Meistens geht es dabei friedlich zu …
Die Jugend auf dem Land entdeckt wieder das Karteln.
Text: Florian Hiller | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Schach gilt als Sport – Schafkopf als Kartenspiel. Beobachtet man eine hitzige Schafkopfpartie der Kartler in Markt Herrnsheim oder Hüttenheim, kann man das nicht so ganz nachvollziehen. Teilweise werden die Karten auf den Tisch gehämmert, als ob ein Hufschmied auf seinen Amboß drischt.
Schafkopf. Bierbauchige Männer mit grauen Bärten im hohen Rentenalter sitzen am Stammtisch, trinken Weißbier, schimpfen über Politik, die Jugend und spielen Karten. Eine Assoziation, die bestimmt viele beim Gedanken an Schafkopf haben. Und damit liegen sie oft nicht so ganz daneben. Was sich aber in den letzten Jahren beobachten läßt: Auch immer mehr Jüngere entdecken das „Karteln“ wieder für sich. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie, in der man über Wochen nicht feiern durfte und sich auch privat nur in kleinen Gruppen treffen konnte. Beste Voraussetzungen, um Schafkopf zu lernen.
Wo kommt eigentlich der Name Schafkopf her? Zur Etymologie gibt es unterschiedliche Erklärungen – und keine kann endgültig für sich reklamieren, die richtige zu sein. Die wenigen Quellen deuten darauf hin, daß das Spiel seinen Ursprung nicht in Bayern – noch nicht einmal in Franken – hat. Keiner weiß es.
Zwischenzeitlich haben sich zwei Theorien etabliert. Eine mögliche Erklärung geht davon aus, daß man ursprünglich die Spiele mit neun oder zwölf Kreidestrichen notierte, welche sich zum Bild eines stilisierten Schafskopfs zusammenfügten.
Bis Ende der 1960er Jahre war in Bayern die alternative Schreibweise Schaffkopf nicht selten zu finden; die entsprechende Diskussion um die vermeintlich einzig richtige Form und deren Hintergründe war in dieser Zeit Gegenstand ausführlicher Erörterungen – unter anderem in den Leserbriefspalten der bayerischen Presse – ehe sich ab etwa 1970 die gängige Variante „Schafkopf“ durchgesetzt hat. Weitgehend in Vergessenheit geraten, plädierte der Autor Wolfgang Peschel Anfang der 1990er Jahre unter Verweis auf die im Volksmund überlieferte Ansicht, daß in früheren Zeiten auf den Deckeln (Köpfen) von Fässern (oberdeutsch „Schaff“) gespielt (geklopft) worden sein soll, für die Doppel-f-Schreibweise. Obschon diese Hypothese in Fachkreisen einhellig abgelehnt wird und sich in älteren Quellen auch keinerlei Belege dafür finden lassen, ist sie im Internet weit verbreitet.
Schafkopf ist die bayerische Antwort aufs amerikanische Pokern
Wo der Name letztlich herstammt, ist den „Jung-Kartlern“ aus dem fränkischen Markt Herrnsheim und Hüttenheim herzlich egal. Regelmäßig treffen sie sich entweder in der Marktschänke in Markt Herrnsheim oder im Sportheim in Hüttenheim zum gemeinsamen Kartenspiel.
Obwohl es um die Gaudi geht, wird auch um Geld gespielt. Das wird in einem runden Schälchen aufbewahrt, um am Ende des Abends auszuwerten, wer wieviel gewonnen oder verloren hat. In fast jedem Schälchen findet sich auch ein Fünfmarkstück zum Klopfen oder Legen und eine Patronenhülse – richtig – zum „Schießen“. Mit der Münze und der martialisch anmutenden Patrone – verbunden mit den entsprechenden Gesten – wird nichts anderes als der Einsatz verdoppelt.
