel Enthusiasmus auch hier überzeugen, wenigstens eine Probebohrung in der Nähe der Aischtalfurche vorzunehmen. Ein Gebiet, in dem der Geologe des Wasserwirtschaftsamtes die besten Aussichten, eine Chance von 50 Prozent, auf wasserführende Schichten einräumt, das allerdings fernab des ausgewiesenen Thermen-Areals liegt. „Da hängt man sich nicht zu weit aus dem Fenster“, erklärt Eckardt seine damaligen Überlegungen. Die Begehung zur Wasserdetektion wird zum spannenden Ereignis. Isken bricht sich eine geeignete Astgabel von einem Busch und läuft mit Eckardt durch die Wiesen. Plötzlich dreht’s ihm die Rute so heftig in den Händen, daß sich die Rinde abschält. Isken zum Bürgermeister: „Packen Sie mit an!“ „Die ist so abgegangen, daß wir sie nahezu nicht halten konnten“, erinnert sich dieser. „Es hat mich sehr beeindruckt.“ Eckardt holt zwei Stadträte zur folgenden Feinprospektion mit Edelstahlwelle hinzu. Isken läßt zwei an den Rutenenden mit anpacken. „Obwohl die fast zwei Meter groß und kräftig sind, hat‘s die Rute nach unten gedreht. Sie waren total hin und weg.“ Isken bestimmt den exakten Punkt und verlangt eine Leiter, um auf Tuchfühlung mit der wasserführenden Schicht zu gehen und deren Tiefe zu orten. Ein Zentimeter in der Höhe entspräche einem unterirdischen Meter. Die lange Leiter ist zu kurz, der Bauhofsteiger muß her. Auf 6,80 m habe sich die Rute „wie verrückt gedreht“, und Isken bekräftigt: „In 680 Metern werdet ihr fündig werden.“ Er bleibt noch zwei Tage, Zeit für Eckardt, ihn weiter zu testen. Er verkauft seine Proben, unter anderem an ihm bekannte, verdeckelte Quellen, als weiteres Beweismaterial für den Stadtrat. Isken macht mit. Er hat Eckardt beim Abendessen von seiner Fähigkeit, Kraftfelder aufzuspüren, etwa die von Kirchenaltären, erzählt. Eckardt lotst ihn in den Altarraum der Stadtkirche St. Kilian. Dort springt die Rute nicht an. Isken läuft das Kirchenschiff hinab und plötzlich schlägt sein Detektor aus. „Irgendwas stimmt hier nicht, hier ist das größte Kraftfeld.“ Eckardt hatte ihm vorenthalten, daß die Stadtkirche 1730 abgebrannt und räumlich versetzt wiederaufgebaut worden war. Isken hatte die Stelle des ursprünglichen Altars entdeckt.
Sensationeller Solefund
Mit diesen Stories, Film- und Fotodokumenten und den bezeugenden Stadträten geht er in die nächste Ratssitzung. Die Bohrung wird genehmigt. Sie sollte wenige Monate später in rund 680 Metern auf eine eisen-kohlensäurehaltige Thermalsole mit kräftiger Schüttung stoßen. Stadtrat und Zweckverband diskutieren die ganze Angelegenheit rauf und runter. Dann gibt der damalige Landrat Adolf Schilling grünes Licht: „Solange wir das Geld aus dem Verkauf des Kurzentrums ham, könnt ihr noch mal bohren, aber danach ist Schluß!“ Isken kommt ein zweites Mal nach Bad Windsheim und findet entgegen allen Expertenvoraussagen auch am Ort der geplanten Thermalbadanlage eine wasserführende Schicht im Untergrund. Die Risikoinvestition von einer Million Euro für die Bohrung sollte sich mehr als bezahlt machen. Diese förderte einen anerkennungsfähigen Thermalsolesäuerling in ca. 1 200 m Tiefe zutage. Der Einstieg zur Franken-Therme, einer einzigartigen Thermalbadlandschaft mit Europas größtem, vollgesättigtem Salzsee. Der inzwischen verstorbene Isken hat später das Thermalbad besucht und freute sich über seinen Erfolg. „Wir haben ihn hochleben lassen“, versichert der Altbürgermeister. „Die ganze Geschichte war einfach sensationell.“