Ausgabe November / Dezember 2021 | Essen & Trinken

Den Weg des Brotes gehen

Schwester Emmanuela von der Kongregation der Schwestern des ­Erlösers lädt ein, beim ­Brotbacken dem eigenen Leben nachzuspüren.

Text: Ursula Lux | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Zehn Jahre lang hat Schwester Emmanuela von einem eigenen Holzbackofen geträumt, dann, vor zwei Jahren, haben ihre Mitschwestern ihr zum Geburtstag den Gutschein für einen solchen Ofen geschenkt. Schwester Emmanuela ist Bäckermeisterin und gehört zur Kongregation der Schwestern des Erlösers in Würzburg. Im Haus Wirbelwind im Steinbachtal steht er nun, ihr Holzbackofen, den ein Freund des Hauses gebaut hat. Was folgte, war eine lange Übungsphase, die Schwester Emmanuela und ihre „Ofenschürerin“ Christine Appelsmeier zu absolvieren hatten. Denn so ganz einfach ist es nicht, einen Holzofen zu nutzen. 

Einstimmung in den Seminartag
Zur Einstimmung in den Seminartag entzündet Schwester Emmanuela ein Licht und bedenkt mit den Teilnehmerinnen was es braucht, damit ein schmackhaftes Brot entsteht. Die Überlegungen schwenken schnell zur Frage über, was macht mein Leben schmackhaft?

Je nach Außentemperatur dauert es drei bis vier Stunden bis der Ofen die gewünschten 300 bis 350 Grad hat. Also muß Mitarbeiterin Christine rechtzeitig beginnen. Mit Zeitung, Reisig, Karton und kleinem Holz sorgt sie für das erste Feuer. Vorher wurde die Rohrklappe geöffnet, damit das Feuer auch genügend Sauerstoff bekommt. Wenn’s richtig brennt, dann wirft die Ofenanzünderin ca. eineinhalb Schubkarren Holz über das Feuer, „Buchenholz“, erklärt Schwester Emmanuela. Jetzt heißt es abwarten und immer wieder nachschauen, ob das Feuer auch noch richtig brennt. Die Glut muß dann gleichmäßig im Ofen verteilt werden, damit der Stein darunter gleichbleibend heiß wird. Wenn das Holz weitgehend abgebrannt ist, dann muß Christine die Glut herausholen. Sie wird in eine Eisenwanne geschoben – eine buchstäblich heiße Angelegenheit. Mit einem feuchten Besen wird der Ofen dann ausgekehrt und feucht ausgewischt, damit keine Holzkohle an den Backwaren hängenbleibt. Jetzt wird die Temperatur gemessen und Schwester Emmanuela macht die Mehlprobe. Wird das Mehl, das sie beherzt in den Ofen wirft, schwarz, dann ist der Ofen noch zu heiß, Christine schüttet Wasser auf den heißen Ofenboden um ihn abzukühlen. Das ist der spannendste Moment, erklärt Schwester Emmanuela, eigentlich sollten der Brotteig und der Ofen gleichzeitig fertig, der Teig dürfe jetzt nicht mehr lange stehen, aber der Ofen eben auch nicht zu heiß sein. 

Mit viel Kraftaufwand
Mit viel Kraftaufwand haben die Teilnehmerinnen ihren Brotteig geknetet und in Form gebracht, jetzt wird er zum Ruhen an einen warmen Ort gestellt.

Hier wird geschossen

Endlich paßt die Temperatur, das Mehl bleibt weiß und das Brot kann „eingeschossen“ werden, wie es in der Fachsprache so schön heißt. Eine Stunde wird es nun backen, zwischenzeitlich hat Christine schon einen Apfelplootz vorbereitet, er kommt nach dem Brot in den Ofen, um die Restwärme zu nutzen. Die hält lange an, noch am kommenden Tag, erklärt Schwester Emmanuela, hat es im Ofeninneren rund 100 Grad. 

„Es war ein längerer Übungsprozeß, bei dem auch so manches Brot verbrannte“, erzählt die Klosterfrau, aber so langsam haben sie und ihre Ofenschürerin Übung und können die Schwesterngemeinschaft immer mehr mit Brot beliefern. Das Backen des Brotes allerdings ist nur ein Teil ihrer Leidenschaft. Schwester Emmanuela lädt gerne dazu ein den „Weg des Brotes“ auch meditativ zu gehen. „Ich habe mir überlegt, warum Jesus beim letzten Abendmahl ausgerechnet Brot und Wein genommen hat“, erzählt sie und beantwortet sich die Frage gleich selbst. „Im Brot steckt mein ganzes Leben drin.“ Und dann lädt sie Teilnehmer ihrer Kurse ein, nicht nur ihr eigenes Brot zu backen, sondern auch ihr eigenes Leben zu bedenken. Ein Leben, das wie beim Brot, zwischen Phasen der Arbeit und der Ruhe, des aktiven Gestaltens und des Zulassenkönnens hin und her schwingt. 

