Hommage an Leonhard Frank
Text: Ralf | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Sie stand auf und klopfte mit den Fingern ans Mikrofon, Test – Test – Leonhard, als ob sie das Gerät überprüfen wollte, ob es funktioniere – und im Publikum mochte man denken, was soll das, die Podiumsdiskussion war doch schon seit längerem im Gange und die Mikrofone funktionierten tadellos. Dann aber war klar: Das gehörte bereits zum Text, den Ulrike Schäfer (Mitte), Schriftstellerin aus Würzburg, bei der doppelten Geburtstagsfeier für Leonhard Frank und die dazugehörige Gesellschaft im Theater am Neunerplatz in Würzburg vortrug. Leo, coming home!, eine Hommage an den einstmals in der Stadt verfemten Autor Leonhard Frank, den noch eine Generation zuvor als Nestbeschmutzer empfunden hatte, hatte Frank doch in seinen Jünger Jesu direkt nach dem Zweiten Weltkrieg über die Ermordung von Juden auf dem Würzburger Marktplatz geschrieben, und das war, natürlich, in Würzburg nicht vorgekommen.
In der Podiumsdiskussion mit der ehemaligen Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (links) und Ulrike Schäfer, moderiert von Daniel Osthoff (rechts), alle drei kannten sich seit den 80er Jahren aus ihrem Germanistikstudium, ging es vornehmlich um die Wahrnehmung des pazifistischen Autors in seiner Heimatstadt, aber auch um die Aktualität seiner Texte, die bereits vor 75 Jahren vor dem Wiedererstarken des Rechtsradikalismus warnten. Nein, der Sozialismus ist im Jahr 2000 nicht gekommen, nachzulesen in Schäfers Hommage an Frank auf der Homepage der Autorin.
Einer dieser Texte Franks, die Novelle Karl und Anna, geschrieben 1926, wurde im zweiten Teil der Veranstaltung von Schauspieler Boris Wagner in Auszügen eindringlich vorgetragen und von Hans Steidle, dem Vorsitzenden der -Leonhard Frank-Gesellschaft, in knappen Worten verknüpft und kommentiert. Auch hier war die verdammte Realität ganz nah zu spüren: Eine menschliche Tragödie, die sich im und direkt nach dem Ersten Weltkrieg erst in Russland und dann in einer deutschen Großstadt abspielt. Und auch hier: 1952 gab es einen Presseboykott in Würzburg gegen die Aufführung von Karl und Anna als Theaterstück an den Städtischen Bühnen, es stelle eine Beleidigung dar für die noch in Russland gefangenen deutschen Soldaten.
Eine literarische Gesellschaft feiert sich und ihren Autor: 140 und 40 Jahre. Und die Veranstaltung vermittelte den schönen Eindruck, daß die Stadtgesellschaft mittlerweile auch ganz familiär daran teilhat. Leonhard Frank wird mittlerweile nicht nur in Würzburg, sondern überhaupt als wichtiger deutscher Schriftsteller geschätzt. ❚ pr