Reihengräber, Sturzbecher und ein Kraft verleihender Gürtel
Die Ausstellung „Als Franken fränkisch wurde“ im Knauf-Museum in Iphofen zeigt archäologische Funde aus der Merowingerzeit und spürt unseren Ursprüngen nach.
Text: Michaela Schneider | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
So ist er nun mal, der Franke: Er betont gerne, daß er ein bißchen anders tickt als das übrige Bayern. Er läßt das „R“ ab und an extra rollen. Und er hängt an seinen Traditionen und dem Wein. Doch woher rührt der regionale Unterschied? Und woher kommt es eigentlich, das Fränkische im Maingebiet? Wer eintauchen will in die frühe regionale Geschichte, ist derzeit im Knauf-Museum in Iphofen richtig. In der Sonderausstellung „Als Franken fränkisch wurde“ zeigt das Haus mindestens bis zum 27. Juni archäologische Funde aus der Merowingerzeit.
Mit Grabungsfunden, Rekonstruktionen, Gräberinstallationen, Projektionen sowie in Film und Audio läßt es eintauchen in das Zeitalter der ersten Franken, die ab dem frühen 6. Jahrhundert aus dem Mittelrheingebiet in das Land am Main kamen und es mit ihrem kulturellen Einfluß für immer verändern sollten. Zahlreiche Leihgeber unterstützen die Schau; Objekte, die in Franken gefunden wurden, erkennen Besucher an der Präsentation auf rotem Grund. Viele weitere Leihgaben stammen aus dem Rheinland. Im Museum für Franken in Würzburg ist derzeit ergänzend eine Ausstellungsinsel zum Thema „Frühmittelalterliche Burgen“ zu sehen.
Daß sich das im Jahr 1983 vom Gipsfabrikanten und Kunstmäzen Dr. Alfons N. Knauf begründete Museum nun in einer aufwendigen Schau den fränkischen Anfängen widmet, kommt nicht von ungefähr: Über Jahre hatte der Hobbyarchäologe Karl Alt im Dornheimer Grund bei Iphofen einen Siedlungsplatz der ersten Franken erforscht und Keramikscherben, Spinnwirtel, Webgewichte, bearbeitete Knochen und Trachtbestandteile zusammengetragen. Seine Sammlung hinterließ er nach seinem Tod im Jahr 2010 der Stadt Iphofen. Ab 2012 konnten Wissenschaftler der Universität Jena zudem im Dornheimer Grund mittels geophysikalischer Untersuchungen fränkische Siedlungsspuren nachweisen. Grabungen förderten im Jahr 2018 ein komplettes Grubenhaus ans Tageslicht. Dabei handelte es sich, wie man heute weiß, um ein reines Arbeitshaus, dieses ist in der Sonderausstellung als Modell zu sehen. Gelebt haben die Franken indes in Wohn-Stall-Häusern, wie es in der Region auf Höfen oft noch bis ins 20. Jahrhundert üblich war. Die Tradition der Fachwerktechnik hat sich bis heute gehalten.
In voller Tracht- und Waffenausrüstung ins Jenseits
Doch zurück zu den Anfängen. Nach dem Sieg über die Alamannen im Jahr 496 und über die Thüringer 531 nach Christus hatten die fränkischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger begonnen, das heutige Franken zu kolonialisieren. Bei unseren Vorfahren handelte es sich also – anders als im altbayerischen Raum – um Germanen aus dem Stammesverband der Franken im Westen am Mittelrhein. Und die brachten Gegenstände und Sitten mit, die im Maingebiet neu waren, so zum Beispiel den Brauch, die Toten in Reihengräbern zu bestatten.
Eben diese „Reihengräberfelder“ liefern heute anschauliche Einblicke in ein nahezu schriftloses Zeitalter, denn Tote wurden in voller Tracht- und Waffenausrüstung und mit verschiedenen Beigaben bestattet, um im Jenseits gut versorgt zu sein. In den Gräbern beider Geschlechter finden sich etwa Kämme, Scheren, Trinkgefäße, Speisen und Getränke. Darüber hinaus aber unterscheiden sich die Grabbeigaben deutlich. Männer nahmen die Heeresausrüstungen, die sogenannte Heergewäte, mit ins Jenseits. Zum weiblichen Erbe, der Geraden, gehörten Utensilien zum Spinnen und Weben. Besonders viele Reihengräberfelder finden sich am südlichen Maindreieck. Beinhalten Dorfnamen dort wie das erwähnte Dornheim die Endung -heim, ist wohl anzunehmen, daß ihre Gründung mit den ersten Franken zusammenhängt. Fürs Knauf-Museum wurden eigens zwei Gräber rekonstruiert, die den typischen Grabkontext reicher Bauern abbilden. In Vitrinen liegen Originalgrabbeigaben.