Schmackhaftes Brot
Ein kleiner Spritzer Wasser, dann wird der „ausgeruhte“ Teig in den Ofen geschossen, um als schmackhaftes Brot wieder heraus zu kommen.

Geschehen lassen und Vertrauen haben

Ihr Weg beginnt mit der Zubereitung des Sauerteiges, eines „Teiges voller Leben“, erklärt sie. Er braucht eine gute Vorbereitung, einen warmen Ort und dann viel Ruhe. Die Bäckerin kann dann nichts mehr tun, sie muß darauf vertrauen, daß der Teig reift. Wer Kinder habe, kenne das, meint eine Teilnehmerin. Man könne sie gut aufs Leben vorbereiten, dann aber müsse man sie loslassen und ihnen vertrauen. Schwester Emmanuela erinnert der Reifeprozeß des Sauerteigs an das Göttliche, das in jedem Menschen zu finden sei. Es brauche Zeit, Achtsamkeit und eine Atmosphäre der Wärme und Geborgenheit, um zu wachsen und zu reifen. Machen und beschleunigen könnten wir es nicht, wir müßten es entdecken, annehmen und geschehen lassen, meint die Klosterfrau. 

Jetzt wird der Sauerteig mit Mehl, Hefe, Salz und Wasser zu einem Teig geknetet, das ist harte, körperliche Arbeit. Eine Teilnehmerin erinnert sich zurück an ihre Oma, die noch große Brote für die ganze Familie mit der Hand geknetet hat, posthum wächst die Achtung vor der Lebensleistung dieser Frau. Schwester Emmanuela erzählt, daß sie eigentlich auch alles nach althergebrachter Art mit der Hand kneten wollte, aber in den Holzofen passen 25 Brote, also hat sie sich doch für eine alte Knetmaschine entschieden. Die Teilnehmerinnen allerdings kneten mit der Hand und denken dabei nach, wie oft das Leben sie schon durchgeknetet hat. Krankheit, Leid, Tod, Enttäuschungen – auch das Leben ist manchmal harte Arbeit. Dennoch meint Schwester Emmanuela, brauche es das Vertrauen darauf, daß alles einen Sinn habe, auch wenn wir ihn nicht erkennen. 

Wenn die anstrengende Arbeit des Knetens geschafft ist, braucht der Teig Ruhe, er wird geformt, kommt in einen Brotkorb, der dem Teigling den nötigen Halt gibt, sich weiterzuentwickeln. „Mir ist klar geworden, wer und was mir Halt gibt im Leben“, erklärt eine Teilnehmerin. „Meine Einmaligkeit entfalten, ohne mich zu verstellen, das geht nur, wenn es Menschen gibt, die mich verstehen und mir Halt geben“, betont Schwester Emmanuela.

Die Feuerprobe überstehen

Nach einer weiteren Ruhezeit steht dem Teigling Hitziges bevor, er muß in den Ofen, um zu einem schmackhaften Brot zu werden. Solche Feuerproben gibt es auch im menschlichen Leben, „Momente in denen ich meine, es ist alles aus“, Sackgassen des Lebens, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint. Jetzt gehe es ums Aushalten, nicht aufgeben und im Grunde wieder um das Vertrauen, daß aus dieser Feuerprobe etwas Köstliches herauskommt. Aus dem Ofen kommt das duftende Brot. Menschen, die die Feuerproben ihres Lebens bestehen, würden hellsichtiger und weitsichtiger, eben auch ein bißchen köstlicher und schmackhafter, stellt eine Teilnehmerin fest.

Der „Weg des Brotes“ zu dem Schwester Emmanuela einlädt, wurde für die Hobbybäckerinnen der Weg zu ihrem eigenen Leben. Der Abschluß des Tages findet in der Kapelle statt. Jetzt liegen die frischgebackenen, duftenden Brote in der Mitte und die Teilnehmer singen: „In Liebe für das Leben, backen wir Brot, helfen wir gern, teilen wir Brot.“ Von den selbstgebackenen Broten in der Mitte wird der Bogen gespannt zu Jesus, der von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Dann schwingt der Bogen weiter zu den Teilnehmerinnen, die erkennen, „jeder kann Brot sein, nahrhaft sein, für seine Mitmenschen“.

Das Brot ist gebacken
Das Brot ist gebacken, sein Duft erfüllt den Raum der kleinen Kapelle. Zum Abschluss treffen sich die Seminarteilnehmerinnen um Gott zu danken für die „Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit.“

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