Meistens geht es beim gemeinsamen Spiel friedlich zu. Nur zu späterer Stunde kann es gelegentlich zu Ungereimtheiten über lokale Regelauslegungen kommen. Eine Besonderheit von Schafkopf. Die Grundregeln sind überall gleich. Der Eichel-Ober – der „Alt“ ist der höchste Trumpf im Spiel. Dann folgt der Blatt-Ober – auch der „Blaue“ genannt, der Herz-Ober und der Schell-Ober – der „Buckl“. So verhält es sich beim normalen Rufspiel, bei dem ein Spieler einen anderen Spieler mit einem Farb-Ass (Farb-Sau) ruft. Neben den Obern und den Untern ist dann auch noch Herz Trumpf. Anders verhält es sich beim Wenz. Dann sind lediglich die vier Unter Trumpf – aber in der gleichen Reihenfolge wie oben beschrieben. Farb-Solo, Wenz und Rufspiel. Das sind die gängigsten Spiele beim Schafkopf. Mit den anderen Varianten nimmt auch das Konfliktpotential zu. Farb-Wenz, Wenz-Schieber, Bettel oder Ramsch. Überall werden die Regeln etwas anders ausgelegt. Beim Schafkopf geht es zwar nicht darum, Geld zu gewinnen, trotzdem macht auch das den Reiz aus.
Es kommt aber nicht nur auf Können, Mitzählen und Taktik an. Es gehört auch eine Portion Glück dazu – ohne gute Karten kann man in der Regel auch nicht gewinnen. Es kann nicht schaden, auch mal zu bluffen – ähnlich wie beim Pokern. Man könnte fast sagen – Schafkopf ist die bayerische Antwort aufs amerikanische Pokern. Obwohl das eben als Glücksspiel zählt – im Gegensatz zum Schafkopfen.
Der gemeine fränkische Kart-Kiebitz
Überhaupt ist Schafkopf eher schon ein Gesellschaftsspiel. Das wird schnell klar, wenn man einen Raum betritt, indem gespielt wird. Drei „Partien“ sind heute zusammengekommen. Partie wird eine Schafkopfrunde mit vier Spielern genannt. Insgesamt also zwölf Spieler, wobei meist jedem Spieler nochmal mindestens ein kritischer „Kart-Kiebitz“ über die Schulter schaut. Der „gemeine fränkische Kart-Kiebitz“ zeichnet sich dadurch aus, daß er zunächst die Gruppendynamik in der Gaststube beobachtet und vorgibt, lediglich ein oder vielleicht zwei Getränke zu sich nehmen zu wollen. Bemerkt er dann, daß sich irgendwo eine Kart-Partie zusammenfindet, pirscht er sich mit Kaltgetränk und guten Ratschlägen langsam an. Spielen will er nicht – nur als „Brunskarter“ (das heißt für den Fall, daß mal einem der Spieler die Blase drückt oder eine Zigarettenpause ansteht, vertritt er ihn beim Spiel) stellt er sich bereitwillig zur Verfügung. Für den unerfahrenen Beobachter ein bizarres Schauspiel, könnten doch die meist in gleicher Anzahl wie Spieler anwesenden Brunskarter einfach eine neue Runde beginnen.
Je später der Abend, desto mutiger – oder eher fahrlässiger – werden die Spiele. Und auch die oft von Generation zu Generation weitergegebenen Kart-Weisheiten werden zum Besten gegeben. „Auf Schell ghört Herz!“, „kurzer Weg – lange Farb“, „Bumbl treibt die Ober zam“ oder „elf verliert!“. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Man könnte fast von einer Art „Schafkopf-Latein“ sprechen.
Die schlauen Sprüche werden von den Alten an die Jungen weitergegeben. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil sich beim Spielen gerne die Nachwuchsspieler mit Erfahrenen mischen. Schafkopf verbindet also Generationen und trägt so auch zum sozialen Frieden in unserem Land bei – wenn man so will. Vielleicht hatte die Corona-Pandemie also auch ein paar gute Seiten. Was sich auch zeigt: Die digitalen Angebote werden immer größer, immer schneller, immer schriller, immer interaktiver. Aber den Genuß einen Abend mit Freunden – analog – zu verbringen, kann auch der beste Streaming-Dienst nicht ersetzen.