Ausgabe März / April 2023 | Essen & Trinken

Was ein altfränkisches Weinhaus ausmacht

Weinhaus zum Spielberg: „Es ist halt ein Lebensgefühl!“

Text: Antje Roscoe | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Stefanie und Alfred Sokol ganz in ihrem Reich.
Stefanie und Alfred Sokol ganz in ihrem Reich.

Das Spielberg hat nicht nur ein Spiegelzimmer, es ist so etwas wie ein Spiegel für den Weinort Randersacker: etwas verwinkelt, ziemlich alt und mit einer guten Portion Authentizität ausgestattet. Berühmt sind beide in Sachen Gastlichkeit … aber ohne allzu viel Aufhebens davon zu machen. Einheimische und Fremde hocken hier beieinander.

Die Wirtsleute Stefanie und Alfred Sokoll halten es da mehr mit der fränkischen Zurückhaltung und dem, was unter einem altfränkischen Gasthaus zu verstehen ist: blanke Tische, eher schmal, dafür lang und immer noch Platz für einen Stuhl mehr. In der Schankstube läuft die Holzbank rundum genau wie die alte Holzvertäfelung mit Garderobenhaken überall dort, wo man sich setzt. So sieht die Quadratur für eine gemütliche Runde aus.

Für Kinder ist es das Gasthaus mit dem langen Ofenrohr. Genutzt wird der Ofen heutzutage selten, weil ja immer wieder mal behutsam modernisiert wurde. Und außerdem, so wie sich die Schankstube allabendlich füllt, „da wird es anders kuschelig“, behauptet Alfred Sokoll trocken. Auf Zwiegespräche von Pärchen ist man im Spielberg eher nicht eingerichtet. Aber es kommen gerne Ältere.

Eigentlich hocken alle ­Generationen beieinander

Auch Alleinstehende fühlen sich hier wohl, wo man „Grüß Gott“ sagt und dann zusammenrutscht. Für Familie Sokoll gehört das zum Selbstverständnis eines altfränkischen Wirtshauses: etwas bodenständig Gescheites aus seiner Küche, der Schoppen und das Gespräch. „Das ist das Schöne, daß die Leute sich zusammensetzen und dann schöne Unterhaltungen haben, aus denen sich schöne Abende ergeben, interessante Bekanntschaften und wer weiß noch alles wird“. Acht Leute am Vierertisch? Für einen Schoppen und die Brotzeitplatte ist da allemal genug Platz. „Dann werden die Brote halt vorgeschnitten“, lautet die praktische Lösung der Chefin. „Da kann man doch miteinander reden.“

In der kleinen Küche geht es übrigens genauso zu: phänomenal eng! Deswegen ist auch Wirtin Stefanie Sokoll eine Allrounderin, die zwischen Theke, Gästen, Küche und Keller unterwegs und überall präsent ist. Im Sommer sind es mehr die sonnige Terrasse und die Schattenplätze im Hof unter den Kastanien. Ihr Großvater, Wilhelm Lurz, hatte das Weinhaus Spielberg 1928 übernommen. Seitdem ist es in Familienbesitz. Es wurde von Vater Hans Lurz ab 1958 weitergeführt. Er lächelt weiter verschmitzt von einem der Fotos in der Schankstube. Genau wie Tilly Lurz, Stefanie Sokolls Tante, die 1950/51 die erste Fränkische Weinkönigin überhaupt war und genau hier aus dem „Weinhaus zum Spielberg“ kam.