Auch einen Blick auf den frühen fränkischen Speiseplan lassen die archäologischen Funde zu. Darauf standen zur Zeit der Merowinger unter anderem Getreidebrei, Brot aus Roggen oder Gerste, Eier, Milch, Käse und Gemüse. Rund 60 Prozent des verspeisten Fleischs stammte vom Rind, der Rest vor allem vom Schwein. Rüben, Kohl, Linsen, Lauch, Zwiebeln, Senf, Dill und Petersilie wurden kultiviert. Obst und Nüsse erntete man wohl eher von wilden Bäumen. Zudem läßt ein kleiner Dornheimer Fund große Rückschlüsse zu: Ein Sieblöffelchen gilt Wissenschaftlern zufolge hier als der älteste Nachweis für den Genuß von Wein, verwendet wurde es wohl zum Filtern. Zu hören ist in der Audioguide-Runde durch die Ausstellung auch: Die Möglichkeit, am Main Wein anzubauen, könnte ein Grund für die ersten Franken gewesen sein, sich hier überhaupt niederzulassen. Wenn da das mainfränkische Herz nicht auch heute noch höher schlägt!
Luxusgüter
Apropos Trinkgenuß: Mehrfach begegnet der Ausstellungsbesucher in der Sonderschau sogenannten Sturzbechern: Die hatten keinen glatten Fuß und konnten somit nicht abgestellt werden. Getrunken werden mußte also stets auf ex. Daß entsprechende Glasfragmente seinerzeit auch bei den Grabungen in Dornheim auftauchten, überraschte die Archäologen, weil Gläser in der Merowingerzeit ein absolutes Luxusgut waren. Wie die ebenfalls in der Ausstellung gezeigte Drehscheibenkeramik jener Zeit wurden sie aus dem Rheinland importiert und gelten als Beleg für einen gewissen Wohlstand in der Region. Bei den Keramiken übernahmen die Franken teilweise römische Gefäßformen, sie schufen aber auch eigene Kreationen: mit Rollrädchen und Stempeln fein verzierte Knickwandtöpfe und Röhrenausgußkannen zum Beispiel. Auch wie Perlen, Schmuck, Waffen oder Woll- und Leinenstoffe einst gefertigt wurden, wird in der Sonderschau erläutert.
Und wie sahen unsere frühen Vorfahren aus? Ladies first. Über einem Untergewand aus Leinen trugen die Fränkinnen ein Wollkleid mit Gürtel. An diesem war ein Riemen befestigt mit Messer, Kamm, Spinnwirtel und Amuletten. Zudem besaßen Männer wie Frauen einen Mantelumhang. Die Frauen schmückten sich mit Ketten aus bunten Glasperlen, Goldanhängern und ab dem 7. Jahrhundert mit Ohrringen. Manches Luxusgut wie etwa eine mandelförmige Perle aus Amethyststein, die Archäologen im Dornheimer Grund fanden, wurde eigens importiert. Das Oberkleid wurde mit Fibeln, sprich einer Art Brosche, verschlossen. Ihre Beine schützten die Frauen mit Wadenbinden, diese wurden mit metallbeschlagenen Riemen befestigt.
Paradies oder Wallhall
Fränkische Männer trugen einen Kittel, eine bis über das Knie reichende Hose, Wadenbinden, Lederschuhe und einen Mantelumhang. Je nach sozialem Status besaßen sie eine Wurfaxt, ein Kurzschwert, ein Langschwert, eine Lanze und einen Schild – das Kriegertum stand in hohem Ansehen. Am metallbeschlagenen Gürtel hing eine Gürteltasche mit Feuerzeug, Kamm, einer Pinzette zur Bartpflege, einem Eisenmesser und einer Schere. Der Gürtel hatte gleichzeitig nicht nur praktischen Nutzen, sondern war von magischer Bedeutung als ein Symbol der Kraft und Stärke. Ohne Gürtel ging dem Mann diese Kraft verloren. Entsprechend kunstvoll wurden diese gearbeitet. Die Franken waren geschickt in der Metallverarbeitung und gute Waffenschmiede. Schwerter zu schmieden galt dabei als heiliger Akt.
Auch lassen die archäologischen Funde aus der Merowinger Zeit Rückschlüsse auf die Glaubenswelt der Franken zu. Zwar waren sie bereits christianisiert und bauten in ihren ersten Siedlungen Kirchen. Doch hielten sie weiter auch an heidnischen Glaubensvorstellungen fest und kombinierten diese mit der christlichen Symbolik. Immer wieder findet sich etwa als Motiv der Adler, der bei den Germanen als ein mit magischen Kräften behaftetes Tier und Erscheinungsform des Gottes Odin, jedoch auch als Symbol Christi und der Wiederauferstehung galt. Ob Paradies oder Wallhall – Hauptsache Auferstehung.
Museumsbesuch in Coronazeiten
Die Ausstellung „Als Franken fränkisch wurde – Archäologische Funde der Merowingerzeit“, ist mindestens bis
27. Juni im Knauf-Museum in Iphofen zu sehen. Geöffnet ist dieses Dienstag bis Samstag zwischen 10 und 17 Uhr sowie sonntags zwischen 11 und 17 Uhr.
Der Museumsbesuch sollte aufgrund der Einschränkungen und, um Wartezeiten zu vermeiden, vorab in einem fixen Zeitfenster reserviert werden – entweder telefonisch unter 09323/31-528 oder per Email unter knaufmuseum@knauf.de. Es dürfen sich gleichzeitig maximal 50 Personen im Museum aufhalten. Bei einer Inzidenz von über 50 behalte sich das Museum eine vorübergehende Schließung vor, heißt es in der Pressemitteilung. Zur Ausstellung ist eine gleichnamige Begleitpublikation im Verlag Nünnerich-Asmus erschienen, ISBN 978-3-96176-120-3.