Frischer Tartar und auch gebratener Tartar sind hier Kult

Seit Generationen ist das Gasthaus einer der immer guten Treffpunkte in Randersackers lebendiger Wirtshauskultur, wenngleich es sich vom Winzerbetrieb mit Schankstube in das „Weinhaus zum Spielberg“ verwandelt hat. Die Bewirtschaftung der Weinberge ist abgegeben. Verschiedene Randers­ackerer Weingüter liefern heute die gewünschte Auswahl an. Seit das Ehepaar Sokoll 1995 übernahm, konzentriert es sich auf eine bodenständige fränkische Küche, zu der die deftige Brotzeit genauso gehört, wie die Klassiker mit Kloß und viel, viel Soß‘. Der Küchenchef kann auch anders auftischen, hat bei Küchenmeistern gelernt, von denen einer auch Metzger war. Gehobene Küche läßt Alfred Sokoll bei Feierlichkeiten oder dem Randersackerer Weinfrühling blicken. Was die Gäste hier ab 17 Uhr wie magisch angezogen durch das Törchen in der Klosterstraße hereinströmen läßt, ist jedoch „das Einfache, hausgemacht“: der Kartoffelsalat, der falls nötig auch mehrmals täglich zubereitet wird oder das täglich frische Gemüse. Wirsing, Bohnen, Kohlrabi …? Was hat Saison? Daß Sokol darauf Wert legt, ist einer der vielen kleinen Hinweise auf höch­ste Ansprüche für die einfachen und traditionellen Gerichte. Also: keine Pommes Frites, keine Fritteuse! Frischer Tartar und auch gebratener Tartar sind hier Kult, genau wie ein Schäufele oder die Wein-Bratwür­ste, die Alfred Sokoll nach eigenem Rezept mit Wein fertigen läßt. „Mit gutem Wein, den wir hier auch ausschenken“, betont er. „Wenn ich was Gescheites haben will, muß ich auch was Gescheites reintun. Auch das Einfache muß gut sein.“

Gebratener Tatar ist hier Kult.
Gebratener Tatar ist hier Kult.

Die Tageskarte bietet ­Überraschungen

Es sind die Klassiker wie Sauerbraten und Schweineschnitzel, die die Gäste anziehen, weil ihnen der Sinn genau danach steht. Die Tageskarte sorgt für die Überraschungen. Kalbshaxe blau nach Schwiegermutters Rezept, Nierle, gefülltes Hähnchen … Derlei Spezereien muß man vorbestellen, wenn man sicher sein will, etwas abzubekommen. Überhaupt ist Vorbestellen der einzige Weg, sicher einen Platz zu bekommen, wenn mehr als zwei Personen mit von der Partie sind. Seit der Corona-Pandemie konzentriert sich der Gastbetrieb noch mehr auf die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr. Die Menschen bleiben nicht mehr so beim Schoppen sitzen, um sich weiter zu unterhalten, beobachten die Wirtsleute. Und auch gegen das traditionelle Beieinanderhocken sind viele noch etwas reserviert eingestellt. Genau dieser Part fränkischer Gastlichkeit macht ihnen etwas Sorge, daß die Gesprächskultur, die informelle Begegnung und Offenheit gegenüber den verschiedensten Leuten aus verschiedenen Welten verloren­gehen könnte. Und das mitsamt dem Phänomen, daß der Schoppen hier anders schmeckt als zu Hause. „Auch wenn es der gleiche ist“, argumentiert der Küchenchef. „Es ist halt ein Lebensgefühl!“

An der Qualität werden bei Alfred Sokoll keine Abstriche gemacht

Genau ein Gutes hat diese Veränderung, gepaart mit dem allgegenwärtigen Personalmangel für die Sokolls aber doch. Die abendliche Schließzeit haben sie auf 23 Uhr vorverlegt und genießen es sehr. Denn morgens um acht Uhr wieder in die Küche zu gehen, um Rinderhälften zu zerlegen, Brühen anzusetzen, Salatdressing zu kochen, Gemüse und Bratkartoffeln vor­zubereiten … das ist alternativlos. An der Qualität werden bei Alfred Sokoll keine Abstriche gemacht. Was seinen Ansprüchen und Prinzipien nicht genügt, kommt nicht ins Angebot. Das Jubiläum „100 Jahre Weinhaus zum Spielberg in Fa­milienbesitz“ in fünf Jahren können sie auf diese Weise wohl herankommen lassen, und der „Spielberg“ als kleine, historisch überlieferte Randers­ackerer Weinlage, zu deren Füßen das Weinhaus steht, bleibt wenig­stens hier noch in guter Erinnerung.

www.weinhaus-zum-spielberg.de

Altfränkische Gastwirtschaft
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